Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tabulatūr“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 486
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Tabulatūr. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 486. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tabulat%C5%ABr (Version vom 17.03.2023)

[486] Tabulatūr (v. lat. tabula, Tafel), eine seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts veraltete Tonschrift, welche sich der Liniensysteme und Notenköpfe nicht bediente, sondern die Töne nur durch Buchstaben oder Zahlen bezeichnete. Da unsre Notenschrift auf Linien nur eine abgekürzte Buchstabentonschrift ist (der Baßschlüssel ist ein unkenntlich gewordenes F, der Altschlüssel ein c, der Violinschlüssel ein g), so ist es nicht verwunderlich, daß die Buchstabentonschrift von A–G älter ist als unser Notensystem; ihr Ursprung reicht mindestens bis ins 10. Jahrh. zurück, wenn auch bestimmt nicht bis zu Gregor d. Gr., wie man früher annahm (vgl. Buchstabentonschrift). Speziell für die Orgel und für das Klavier war diese sogen. deutsche oder Orgeltabulatur besonders im 15. und 16. Jahrh. in Deutschland allgemein üblich; für andre Instrumente, besonders die Laute (s. d.), hatte man in verschiedenen Ländern verschiedene eigne Buchstaben- oder Zifferntabulaturen, welche sich aber auf die Griffe bezogen und je nach Stimmung des Instruments verschiedene Tonbedeutung hatten. Das Gemeinsame aller Tabulaturen ist eine eigentümliche Bezeichnung der rhythmischen Werte der Töne durch über die Buchstaben, resp. Zahlen gesetzte Marken, nämlich: einen Punkt für die Brevis, einen Strich | für die Semibrevis, eine Fahne (Häkchen) für die Minima, eine Doppelfahne für die Semiminima, eine Tripelfahne für die Fusa und eine Quadrupelfahne für die Semifusa. Dieselben Zeichen über einem Strich, , etc., galten als Pausen. Später (im 17. Jahrh.) entspricht aber der Strich | unserm Viertel, dem Achtel, d. h. die moderne Schreibweise in den kurzen Notenwerten ist von den Tabulaturen her übernommen worden. Da die Tabulaturen schon im 16. Jahrh. statt der Fähnchen bei mehreren einander folgenden Minimen etc. die gemeinsame Querstrichelung anwandten, welche die Mensuralnotenschrift erst zu Anfang des 18. Jahrh. bekam, z. B. , und den Taktstrich durchweg gebrauchten, so sehen jene Tabulaturen unsrer heutigen Notierung in mancher Beziehung ähnlicher als die Mensuralnotationen, besonders wenn sie, was auch vorkam, den Melodiepart auf ein Fünfliniensystem mittels schwarzer Notenköpfe aufzeichneten, mit denen die rhythmischen Wertzeichen verbunden wurden. Zahlreiche Druckwerke in Orgeltabulatur sind auf uns gekommen (von Virdung, Agricola, Paix, Amerbach, Bernh. Schmid, Woltz u. a.). – Über die T. der Meistersänger s. Meistergesang.