Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Wasserrecht“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 431432
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Wasserrecht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 431–432. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Wasserrecht (Version vom 19.10.2021)

[431] Wasserrecht, der Inbegriff der Rechtsnormen über Wasserbenutzung und Wasserschutz. Auf der einen Seite ist es die Bedeutung des Wassers für den Menschen als Nahrungs-, Reinigungs- und Fortbewegungsmittel sowie als Triebkraft, welche eine staatliche Ordnung der diesbezüglichen Rechtsverhältnisse erheischt, auf der andern die gefahrbringende Eigenschaft des Wassers als zerstörende Naturkraft, welche Sicherungsmaßregeln der Gesetzgebung wie der Verwaltung nötig macht. Das W. gehört dem öffentlichen Recht an, insofern es sich auf den Gemeingebrauch des Wassers, die denselben betreffenden Verwaltungsthätigkeiten und auf die Beschränkungen und Pflichten bezieht, welche dabei dem einzelnen im öffentlichen Interesse auferlegt werden. Diejenigen Rechtsnormen dagegen, welche sich auf die besondern Berechtigungen einzelner Privatpersonen an Gewässern beziehen, sind privatrechtlicher Natur. Die Einteilungen und Unterscheidungen der Gewässer, welche das römische Recht in dieser Hinsicht kannte, sind in das deutsche Rechtsleben nicht übergegangen. Doch ist der römisch-rechtliche Grundsatz, daß das Wasser selbst in seinem natürlichen Lauf, also die fließende Wasserwelle (aqua profluens), in niemandes Eigentum stehe, allgemein anerkannt als dem thatsächlichen Verhältnis entsprechend. Auch das Meer entzieht sich dem Einzelbesitz wie der staatlichen Hoheit. Nur den Schutz der Küstenländereien sowie den Schutz der Küstenfrachtfahrt (s. d.) und die Hafenpolizei hat sich der Staat vorbehalten. Im übrigen können die Verhältnisse des Meers wohl Gegenstand völkerrechtlicher Verträge, nicht aber staatlicher Verwaltungsmaßregeln sein. Die Staatshoheit, insofern sie sich auf die Gewässer bezieht und für dieselben das staatliche Oberaufsichtsrecht in Anspruch nimmt, wird Wasserhoheit genannt. Ihr sind teils stehende, teils fließende Gewässer unterworfen. Stehende Gewässer, wie Teiche, Brunnen und Zisternen, befinden sich im Eigentum der umliegenden Grundeigentümer; sie werden nach den Grundsätzen des Privatrechts behandelt. Dasselbe gilt in der Regel auch von den künstlichen fließenden Gewässern, wie von Kanälen und Mühlgräben. Derartige Wasserstraßen sind Eigentum desjenigen, welcher sie angelegt oder nachmals in Besitz bekommen hat, sei dies nun eine Privatperson, eine Aktiengesellschaft, eine Gemeinde, sei es der Staat oder ein Gemeindeverband. Zu den natürlichen fließenden Gewässern gehören die Quellen, welche gleichfalls im Privateigentum des Grundeigentümers stehen, auf dessen Areal sie sich befinden. Die Flüsse dagegen zerfallen in öffentliche und in Privatflüsse. Das W., insofern es sich auf Flüsse bezieht, wird auch wohl Flußrecht genannt. Das deutsche Recht betrachtet als öffentliche Flüsse diejenigen, welche schiff- und flößbar, d. h. zur Floßfahrt oder zur Flößerei mit verbundenen Hölzern brauchbar, sind. Das gemeine deutsche Recht erachtet die öffentlichen Flüsse als dem Eigentumsrecht entzogen, während die Privatflüsse im Eigentum der anliegenden Grundeigentümer stehen. Die mittelalterliche