MKL1888:Ziegelbrenneranämie

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ziegelbrenneranämie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 17 (Supplement, 1890), Seite 835
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Ziegelbrenneranämie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 835. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ziegelbrenneran%C3%A4mie (Version vom 17.03.2024)

[835]  Ziegelbrenneranämie, eine bei den Ziegelarbeitern beobachtete, mit der ägyptischen Chlorose, der Tunnelanämie und Bergwerkskachexie identische, durch das Anchylostomum duodenale (s. d., Bd. 1), einen Eingeweidewurm aus der Familie der Strongyliden, erzeugte Blutarmut. Die Z. wurde in Italien schon seit alten Zeiten beobachtet, aber erst 1877 erkannte man, daß auch sie wie die tropische Chlorose durch das Anchylostomum hervorgerufen wird. Eine verheerende Epidemie der Anchylostomiasis trat 1879 unter den Arbeitern des Gotthardtunnels auf. Es stellte sich dann ferner heraus, daß auch die in Ungarn und in Frankreich beobachtete Bergwerksanämie auf Anchylostomuminfektion beruhte, und schließlich fand sich bei den Arbeitern auf den Kölner, dann auch auf den Würzburger Ziegelfeldern gleichfalls die Anchylostomumanämie ein. Hier waren es vorzugsweise die italienischen Arbeiter, welche erkrankten. Die Ansteckung geht hier in folgender Weise vor sich: die italienischen Arbeiter, welche den Parasiten in ihrem Darme mitbringen, infizieren die Lehmfelder durch ihre Ausleerungen, in welchen die Eier und Larven des Anchylostomum enthalten sind. Den nassen Lehm verarbeiten sie mit den Füßen, wobei sie sich überall beschmutzen. Ohne vorhergehende Reinigung wird dann auf dem Feld selbst die Mahlzeit eingenommen, und mit der durch den infizierten Lehm beschmutzten Nahrung wird der Parasit auf einen neuen Wirt übertragen. Bei Würzburg wurde beobachtet, daß die deutschen Ziegelarbeiter, welche, statt den Lehm durchzutreten, mit Maschinenbetrieb arbeiten und mit den Italienern keinen Verkehr haben, von der Krankheit frei bleiben. Das Auftreten der Anchylostomumanämie im Gotthardtunnel und in den Bergwerken ist, wenn einmal der Parasit eingeführt ist, durch das enge Zusammenleben, die durch die Verhältnisse herbeigeführte Unreinlichkeit mit den Ausleerungen und die Verunreinigung des Wassers leicht erklärlich. Gegen weite Ausbreitung der Krankheit hat Deutschland einen gewissen Schutz dadurch, daß die Anchylostomumlarven in unsern kalten Wintern zu Grunde gehen. Die Z. wird geheilt durch rechtzeitige Amvendung wurmtötender Mittel. Vorbeugungsmaßregeln, Herstellung von Aborten und regelmäßige gründliche Desinfektion derselben sowie Sorge für reines Wasser auf Ziegelfeldern, endlich Überwachung der Reinlichkeit u. des Gesundheitszustandes der Arbeiter in Tunnels u. Bergwerken etc. würden im stande sein, die Krankheit bedeutend einzuschränken.