Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Tabak“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 478482
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Tabak. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 478–482. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Tabak (Version vom 26.10.2022)

[478] Tabak (Nicotiana Tourn.), Gattung aus der Familie der Solanaceen, ein-, seltener mehrjährige, häufig drüsenhaarige, klebrige Kräuter, bisweilen halbstrauchig, selten strauch- oder baumartig, mit einfachen, ganzrandigen, selten buchtigen Blättern, endständigen Blütentrauben oder Rispen und trockner, zweifächeriger, vom bleibenden Kelch umgebener Kapsel mit zahlreichen sehr kleinen Samen. Etwa 50, bis auf wenige australische und polynesische, in Amerika heimische Arten. Bauerntabak (N. rustica L.), einjährig, 60–120 cm hoch, drüsig kurz behaart, klebrig, mit mehr oder weniger verästeltem Stengel, [479] eiförmigen, oben sitzenden, unten gestielten, gerippten Blättern, grünlichgelben Blüten in endständigen, gedrängten Rispen und fast kugeligen Kapseln, in Mexiko und Südamerika, wird bei uns seltener gebaut, im Orient aber ausschließlich und liefert den türkischen T. und Latakia. Gemeiner, virginischer T. (N. Tabacum L., s. Tafel „Genußmittelpflanzen“), einjährig, 1–2 m hoch, drüsig kurz behaart, klebrig, mit sitzenden (die untern halbstengelumfassend, herablaufend), länglich lanzettförmigen, lang zugespitzten Blättern, in endständiger, ausgebreiteter Rispe stehenden, langröhrigen, hellroten Blüten und eiförmigen Kapseln, in Südamerika, wird in den gemäßigten und subtropischen Klimaten aller Erdteile kultiviert. Der großblätterige Marylandtabak (N. macrophylla Metzg.) unterscheidet sich von letzterer Art durch breitere, stumpfe, am Grund geöhrte, sitzende oder geflügelt gestielte Blätter und durch den gedrungenern Blütenstand, ist aber vielleicht nur eine Varietät derselben. Der T. gedeiht im allgemeinen noch, wo der Winterweizen im ersten Dritteil des Monats August reif wird; guter T. fordert aber ein Weinklima, und die feinsten Sorten werden zwischen 15 und 35° gebaut. Der Normalboden für den T. ist ein kalkhaltiger oder gemergelter Lehm der Sandkonstitution, welcher leicht erwärmbar und humushaltig ist. Auch milder Kalkmergelboden paßt noch für den T., muß aber recht warm liegen. Dem T. geht Klee, Luzerne, eine beliebige grün untergebrachte Frucht oder eine Hackfrucht voran; er folgt zwei und mehrere Jahre auf sich selbst und gibt sogar im zweiten oder dritten Jahr ein feineres Produkt als im ersten. Der T. entnimmt seinem Standort bedeutende Mengen Kali, leidet aber durch Chlorverbindungen. Für Pfeifengut und Deckblätter wirkt Gründüngung oder untergebrachter Klee mit Rindermistdüngung im Herbst am günstigsten, und im Spätherbst gibt man eine tiefe Furche. Auf sandreichem Boden wirkt eine Auffuhr von Moder vortrefflich. Kurz vor der Bestellung erhält das Land gartenartige Bearbeitung. Die jungen Pflanzen erzieht man in Mistbeeten oder in Kasten mit eingeschlagenen Pfählen (Kutschen); man säet im März, begießt fleißig, schützt die Pflanzen durch Strohdecken vor Frost, lichtet die Saat zur Zeit der Baumblüte, verpflanzt die kräftigsten Pflänzchen 2,5–5 cm weit mit Erdballen in Gartenbeete, schützt sie auch hier durch Strohdecken vor Nachtfrösten und bringt sie Ende Mai oder mit der ersten Junihälfte mit 6–7 Blättern auf den Acker. Man stellt sie 60 cm weit voneinander in 60 cm weit entfernten Reihen und läßt nach je zwei Reihen einen Weg. Sobald die Pflanzen angegangen sind, werden sie behackt, beim zweiten Behacken auch behäufelt und, wenn sich die Blütenrispe entwickeln will, geköpft, so daß je nach der Varietät 8–12 Blätter stehen bleiben. Später entfernt man auch die aus den Blattwinkeln entspringenden Seitentriebe (Geizen). Bei der ersten Behackung gräbt man zwischen je vier Pflanzen Löcher und gießt mit Wasser verdünnte und mit Guano gemengte Jauche hinein. Man kann statt dessen auch im Frühjahr Mist einbringen, doch gibt die Jauche stets ein feineres Produkt. Wenn der T. etwa 90 Tage auf dem Acker gestanden hat, sind die Blätter reif; sie werden matt, gelbfleckig, klebrig und bekommen einen starken Geruch. In diesem Zustand erntet man den für Deckblätter bestimmten T., Pfeifengut aber erst, wenn die Blätter anfangen, ihre Ränder einzurollen. Man verliert dadurch an Gewicht, aber das Produkt wird feiner. Bei der Ernte bricht man zuerst die untersten Blätter (Sandblätter), dann die folgenden (Erdblätter) und zuletzt als Haupternte die übrigen, welche die besten sind. Bei gutem Wetter knickt man die Blätter nur ein und löst sie am folgenden Tage ganz ab. Man trocknet sie in einem luftigen Raum auf Stangengerüsten, indem man sie auf Ruten anspillt oder an Bindfaden auffädelt, und läßt sie wochen- und monatelang hängen. Das Ernteverfahren variiert übrigens mehrfach, und in Amerika nimmt man die ganzen Pflanzen vom Feld ab, nachdem man sie einige Tage vorher so weit angehauen hat, daß sie sich umlegen, und hängt sie mit den Blättern zum Trocknen auf. Der Ertrag schwankt zwischen 900–2000 kg pro Hektar. Behandelt man den Geiz wie die Haupternte, so gibt auch jener noch einen Ertrag, freilich von geringer Qualität.

