MKL1888:Westfälischer Friede
[558] Westfälischer Friede, der am 24. Okt. 1648 zu Münster und Osnabrück, welche beiden Städte zum westfälischen Kreis gehörten, geschlossene Friede, durch welchen der Dreißigjährige Krieg (s. d.) beendigt und ein neues politisches System in Europa begründet wurde. Er bildete die Grundlage aller nachfolgenden Friedensschlüsse bis zur französischen Revolution und galt bis zum Sturz des Deutschen Reichs als das vornehmste Grundgesetz der deutschen Staatsverfassung. Schon im Dezember 1641 wurden zu Hamburg Präliminarien festgesetzt, besonders über den Ort und die Art der Konferenzen. Die wirklichen Friedensunterhandlungen begannen im April 1645 und wurden zu Osnabrück zwischen den kaiserlichen, den reichsständischen und den schwedischen, zu Münster zwischen den kaiserlichen und den französischen Gesandten unter päpstlicher und venezianischer Vermittelung geführt, und zwar so, daß die an beiden Orten angenommenen Artikel für Einen Traktat gehalten werden und kein Teil ohne den andern Frieden schließen sollte. Die Trennung geschah, teils um Rangstreitigkeiten zwischen Frankreich und Schweden vorzubeugen, teils auch, weil die Schweden mit dem päpstlichen Nunzius nicht verhandeln wollten. Von französischer Seite unterhandelten in Münster der Herzog von Longueville, d’Avaux und Servien. Von Schweden waren bevollmächtigt Johann Oxenstierna, der Sohn des Kanzlers, und Adler Salvius. Die kaiserlichen Bevollmächtigten waren der Graf Johann Ludwig von Nassau und Isaak Volmar in Münster, Graf Max von Trauttmansdorff in Osnabrück. Päpstlicher Nunzius war Fabio Chigi (später Papst Alexander VII.), venezianischer Gesandter Contareno. Vom spanischen Hof waren Saavedra, Brun u. a. zugegen. Die Generalstaaten hatten acht Bevollmächtigte geschickt; die Eidgenossenschaft vertrat Joh. Jakob Wetstein, Bürgermeister von Basel. Unter den Gesandten der evangelischen Stände zeichneten sich aus der Bevollmächtigte von Braunschweig, Jakob Lampadius, und der von Württemberg, Johann Konrad Varnbüler. Adam Adami, der Gesandte des Fürstabtes von Korvei, machte den Geschichtschreiber der Versammlung. Rang- und Titelstreitigkeiten verzögerten noch lange die Eröffnung des Kongresses, da es die erste Vereinigung der Gesandten der mitteleuropäischen Staaten war und die äußere Etikette ganz neu geregelt werden mußte. Während der Verhandlungen dauerte der Krieg fort, der schwedische General Torstensson drang sogar 1645 in die kaiserlichen Erbländer ein, und Königsmark eroberte 15. Juli 1648 die sogen. Kleinseite Prags. Dies gab den langen und schwierigen Unterhandlungen den Ausschlag, und es wurde nun der Friede 24. Okt. 1648 zu Münster unterzeichnet. Erst drei Monate später (8. Febr. 1649) erfolgte die Auswechselung der Ratifikationen, und noch lange dauerten verschiedene Verhandlungen über die Ausführung des Friedens. Der päpstliche Protest vom 3. Jan. 1651 war wirkungslos.
Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens betrafen zunächst zahlreiche Territorialveränderungen: Schweden erhielt außer einer Kriegsentschädigung von 5 Mill. Thlr. ganz Vorpommern nebst der Insel Rügen und den Odermündungen; ferner die Stadt Wismar von Mecklenburg und die Stifter Bremen und Verden. Alle diese Länder sollten deutsche Reichslehen bleiben, und Schweden sollte sie als deutscher Reichsstand mit Sitz und Stimme auf Reichs- und Kreistagen besitzen. Der Kurfürst von Brandenburg bekam den Rest von Pommern und als Entschädigung für Vorpommern, auf welches sein Haus nach dem Erlöschen der pommerschen Herzöge (1637) ein Erbrecht hatte, die Stifter Magdeburg, Halberstadt, Minden und Kammin; doch blieb Magdeburg bis 1680 im Besitz des damaligen Administrators, des sächsischen Prinzen August. Der Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg-Schwerin erhielt für die Abtretung von Wismar die Stifter Schwerin und Ratzeburg. Dem Haus Braunschweig-Lüneburg wurde die Succession im Stift Osnabrück alternierend mit einem katholischen Bischof zugesichert sowie die Klöster Walkenried und Gröningen überlassen. Das Haus Hessen-Kassel erhielt die gefürstete Abtei Hersfeld und die Grafschaft Schaumburg. Bayern blieb im Besitz der Oberpfalz und der Kurwürde. Die Unterpfalz mit der neugeschaffenen achten Kurwürde und dem Erbschatzmeisteramt wurde dem Sohn des geächteten Friedrich V., Karl Ludwig, zurückgegeben. Frankreich erhielt die Oberherrschaft über die Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun sowie deren Distrikte, welche