Rechtsanschauung nahm aber an den öffentlichen Flüssen ein Regal, d. h. ein ausschließliches Nutzungsrecht des Königs und nachmals des Landesherrn (Wasserregal, Flußregal) an, und zwar konstruierte man entweder ein allgemeines Wasserregal, oder man betrachtete die einzelnen Wassernutzungen als besondere Regalien und sprach daher von einem Fischerei-, Floß-, Fähr- und von einem Mühlenregal. Diese Nutzungsrechte wurden entweder von dem Landesherrn selbst ausgeübt, oder als sogen. Gerechtigkeiten [432] an Privatpersonen oder Korporationen gegen Abgaben verliehen, woraus sich noch heutzutage vielfach das Bestehen von Fischereigerechtigkeiten erklärt. Auch gewisse Abgaben für Wasserbenutzung sind auf die frühere Regalität zurückzuführen. Nach der deutschen Reichsverfassung (Artikel 54) dürfen jedoch auf natürlichen Wasserstraßen nur noch für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, Abgaben erhoben werden. Diese Abgaben sollen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auch grundherrliche Rechte an Gewässern kamen früher vielfach vor, sind aber in neuerer Zeit aufgehoben oder abgelöst. Auch das Prinzip der Regalität ist aufgegeben, und die Rechte, welche nach den neuern Wassergesetzen für den Staat an öffentlichen Gewässern in Anspruch genommen werden, erscheinen nicht mehr als fiskalische, sondern als öffentlich-rechtliche Befugnisse. In manchen Gesetzgebungen (preußisches Landrecht, französisches Recht, bayrisches Gesetz vom 28. Mai 1852) werden die öffentlichen Flüsse als Eigentum des Staats behandelt. Andre neuere Wassergesetze behandeln auch die nicht schiff- und flößbaren Flüsse als öffentliche Gewässer. Allen neuern Wassergesetzen aber ist die Tendenz gemeinsam, die Gewässer in umfassender Weise den Zwecken der Landeskultur dienstbar zu machen. Für die altpreußischen Provinzen sind in dieser Hinsicht die Gesetze vom 28. Febr. 1843 und vom 23. Jan. 1846 von Wichtigkeit. Das Gesetz vom 1. April 1879, betreffend die Bildung von Wassergenossenschaften, gilt für den ganzen dermaligen Umfang der preußischen Monarchie. Für Bayern sind die Gesetze vom 28. Mai 1852 und 15. April 1875, für Sachsen die Gesetze vom 15. Aug. 1855 und 9. Febr. 1864, für Baden die Gesetze vom 25. Aug. 1876 und 12. Mai 1882, für Elsaß-Lothringen das Gesetz vom 11. Mai 1877, für Österreich das Gesetz vom 30. Mai 1869 maßgebend. Die Wassergesetze der deutschen Kleinstaaten lehnen sich vielfach an das bayrische W. an. Auch das Wasserpolizeirecht ist in den Wassergesetzen geregelt. Als Wasserpolizei werden die amtlichen Maßregeln bezeichnet, die im Interesse der Benutzung der Gewässer und zum Zweck des Wasserschutzes infolge des staatlichen Oberaufsichtsrechts über die Gewässer getroffen werden, namentlich in Ansehung der Schiffahrt, der Flößerei, der Fischerei und der Instandhaltung der Gewässer und ihrer Ufer. Die polizeilichen Beschränkungen der Wasserbenutzung bezwecken zumeist die Verhinderung von Verunreinigungen und Verschlechterungen des Wassers, indem sie sich z. B. gegen die Abführung von schädlichen Stoffen, namentlich aus Färbereien, Gerbereien, Walkereien u. dgl., in die Gewässer richten. Für gewisse Benutzungsarten wird eine obrigkeitliche Erlaubnis gefordert. Dies gilt namentlich für Stauwerke in öffentlichen Flüssen, ja nach den meisten Gesetzen wird auch bei Privatflüssen zur Anlegung von Stauwerken eine obrigkeitliche Konzession verlangt. Die deutsche Gewerbeordnung (§ 16) erklärt alle Stauanlagen für Wassertriebwerke für konzessionspflichtig; für sonstige Stauanlagen ist die Landesgesetzgebung maßgebend. Der höchste zulässige Wasserstand wird bei Stauanlagen durch einen von der Verwaltungsbehörde gesetzten Merkpfahl (Eich-, Sicherheitspfahl, Pegel) bezeichnet. Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen können aber häufig nur dann ausgeführt werden, wenn sie sich auf eine größere Fläche zusammenhängender Grundstücke, z. B. auf einen größern Wiesenkomplex, erstrecken. Darum ist für solche Anlagen die genossenschaftliche Vereinigung der beteiligten Grundeigentümer im Interesse der Landeskultur von besonderer Wichtigkeit, und ebendeshalb wird die Bildung von Wassergenossenschaften von dem modernen W. begünstigt. Derartige Genossenschaften können sich übrigens nicht nur auf Be- und Entwässerung, sondern auch auf Uferschutz, Wasserleitung, Kanalisation, Schiffahrtsanlagen u. dgl. beziehen. Man unterscheidet dabei zwischen freien und öffentlichen Wassergenossenschaften. Erstere beruhen auf der Übereinstimmung aller Beteiligten. Sie werden nach preußischem Rechte durch gerichtlichen oder notariellen Vertrag und durch Eintrag in das Genossenschaftsregister begründet; ihr Charakter ist ein privatrechtlicher. Dagegen wurzeln die öffentlichen Wassergenossenschaften im öffentlichen Recht. Sie können nur im Fall eines öffentlichen Interesses oder eines gemeinschaftlichen Nutzens begründet werden. Ihre Errichtung setzt ein amtliches Verfahren voraus, und die Genossenschaft ist hinsichtlich ihrer Organisation und Thätigkeit der behördlichen Aufsicht unterstellt. Dabei ist fast in allen neuern Gesetzen eine Zwangspflicht zum Beitritt begründet, insofern es sich um Be- und Entwässerungsunternehmungen handelt, und zwar wird in der Regel auch die Drainage den zwangsgenossenschaftlichen Entwässerungsanlagen zugerechnet. Nach dem preußischen Gesetz vom 1. April 1879 können Widersprechende durch einfachen Mehrheitsbeschluß der Beteiligten in die Genossenschaft hineingezogen werden, wenn dies zur zweckmäßigen Ausführung der Be- oder Entwässerung notwendig und für die zugezogenen Grundstücke vorteilhaft ist. Die Mehrheit wird nach dem Flächengehalt und dem Katastralertrag der betroffenen Grundstücke berechnet. In Baden ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der beteiligten Grundstücke erforderlich, während nach andern Wassergesetzen schon die Hälfte genügt. Beiträge und Strafen werden im Weg der administrativen Zwangsvollstreckung beigetrieben. – Was den Wasserschutz anbetrifft, so kommt dabei besonders das Deichwesen in Betracht (s. Deich). Vgl. Neubauer, Zusammenstellung des in Deutschland geltenden Wasserrechts (Berl. 1881); Randa, Beiträge zum österreichischen W. (2. Aufl., Prag 1878); Peyrer, Österreichisches W. (Wien 1880); Weddige, Anleitung zur Bildung öffentlicher Genossenschaften zur Ent- und Bewässerung von Grundstücken (Berl. 1887); v. Bülow u. Fastenau, (preußisches) Gesetz vom 1. April 1879, betreffend die Bildung von Wassergenossenschaften (das. 1879); Nieberding, W. und Wasserpolizei in Preußen (2. Aufl. von Frank, das. 1889); v. Pözl, Die bayrischen Wassergesetze (2. Aufl., Erlang. 1880); Rißmann, Das W. nach gemeinem und sächsischem Recht (2. Aufl., Dresd. 1872); Schenkel, Badisches W. (Karlsr. 1878).