Die geernteten Blätter bindet man in kleine Bündel, trocknet sie an der Luft und unterwirft sie dann einem Gärungsprozeß, indem man sie in lange, frei stehende Haufen von 1,25–1,5 m Breite und Höhe aufschichtet (Brühhaufensetzen, Aufstocken, Lagern) und nach eingetretener hinreichender Erwärmung der Haufen umschlägt, so daß die äußern Schichten nach innen zu liegen kommen. Diese Arbeit wird so oft wiederholt, bis die Blätter vollständig eingeschrumpft sind und eine mehr oder weniger dunkelbraune Farbe angenommen haben. Dann setzt man die Bündel zu sogen. Trockenbänken auf und lagert sie in größern Haufen. In der Pfalz, welche viele Blätter als Zigarrendeckblatt versendet, streicht man diese bei gehörigem Feuchtigkeitsgrad sorgfältig glatt, schichtet sie zu kleinen Stößen auf und preßt diese. Die feinern Sorten werden auch entrippt, indem man die beiden Blatthälften von der dicken Mittelrippe abzieht. Die Rippen selbst dienen zu Schnupftabak oder, zwischen Stahlwalzen flach gepreßt, zu Zigarreneinlagen oder billigem Rauchtabak.

Handelssorten. Wirkung des Tabaksgenusses.