es thatsächlich schon seit 1552 besaß. Ferner trat der Kaiser sowohl für sich als für das Haus Österreich und das Reich alle Rechte, die beide bisher auf die Stadt Breisach, auf die Landgrafschaft Ober- und Unterelsaß, auf den Sundgau und die Landvogtei der zehn vereinigten Reichsstädte im Elsaß gehabt hatten, der Krone Frankreich mit aller Hoheit auf ewig ab. Die Schweiz, ebenso die Republik der Vereinigten Niederlande wurden als völlig unabhängig von Deutschland anerkannt. Abgesehen von diesen Veränderungen, setzte der Friede eine unbeschränkte Amnestie und Restitution nach dem [559] Besitzstand von 1618 fest. Nur der Kaiser machte davon für seine Erblande eine Ausnahme. In der kirchlichen Frage bestätigte der Friede den Passauer Vertrag und den Augsburger Religionsfrieden und schloß die Reformierten in die den Augsburger Religionsverwandten gewährte Rechtsstellung ein. Beide Konfessionen, die katholische wie die evangelische, wurden vollkommen gleichgestellt; die evangelische Minorität durfte auf den Reichstagen in Religionssachen nicht majorisiert werden. Der Streit über die geistlichen Stifter und Güter wurde unter Aufhebung des Restitutionsedikts von 1629 dahin ausgeglichen, daß 1624 Normaljahr sein und der evangelische und katholische Besitzstand so bleiben oder restituiert werden sollte, wie er 1. Jan. 1624 gewesen. Doch wurden auch hiervon die kaiserlichen Erblande ausgenommen. Die Territorialhoheit der Reichsstände wurde ausdrücklich anerkannt, ja ihnen das Recht gegeben, zu ihrer Erhaltung und Sicherheit untereinander und mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen, nur nicht wider Kaiser und Reich. Die neue Verfassung des Reichs sollte auf einem zu berufenden Reichstag beraten werden.
Die Pläne der katholischen Reaktion und der habsburgischen Hauspolitik, den Protestantismus auszurotten und Deutschland einer absoluten Militärgewalt zu unterwerfen, waren unter Strömen Bluts, unter Vernichtung des Wohlstandes und der Bildung des deutschen Volkes vereitelt worden. Ja, der Kaiser mußte im Frieden auf den letzten Rest seiner Macht verzichten. Das Reich verlor durch den Frieden eine Ländermasse von mehr als 100,000 qkm mit 41/2 Mill. Menschen und erhielt eine ganz zerstückelte, wehrlose Grenze gegen Frankreich. Die Befestigung der dreihundertfachen landesherrlichen Vielherrschaft und die Verwickelung so vielseitiger Grenz- und Hoheitsrechte mußten fortan den Gang der Verwaltung erschweren, sie mit Formen überladen und die Volksstämme feindselig auseinander reißen. Die Rechte der Landstände in den einzelnen Territorien wurden unterdrückt. Dagegen wurde Deutschland nun Gegenstand und Schauplatz der europäischen Staatshändel, seit die Fürsten das von Frankreich bei der Friedensverhandlung durchgesetzte Recht der Bündnisse geltend machten, Bayern, Brandenburg und andre deutsche Fürstenhäuser, welche bei den Säkularisationen geistlicher Stifter nicht bedacht worden waren, eine Stellung in dem europäischen politischen System annahmen und fremde Mächte, wie Schweden, in den Reichsverband eintraten, andre, wie Frankreich, als Garanten des Friedens sich stets in die innern Angelegenheiten Deutschlands einzumischen das Recht hatten. Daher wurden fortan die meisten europäischen Kriege auf deutschem Grund und Boden ausgefochten. Auch als Schutz des Protestantismus kann der Westfälische Friede nicht angesehen werden. Er konnte sich nicht weiter im Reich ausbreiten, und die aus den österreichischen Erblanden Vertriebenen und ihrer Güter Beraubten erhielten nicht einmal die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, geschweige denn Entschädigung. Österreich wurde aus dem Herzen des Reichs auf seine Erbstaaten zurückgedrängt und von der politischen und geistigen Verbindung mit dem übrigen Deutschland losgelöst. Der Westfälische Friede kann also als das traurige Ergebnis der noch traurigern, schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bezeichnet werden. Vgl. Gärtner, Westfälische Friedens-Kanzley (Leipz. 1731–38, 9 Bde); J. G. v. Meiern, Acta pacis Westfalicae publica (Götting. 1734–36, 6 Bde.); „Correspondencia diplomatica de los plenipotenciarios españoles en el congreso de Munster“ (Madr. 1885 ff.); Woltmann, Geschichte des Westfälischen Friedens (Leipz. 1808, 2 Bde.); dazu die staatsrechtlichen Schriften von J. J. Moser („Erläuterung des Westfälischen Friedens“, Erlang. 1775–76, 2 Bde.), Pütter („Geist des Westfälischen Friedens“, Götting. 1795), Senckenberg (Frankf. 1804) u. a.