Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Urkunde“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 1213
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Urkunde. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 12–13. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Urkunde (Version vom 04.08.2022)

[12] Urkunde (Instrumentum, Documentum), im weitesten Sinn jeder äußere Gegenstand, durch den eine Thatsache bewiesen werden soll, also auch Zeugen und Sachverständige; in engerer Bedeutung ein lebloser Gegenstand, dessen Beschaffenheit die Einwirkung menschlicher Thätigkeit erkennen und daraus auf diese Thätigkeit selbst schließen läßt. Hiernach gehören nicht nur schriftliche und gedruckte Aufsätze, von denen man das Wort U. im engsten Sinn gebraucht, sondern auch Grenzzeichen, Denkmäler, Münzen, Bilder, alte Inschriften etc. zu den Urkunden. Man teilt die Urkunden ein in öffentliche (actes authentiques) und Privaturkunden. Unter den öffentlichen Urkunden (instrumenta publica) sind solche Urkunden zu verstehen, die von einem Gericht oder einer andern Staatsbehörde oder sonst von einer mit öffentlicher Glaubwürdigkeit versehenen Person, z. B. einem Notar, Gerichtsvollzieher, Zivilstandesbeamten oder Pfarrer, in ihrer Amtsfunktion errichtet sind. Privaturkunden (instrumenta privata, actes sous seing privé) sind diejenigen, welche bloß von Privatpersonen ausgestellt sind. Ferner teilt man die Urkunden ein in Originalurkunden (Urschriften) [13] und Kopien (Abschriften) und in archivarische und nicht archivarische Urkunden. Unter den archivarischen versteht man Urkunden, welche im Archiv einer öffentlichen Behörde aufbewahrt sind, und welchen das sogen. Archivrecht (s. d.) zukommt. Was den Urkundenbeweis (probatio per instrumenta, preuve littérale) in einem bürgerlichen Rechtsstreit anbetrifft, so haben öffentliche Urkunden die Vermutung der Echtheit für sich, d. h. sie gelten so lange als echt, bis das Gegenteil vom Beweisgegner dargethan ist. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 402) kann jedoch das Gericht, wenn es die Echtheit einer öffentlichen U. für zweifelhaft hält, von Amts wegen die Behörde oder die Person, von welcher die U. errichtet sein soll, zur Erklärung über deren Echtheit veranlassen. Privaturkunden haben nur dann die Vermutung der Echtheit für sich, wenn die Echtheit der Namensunterschrift feststeht, oder wenn das unter der U. befindliche Handzeichen eines des Schreibens unkundigen Ausstellers gerichtlich oder notariell beglaubigt ist (s. Unterschrift). Öffentliche Urkunden liefern den vollen Beweis des darin beurkundeten Vorganges; Privaturkunden begründen, insofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, nur dafür vollen Beweis, daß die in denselben enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist vom Beweisführer (durch Eidesantrag, Zeugen, Urkunden, auch durch Schriftvergleichung, s. d.) zu beweisen. Befindet sich eine Beweisurkunde in den Händen des Prozeßgegners, so kann der Beweisführer von diesem die Edition (s. d.) der U. verlangen. Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 380–409, 555–567, 702. Aus einer U., welche von einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar amtlich aufgenommen ist, kann nach der Zivilprozeßordnung (§ 702) die sofortige Zwangsvollstreckung stattfinden, wofern sich der Schuldner in der U. der Zwangsvollstreckung unterworfen hat und die U. über einen Anspruch errichtet ist, welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme oder die Leistung einer bestimmten Quantität andrer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere zum Gegenstand hat. Auch können derartige Ansprüche bei sofortigem urkundlichen Beweis im Urkundenprozeß (s. d.) geltend gemacht werden. – Über Urkundenlehre s. d.