Die Handelssorten sind meist nach ihren Produktionsländern benannt; die wichtigsten sind etwa folgende: 1) Südamerikanischer T. a) Varinas (Kanaster) aus den Provinzen Varinas, Merida, Margarita etc. der Republik Venezuela, kommt in 7–8 kg schweren, 4–5 cm dicken, gesponnenen Rollen in Körben aus gespaltenem Rohr (canastra, daher der Name) in den Handel; er ist äußerst mild, mit feinem, weichem, kastanienbraunem Blatt und bildet den feinsten Rauchtabak. Die besten Rollen bilden den Muffkanaster; b) Orinokokanaster, sehr stark; c) Orinokokanasterblätter; d) Cumanátabak, dem Varinas gleichstehend; e) Cumaná-Andouillen oder Karotten; f) brasilischer T. in Rollen, Zigarren und Zigarretten, gegenwärtig ziemlich beliebt und stark eingeführt; g) Paraguaytabak, zum Teil sehr stark; h) Columbiatabak aus Neugranada und den angrenzenden Ländern: Carmen, Giron-Palmyra, Ambalema, meist Zigarrentabak, dem Varinas nahestehend; i) mexikanischer T., erst in neuester Zeit in den großen Markt eingetreten. 2) Westindischer T. a) Cuba oder Havana, die vorzüglichste aller Sorten, deren ausgesuchteste und teuerste Blätter Cabanos heißen. Der Havanatabak wird größtenteils an Ort und Stelle auf Zigarren verarbeitet; es kommen aber auch Blätter in Bündeln und Seronen nach Europa, um namentlich als Deckblatt benutzt zu werden, und fette, schwere Sorten, aus denen man in Spanien den Spaniol darstellt. Der als Cuba in den Handel kommende T. ist in verschiedenen Gegenden der Insel gewachsen, kommt zum Teil dem Havana sehr nahe und dient meist zu Zigarren. Von den verschiedenen Spezialsorten kommt am häufigsten Yara vor; b) Domingo, [480] von der gleichnamigen Insel, Tortuga und Samane, dient zu Zigarren und Rauchtabak; c) Portorico, von der gleichnamigen Insel, nächst Varinas der beste Rauchtabak, wird an Ort und Stelle auch viel auf Zigarren verarbeitet. 3) Nordamerikanischer T. a) Maryland, allgemein beliebter Rauchtabak, fein, gelb, von angenehmem, süßem Geruch; die beste Sorte ist der Baytabak. Ähnlich ist der Ohiotabak. b) Virginia, lebhaft braun, teils fette, schwere Sorten für feinen Schnupftabak, teils leichtere Blätter für mittlern Rauchtabak; c) Kentucky, zu Zigarren, Rauch- und Schnupftabak benutzt; ihm schließen sich an die Tabake aus Tennessee und Missouri. Seedleaf wird in Pennsylvanien, Connecticut und Ohio aus Samen von Cuba erzogen und dient zu Zigarren. Florida gibt ein vorzügliches, sehr schön geflecktes Deckblatt. 4) Asiatischer T. a) Manila, sehr gute Ware, meist an Ort und Stelle zu Zigarren verarbeitet; b) Java, von feinem Aroma, meist zu Zigarren verarbeitet; chinesische, japanische und indische Tabake sind bei uns keine Marktartikel. 5) Europäischer T. Frankreich produziert in 18 Departements T., welcher zu Schnupf- und ordinären Rauchtabaken benutzt wird. Auch Algerien liefert große Quantitäten; die Produktion wird aber im Land selbst verbraucht. Österreich-Ungarn baut T. in Tirol, Galizien, namentlich aber in Ungarn am linken Ufer der Theiß. Der ungarische T. hat ein dünnes, weiches, gelbes Blatt und eignet sich besonders zu Rauch- und Schnupftabak, wird aber zum Teil auch zu Zigarren benutzt. Vom holländischen T. ist der Amersfoorter der beste und besonders zur Fabrikation von Schnupftabak gesucht; das belgische Gewächs steht dem holländischen nach. In Deutschland ist die hauptsächlichste Kulturgegend die Pfalz, wo man namentlich Zigarrentabak baut, der nicht nur an inländische, Bremer und Hamburger Fabriken abgesetzt, sondern auch nach Amerika exportiert wird. Ebenso beziehen Frankreich, Holland, die Schweiz etc. deutschen T. Italien, Spanien, Portugal haben Tabaksmonopol und kommen für den europäischen Handel nicht in Betracht. England baut gar keinen T. Der türkische T. verdankt den klimatischen und Bodenverhältnissen, der sorgfältigen Kultur und Behandlung die vorzügliche Beschaffenheit, welche ihn mit dem Havana rivalisieren läßt. Alle Provinzen produzieren T., den besten aber Makedonien in den Thälern von Karasu, Wardar und Krunea. Die hier erzogenen feinen Sorten: Druma, Pravista, Demirli, Yenidje, Sarishaban, Ginbeck etc. sind in lange, dünne Fäden geschnitten, schön goldbraun, aromatisch, kräftig, trocken und schmackhaft zugleich. Die Tabake der asiatischen Türkei sind schwerer als die rumelischen und stärker; von den syrischen Sorten ist der Latakia und Abou Reha aus der Provinz Saida grob geschnitten, braun bis schwarz, stark fermentiert. Als türkischer T. geht übrigens auch viel griechisches und russisches Produkt.

