MKL1888:Zunftgebräuche

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zunftgebräuche“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 992
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Zunftgebräuche. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 992. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Zunftgebr%C3%A4uche (Version vom 16.06.2024)

[992] Zunftgebräuche. Als Vorrechte bestimmter Gewerke und Gilden haben sich bis in die Neuzeit hinein gewisse eigentümliche Zeremonien, öffentliche Aufzüge, Spiele und Tänze erhalten, die der gewöhnlichen Sage nach der betreffenden Zunft in einer Stadt für ewige Zeiten gestattet worden seien, weil ihre Angehörigen bei einer Pest, Belagerung und sonstigen Notzeit hervorragende Dienste geleistet hätten. Sieht man indessen genauer zu, so erkennt man, daß es sich dabei um uralte Volksgebräuche, wie z. B. um die Schwertertänze der germanischen Frühlingsfeier oder jenen großen Umzug des Isisschiffs auf Rädern, den alle Küstenstädte ehemals bei Eröffnung der Schiffahrt feierten, um die Maiumzüge etc. handelt, die eben in den meisten Städten aus dem öffentlichen Leben verschwunden waren und nur noch hier und da in diesen herkömmlichen, meist in die Karnevalszeit verlegten Aufzügen der Gewerke ihren Ausdruck fanden. Sie erhielten sich, weil mit ihnen öffentliche Lustbarkeiten verbunden waren, weil Gemeinde und Privatleute, vor deren Häusern die Tänze wiederholt wurden, Beisteuern zum Schmaus gaben, und sind zum Teil erst in der neuesten Zeit abgeschafft worden. Hierher gehören die ehemals in vielen Städten üblichen Schwerttänze der Messerschmiede und Schwertfeger, das 1539 vom Rat aufgehobene Schönbartlaufen (s. d.) in Nürnberg, der Umzug der Metzger von Paris und Salzburg mit dem Fastnachtsochsen, das Fahnenschwingen der Egerer Metzger und Tuchmacher und der Schäfflertanz (s. d.) und Metzgersprung (s. d.) der Münchener. Mehr den Charakter eines allgemeinen Volksfestes hat das Sechseläuten in Zürich angenommen, welches am Montag nach der Frühlingsnachtgleiche stattfindet und nach dem Umstand benannt ist, daß an diesem Tag zum erstenmal die Abendglocke geläutet wird. An ihm nehmen alle Gilden in ihren volkstümlichen Trachten mit ihren Emblemen und allerlei Schaustücken teil. In ähnlicher Weise erinnert der in vielen niederländischen Städten und mit besonderer Pracht in Antwerpen am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt gefeierte Ommeganc (Umgang) stark an die alten Schiffsumzüge und anderseits an die Fastnachtsgebräuche. In dem niederländischen Ommeganc bilden Riese und Riesin, welche jede größere Stadt in besonderer Ausstattung bewahrt, das Hauptschaustück, dazu kommen überall volkstümliche Figuren, wie Roland, die vier Haimonskinder, der große Drache etc. Auch fehlt das Schiff selbst nur selten in dem Aufzug. Ebenso kehren gewisse Scherze, wie spritzende Delphine u. dgl., meist überall wieder. In den andern Ländern sind diese Umzüge meist auf die Karnevalszeit beschränkt oder ganz aufgehoben worden.