Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Zündungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 991
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Zündungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 991. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Z%C3%BCndungen (Version vom 16.06.2024)

[991] Zündungen, Vorrichtungen zum Entzünden der Geschütz- und Sprengladungen wie überhaupt zum Inbrandsetzen brennbarer Gegenstände. Geschützladungen werden durch Schlagröhren entzündet; das sind mit Kornpulver gefüllte Röhrchen aus Messing- oder Kupferblech, welche zu ihrer Entzündung einen einen Friktionssatz enthaltenden Reibapparat tragen, welcher funktioniert, sobald der Reiber plötzlich herausgerissen wird. Bei elektrischen Schlagröhren können in dem auf dem Röhrchen sitzenden Kopf die Leitungsdrähte befestigt werden, welche einen die Entzündung bewirkenden Zwischendraht zum Glühen bringen oder durch einen leicht entzündlichen Satz einen Funken überspringen lassen. Stoppinen sind Röhrchen aus Schilf oder Papier mit durchgezogener Zündschnur. Zum Entzünden der Sprengladung in Geschossen dienen Zünder, die entweder 1) durch das Feuer der Ladung in Geschützen mit Spielraum, oder 2) mittelbar durch den Stoß, den das Geschoß beim Abfeuern erhält, entzündet werden, oder 3) beim Aufschlag des Geschosses in Thätigkeit treten. Bei Zündern der ersten Art ist der Zündsatz entweder in gerade Röhren aus Holz oder Metall, Säulenzünder, oder in ringförmige Rinnen metallener Zünderkörper, Ringzünder (von Bormann 1835 erfunden), gepreßt, derart, daß eine bestimmte Länge der Satzsäule oder des Satzringes eine gewisse Zeit brennt, so daß hiernach ein Stellen der Zünder (von Breithaupt 1854 zuerst angewendet) auf bestimmte Brenn- oder Flugzeit (Tempieren) ausführbar ist. Zünder der zweiten Art enthalten einen auf zwei Armen oder Hemmungen ruhenden Zündpillenträger (Pillenbolzen), dessen Arme durch den Stoß beim Abfeuern abbrechen, oder durch dessen Rückstoß die Hemmungen aufgehoben werden, so daß der Pillenbolzen zurückfliegt, wobei die Zündpille auf die Zündnadel trifft, explodiert und den Satzring entzündet, von welchem, der „Tempierung“ entsprechend, das Feuer zur Sprengladung durchschlägt. Diese vom preußischen Major Richter 1861 erfundenen Zünder sind als Schrapnellzünder eingeführt. Aus ihnen sind die neuern Schrapnellzünder mit einem

Fig. 1. Schrapnellzünder.

oder zwei Satzringen hervorgegangen (Fig. 1), letztere sollen den Schrapnellschuß bei langen Flugzeiten des Geschosses, also bei Flachbahngeschützen bis etwa 4500 m Entfernung oder bei Mörsern und Haubitzen, ermöglichen. Die deutschen Doppelzünder brennen 28 Sekunden, Krupp hat solche von 40 Sekunden Brennzeit. In Frankreich und Italien ist die lange Brennzeit dadurch erreicht worden, daß man ein mit Zündersatz vollgepreßtes Bleirohr spiralförmig um den Zünderkopf aufgewickelt hat. Der Perkussionszünder, vom preußischen General Neumann 1859 erfunden (Fig. 2), enthält einen schweren, meist cylindrischen, zentral durchbohrten Körper, der vorn entweder eine Zündnadel (daher Nadelbolzen) oder die Zündpille trägt; im erstern Fall wird in die Mundlochschraube eine Zündschraube eingesetzt, im letztern trägt sie nach innen die Zündnadel. Wird nun die Fluggeschwindigkeit des Geschosses plötzlich verlangsamt, so fliegt der Nadelbolzen nach vorn und die

Fig. 2. Perkussionszünder.

Zündnadel in die Zündpille, letztere explodiert, u. durch das durch den Kanal des Nadelbolzens schlagende Feuer wird die Sprengladung entzündet. Zur Verhütung unzeitigen Vorschnellens des Nadelbolzens wird derselbe durch einen quer durch die Geschoßspitze gehenden Vorstecker, durch klammernde Federn u. dgl. festgehalten. Die eines Vorsteckers bedürfenden entsprechen nicht mehr den gegenwärtigen Anforderungen. In Österreich ist der bei den Uchatius-Kanonen (Feldartillerie) eingeführte Zünder System Kreutz, in Frankreich der Perkussionszünder System Budin und Henriet der Feldgeschütze ein Fertigzünder, d. h. die mit ihm versehenen

Fig. 3. Zünder für Granaten.

Geschosse werden zum Verfeuern fertig in der Protze transportiert. In Deutschland ist der Zünder Fig. 3 für Granaten eingeführt, welcher keinen Vorstecker hat. Während des Transports ruht der Schlagbolzen e mit dem schmalen Sperrring s auf einer dreikantigen Nadel f und verhindert jede Bewegung der letztern. Beim Abfeuern des Geschützes schießt sich der Schläger auf die Nadel, deren Kanten sich in den Sperrring einschneiden, so daß die Nadelspitze nun zum Anstich frei wird. Außerdem schießt sich die Bolzenkapsel b in den Gewindering c hinein, und die Arme des Bolzenträgers d recken sich, so daß die Böden t und b den Boden des Mundlochfutters a berühren. Die in neuerer Zeit in mehreren Ländern eingeführten Doppelzünder sind Schrapnellzünder, in welche noch ein Perkussionszünder eingesetzt ist, so daß dieselben sowohl bei Schrapnells als Granaten Verwendung finden können und erstere noch als Granaten wirken, wenn der Schrapnellzünder versagen sollte. Selbstzündungen haben einen chlorsaures Kali oder Knallquecksilber enthaltenden Zündsatz, so daß sie ohne Hinzutritt von Feuer sich selbst durch Stoß, Schlag etc. entzünden können, z. B. Zündhütchen, Zündpillen, Schlagröhren etc.