Tabaksblätter riechen narkotisch, schmecken widerlich und scharf bitter; sie enthalten 16–27 Proz. anorganische Stoffe, welche zu 1/41/2 aus Kalk, oft bis zu 30 Proz. aus Kali bestehen, auch reich an Phosphorsäure und Magnesia sind. Der Stickstoffgehalt beträgt 4,5 Proz. Die Basen sind großenteils an organische Säuren gebunden, und die leichte Einäscherung der Blätter, also die richtige Brennbarkeit des Rauchtabaks, ist abhängig von der Gegenwart organischer Kalisalze. Schlecht brennender T. liefert eine an Kaliumsulfat und Chlorkalium reiche, aber von Kaliumcarbonat freie Asche. Von großem Einfluß auf die Brennbarkeit des Tabaks ist auch der Gehalt an Salpetersäure, welcher in der Hauptrippe 6 Proz., im übrigen Blatt 2 Proz. betragen kann. Der wirksame Bestandteil der Tabaksblätter ist das Nikotin (s. d.), von welchem sie wechselnde Mengen enthalten, ohne daß der Gehalt in erkennbarem Verhältnis zur Güte des Tabaks stände. Geringere Tabakssorten pflegen reicher an Nikotin zu sein; doch ist dessen Menge auch von der Zubereitung abhängig, welcher der T. unterworfen wird. Guter lufttrockner Pfälzer T. enthält 1,5–2,6 Proz. Nikotin. Andre Bestandteile des Tabaks sind: Nikotianin (s. d.), Äpfel-, Zitronensäure, Harz, Gummi, Eiweiß etc. Trockne und gegorne Blätter enthalten als Gärungsprodukte Ammoniak, auch Trimethylamin und Fermentöle. Beim Rauchen würden sich aus der Cellulose, dem Gummi, Eiweiß etc. unangenehm riechende Substanzen entwickeln; man entfernt daher die an Cellulose reiche Mittelrippe und sucht durch den Gärungsprozeß und durch Beizen die übrigen unwillkommenen Bestandteile der Blätter zu entfernen. Die bei diesen Operationen sich bildenden Fermentöle tragen wohl zum Aroma des Tabaks wesentlich bei. Bei dem Verglimmen der Blätter entstehen Ammoniak, flüchtige Basen, empyreumatische Stoffe, Blausäure, Schwefelwasserstoff, flüchtige Säuren, Kohlenoxyd, Kohlensäure etc. Das Nikotin wird vollständig zersetzt; wohl aber geht Nikotianin in den Tabaksrauch über, und diesem sowie den Basen (Pyridin, Picolin, Lutidin, Collidin etc.) und dem Kohlenoxyd sind die Wirkungen desselben zuzuschreiben. Die je nach Abstammung, Boden- und klimatischen Verhältnissen und nach der Behandlung milden oder stärkern, angenehm aromatischen oder scharfen, rauhen Blätter werden für den Handel sorgfältig sortiert und entsprechend gemischt. Geringere Sorten werden oft durch jahrelanges Lagern, wobei sie einer leichten Gärung unterliegen, verbessert; bisweilen laugt man sie auch mit Wasser, Kalkwasser, Ammoniak, Aschenlauge oder mit Salzsäure angesäuertem Wasser aus oder röstet sie, indem man die ganzen oder zerschnittenen Blätter (oft nach dem Besprengen mit Salzsäure oder Essig) auf mäßig erhitzten eisernen Platten behandelt und dabei auch wohl mit den Händen rollt (Kraustabak). Am häufigsten unterwirft man den T. einer Gärung, zu welchem Zweck man ihn mit Siruplösung oder Fruchtsäften besprengt, auch wohl Hefe, Weinstein, Salz etc. zusetzt und in die Gärungsgefäße einpreßt. Durch Ausbreiten an der Luft, auch wohl durch Rösten wird der Prozeß unterbrochen, worauf man die Blätter mit gewürzhaften Brühen besprengt, welchen man auch Salpeter zusetzt, um die Brennbarkeit zu erhöhen. Zur Darstellung des Rauchtabaks werden die so weit vorbereiteten Blätter sortiert, entrippt oder zwischen Walzen geglättet, mit Saucen, deren Bestandteile (Sirup, Salze, Gewürze), fast in jeder Fabrik anders gemischt sind, besprengt oder darin eingetaucht, gefärbt und auf der Spinnmühle oder Spinnmaschine ähnlich wie ein Seil gesponnen oder geschnitten und dann getrocknet oder geröstet. Über die Darstellung der Zigarren s. d. – Schnupftabak bereitet man hauptsächlich aus Virginiatabak, Amersfoorter und andern holländischen Sorten und benutzt auch wohl polnischen, ungarischen und Pfälzer T. Die Blätter werden sortiert, entrippt, mit Saucen gebeizt und der Gärung unterworfen. Überhaupt ist hier die Anwendung von Beizen und Saucen von größter Wichtigkeit, und der Rohstoff wird durch die Anwendung derselben und durch die Gärung viel eindringlicher verändert als beim Rauchtabak. Nach der Gärung [481] werden die Blätter entweder gleich zerschnitten, gestampft, gemahlen, gesiebt, oder vorher in Karotten geformt. Letztere sind 30 cm und darüber lange, nach beiden Enden verjüngte Rollen von gebeizten Blättern in einer festen Umwickelung von Bindfaden; man läßt sie längere Zeit lagern und erzielt dadurch eine eigentümliche Nachgärung, welche wesentlich zur Verbesserung des Schnupftabaks beiträgt. Um die kostspielige Arbeit des Karottierens zu ersparen, preßt man die Blätter auch nur in Kisten zusammen und läßt sie darin gären. Zum Zerreiben der Karotte dient die Rapiermaschine, welche ein gröbliches Pulver, Rapé, liefert. Man benutzt aber auch Stampfen, und die mehlförmigen Sorten werden nach dem Trocknen auf Tabaksmühlen erzeugt. Kautabak wird in der Regel aus schwerstem Virginiatabak dargestellt, den man nach dem Fermentieren und nach dem Behandeln mit verschiedenen Saucen in fingerdicke Rollen spinnt und preßt.

