Mai (Müller)
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Mai.
Ich möchte schweigend, Lieber, dich umfangen,
Gehüllt in süße, bange Dämmerungen.
Es wird so viel zu meinem Preis gesungen,
Daß mir die Lust am Liede fast vergangen.
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Wärst du so heiß von seligem Verlangen,Wie eine Lilie, deren weiße Zungen
Den langen Tag nach kühlem Trost gerungen,
Bis daß sie müd’ und matt zur Erde hangen:
Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,
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So viel du magst, mein treuer deutscher Zecher,Aus meinem bodenlosen Liebesbecher!
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Siehst du die hellen Thauestropfen blinkenDort an den Lilien in der Morgensonne?
Wie mäßig schaltet ihr mit meiner Wonne!