Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Vokalklänge“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Vokalklänge“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 19 (Supplement, 1892), Seite 955
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Vokalklänge. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 955. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Vokalkl%C3%A4nge (Version vom 28.10.2022)

[955] Vokalklänge. Nach der bis jetzt fast allgemein angenommenen, hauptsächlich durch Helmholtz ausgebildeten Lehre sind die Vokale Klänge, die sich voneinander durch das Intensitätsverhältnis ihrer Teiltöne (Partialtöne) unterscheiden. Je nachdem in der aus dem Kehlkopf hervortretenden Klangmasse der eine oder der andre Teilton durch die resonatorische Wirkung des Ansatzrohres, d. h. der Mundrachenhöhle, verstärkt wird, entsteht danach der Vokal a, u oder e etc. Streitig war, ob den einzelnen Vokalen bestimmte Mundhöhlentöne von absoluter Höhe entsprechen, oder ob dieselben ihre Höhe mit der des Stimmklanges ändern. Durch Untersuchungen von Hermann ist jetzt festgestellt, daß jedenfalls Mundtöne von bestimmter und nicht veränderlicher Höhe für den Vokalcharakter bestimmend sein müssen. Hermann gelang es nämlich, eine ausgezeichnete graphische Darstellung der V. mit Hilfe seines phonophotographischen Verfahrens zu gewinnen. Dasselbe beruht darauf, daß eine Membran aus Glimmer oder Metall mit dem zu untersuchenden Vokal angesungen, ihre Schwingungen durch einen von ihr reflektierten Lichtstrahl auf eine geschwind vorübergeführte, mit lichtempfindlichem Papier überzogene Fläche wirft. Der Lichtstrahl zeichnet dann die ihm übertragenen Schwingungen sehr treu in Form einer Kurve, eines Phonogramms, auf. In den auf diese Weise gewonnenen Kurvenzeichnungen lassen sich die für die einzelnen Vokale charakteristischen Töne direkt auszählen. Sie kehren unverändert wieder, auf welche Tonhöhe man den Vokal auch gesungen haben mag. Im Gegensatze zu der herrschenden Theorie glaubt Hermann jedoch, daß es sich dabei gar nicht um Verstärkung bestimmter, im Kehlklange enthaltener Partialtöne handle. Er zieht vielmehr aus seinen Beobachtungen den Schluß, daß der Vokalcharakter darauf beruhe, daß die auf bestimmte Eigentöne abgestimmte Mundhöhle vom Kehlkopf her in der Periode des dort erzeugten Tones angeblasen werde, daß also der Vokal nichts andres sei als ein Mundhöhlenton von bestimmter Höhe, welcher in der Periode des Kehltones verstärkt und geschwächt werde.

Sehr schöne Vokalklangkurven haben auch Hensen und sein Schüler Pipping mittels eines Sprachzeichners erhalten, bei welchem eine stark gedämpfte Membran ihre sehr geringen Exkursionen auf einen kleinen Hebel überträgt, der, mit einer Diamantspitze versehen, auf eine polierte Glastafel zeichnet. Die gewonnenen Kurven sind von mikroskopischen Dimensionen, lassen aber charakteristische Verschiedenheiten der einzelnen Vokale deutlich erkennen.