Die Wirkung der unveränderten Tabaksblätter beruht auf dem Gehalt an Nikotin; große Dosen töten unter klonischen Zuckungen, bei enormen Dosen tritt der Tod sehr schnell ohne Konvulsionen unter allgemeiner hochgradigster Muskelschwäche und Bewegungslosigkeit ein. In den zubereiteten Tabaksblättern ist der Nikotingehalt oft auf ein Minimum vermindert, und beim Rauchen kommt das Nikotin nicht oder kaum in Betracht. Die ersten Versuche des Tabaksrauchens haben in der Regel Ekel, Übelkeit, Angst, Beklommenheit, kalten Schweiß, Muskelzittern, Schwindel, Neigung zur Ohnmacht, nicht selten Erbrechen und Diarrhöe zur Folge. Wer sich an das Tabaksrauchen gewöhnt hat, empfindet dabei eine angenehme Erregung, ein Gefühl allgemeiner Behaglichkeit, unter dessen Einfluß die Funktionen des Verdauungsapparats befördert werden. Gleichwohl widerstehen Tabaksraucher dem Hunger besser als Nichtraucher. Auch scheint mäßiges Rauchen ohne jeden schädlichen Einfluß zu sein. Anhaltendes starkes Rauchen stört dagegen die Verdauung, mindert den Appetit, versetzt die Schleimhaut des Rachens, auch wohl die des Kehlkopfs, in den Zustand eines chronischen Katarrhs und erzeugt in geschlossenen Räumen leichte chronische Augenentzündung. Bisweilen treten aber auch schwere Symptome auf, welche indes fast stets bei gänzlicher Enthaltsamkeit wieder verschwinden. Das Schnupfen bringt weniger Allgemeinerscheinungen hervor, nur beeinträchtigt es meist den Geruchs- und Geschmackssinn und erzeugt auch chronischen Rachenkatarrh. Dagegen werden, namentlich aus Nordamerika, heftige Krankheitssymptome als Folge des Tabakskauens geschildert, vor allen hochgradige Verdauungsstörungen und vielfach psychische Alterationen, tiefe geistige Verstimmung und Willensschwäche. In Tabaksfabriken haben sich keine Störungen bei den Arbeitern gezeigt, welche als Folge des Tabaks aufzufassen wären.

