MKL1888:Zimmermannssprüche

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zimmermannssprüche“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 909
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Zimmermannssprüche. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 909. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Zimmermannsspr%C3%BCche (Version vom 28.09.2024)

[909] Zimmermannssprüche. Wie die Grundsteinlegung (s. d.) eines Gebäudes, so wird auch die Vollendung desselben im ersten Umriß durch einen feierlichen Akt begangen, der sich gewöhnlich an die Aufrichtung des hölzernen Dachgerüstes knüpft (daher im Volksmund das Richten des Hauses genannt), wobei eine Verzierung der höchsten Dachfirste mit grünem Schmuck, sei es in Form einer Krone oder eines grünen, mit farbigen Bändern geschmückten Bäumchens oder mit Kränzen, stattfindet und der Bauleiter, sei es der Zimmermann oder Maurerpolier, eine feierliche Rede (daher Kranzrede genannt) zur Weihe des Hauses hält und eine festliche Bewirtung aller beim Bau beschäftigten Personen die Zeremonie schließt. Bei öffentlichen und namentlich kirchlichen Gebäuden werden auch wohl ebenso wie in den Grundstein Dokumente, Münzen, Denkzeichen aller Art in den Turmknopf eingeschlossen. Die Sitte erinnert an den Schmuck der Dachfirste oder des Giebels mit schützenden Emblemen, sei es der gekreuzten Pferdeköpfe in deutschen und wendischen Ländern, welche als seuchenabwehrend galten, des Donnerbesens (s. d.) in den Vierlanden als Wetterbannung, des Hahns auf der Wetterfahne als Symbols der Wachsamkeit, des an den Giebel oder auf die Schwelle genagelten Hufeisens als Schutzmittels. In Siam und Polynesien setzt man im ähnlichen Sinn Firstmasten oder geschnitzte Figuren auf den Hausgiebel, und den Sinn aller dieser Maßregeln, die Beschützung des Hauses und seiner Bewohner vor Blitz-, Feuer-, Seuchen- und andrer Gefahr, faßt der oft in gebundener Rede von oben herab gehaltene Zimmermannsspruch in kurzer, kerniger Form zu einem Segensspruch für das neue Haus und alle seine Bewohner zusammen. Vgl. „Z. und Kranzreden“ (8. Aufl., Weim. 1887).