Produktion und Verbrauch.

Die außereuropäischen Tabaksexporte betrugen in den Jahren 1883–85 pro Jahr:

  Kilogr.
Vereinigte Staaten 109193700
Türkei 32000000
Brasilien 23485000
Niederl.-Ostindien 19878900
Philippinen 7452800
Britisch-Ostindien 7259300
Cuba 5909900
San Domingo 4832600
Algerien 4092700
Persien 2600000
Kolumbien 2250000
Puerto Rico 1757900
China 1557900
Japan 1531100
Paraguay 1413500
Peru 400000
Mexiko 350000
Venezuela 286000
Zusammen: 226251300

Berechnet man die Differenz zwischen Produktion und Export für die Vereinigten Staaten mit nur 100 Mill. kg, für Japan mit 40, für Britisch-Ostindien mit 160, für Algerien mit 4 Mill. kg, so ergibt dies, ohne Persien zu berücksichtigen, eine Jahreserzeugung von 530 Mill. kg, welche aber der Wirklichkeit bei weitem nicht entspricht, da sie den Lokalverbrauch aller in dieser Berechnung nicht genannten Länder unberücksichtigt läßt. Die europäische Tabaksproduktion (Rohtabak) betrug:

    Kilogr.
Österreich-Ungarn 1885 80752900
Rußland 1885 51024000
Deutsches Reich 1884–85 47193000
Frankreich 1884 16262800
Griechenland 1883 7680000
Italien 1884 6017900
Belgien 1884 4713800
Rumänien Mittelernte 3000000
Niederlande 1884 2976500
Bulgarien Schätzung 2320000
Schweiz 1885 2000000
Serbien Schätzung 1500000
Bosnien-Herzegowina Mittelernte 600000
Finnland Mittelernte 200000
Zusammen: 226240900

Hiernach ergibt sich eine Gesamtproduktion von mindestens 756 Mill. kg ohne Berechnung des eignen Konsums des größten Teils der orientalischen, westindischen, süd- und mittelamerikanischen und afrikanischen Völkerschaften. Der Tabaksverbrauch pro Kopf und Jahr in Kilogrammen beträgt: Vereinigte Staaten 2,3, Niederlande 2,9, Belgien 2,0, Schweiz 2,2, Österreich-Ungarn 2,1, Deutschland 1,5, Schweden 0,8, Großbritannien 0,6, Norwegen 1,15, Rußland 0,6 (?), Frankreich 0,95, Italien 0,6, Dänemark 1,6. In Deutschland wird am meisten T. in der oberrheinischen Ebene und den unmittelbar daran grenzenden Hügelgegenden gebaut. Auf dieses Gebiet, welchem die Tabaksländereien der bayrischen Pfalz, Badens, Hessens und Elsaß-Lothringens angehören, entfallen 70 Proz. des ganzen deutschen Tabakslandes. Als einzelne Teile desselben lassen sich wiederum die badische und bayrische Pfalz mit dem südlichen Teil der hessischen Provinz Starkenburg als die hauptsächlichste Tabaksgegend Deutschlands (40,8 Proz.), ferner der Tabaksbezirk des badischen Oberlandes, (13,3 Proz.) und endlich westlich von diesem jenseit des Rheins das elsässische Tabaksland (14,4 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes) unterscheiden. Von den übrigen 30 Proz. kommen auf das rechtsrheinische Bayern, das noch in der Gegend von Nürnberg und Hof einen Tabaksbezirk von einigem Umfang hat, 3,1 Proz., auf das Königreich Württemberg 0,9 Proz. und auf das ganze nördlich von Mainz gelegene Deutschland wenig mehr als ein Viertel des deutschen Tabakslandes. Hier hat der Tabaksbau nur in der Ukermark und deren nördlicher und östlicher Fortsetzung gegen das Haff und die Oder sowie an der obern Oder in der Gegend von Breslau und in der Weichselniederung einige Bedeutung; in allen übrigen Gegenden tritt diese Kultur nur sporadisch auf. Das ukermärkische Tabaksland, das bedeutendste in Norddeutschland, umfaßt 12,3 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes. 1871 brachten 22,673 Hektar 717,907 Ztr. in trocknen Blättern, 1887 wurden auf 21,465 Hektar 817,386 Ztr. geerntet (1904 kg auf 1 Hektar), davon entfallen auf Baden 305,548, Preußen 221,424, Bayern 133,590, Elsaß-Lothringen 100,912, Hessen 28,436, Württemberg 12,128 Ztr. 1888 waren nur 18,130 Hektar mit T. bepflanzt. Die [482] Einfuhr betrug 1887 von T. 41,915, von Tabaksfabrikaten 1249, die Ausfuhr 920, resp. 1398 Ton.

Geschichtliches.

Über das Alter des Tabaksrauchens in China, wo man Nicotiana chinensis Fisch. benutzt, ist nichts Sicheres bekannt. Nach Europa gelangte die erste Nachricht vom T. durch Kolumbus, welcher 1492 die Eingebornen von Guanahani cylinderförmige Rollen von Tabaksblättern, mit einem Maisblatt umwickelt, rauchen sah. Fra Romano Pane, den Kolumbus auf Haïti zurückgelassen hatte, machte 1496 Mitteilungen über die Tabakspflanze an Petrus Martyr, und durch diesen gelangte dieselbe 1511 nach Europa. Die Eingebornen auf Haïti rauchten den T. als zusammengerollte Blätter oder zerschnitten aus langen Röhren. Diese, nach andern die Maisblattrollen, sollen Tabacos geheißen haben, nach andern soll der Name T. von der Insel Tobago oder von der Provinz Tabasco in Mittelamerika herrühren. Eine genaue Beschreibung der Pflanze gab 1525 Gonzalo Hernandez de Oviedo y Valdes, Statthalter von San Domingo. Später pries der spanische Arzt und Botaniker Nicolas Menardes in seinem 1571 zu Sevilla erschienenen Buch über Westindien den T. als Heilpflanze, und nun ward derselbe als Arznei- und Wunderkraut kultiviert. So auch von Jean Nicot, französischem Gesandten in Portugal, der 1560 Tabakssamen nach Paris schickte; ihm zu Ehren benannte Linné die Gattung. Kurze Zeit nachher erhielt auch Konrad Geßner indirekt von Occo in Augsburg das Kraut und erkannte es durch Vergleichung mit einer Abbildung, welche ihm Aretius in Bern nach von letzterm selbst aus Samen gezogenen Pflanzen entworfen hatte. Geßner machte in Deutschland zuerst auf den T. und seine medizinischen Eigenschaften aufmerksam. Das Tabaksschnupfen wurde in Frankreich unter Franz II. üblich, zu Sevilla in Spanien entstand gleichzeitig eine Schnupftabaksfabrik, welche den Spaniol lieferte. 1636 führten spanische Geistliche das Schnupfen in Rom ein, gegen welches Urban VIII. eine Bulle erließ, die erst 1724 wieder aufgehoben wurde. 1657 gab Venedig Fabrikation und Verschleiß des Schnupftabaks in Pacht. Das Tabaksrauchen wurde durch spanische Matrosen und englische Kolonisten nach Europa importiert und zwar durch erstere schon um die Mitte des 16. Jahrh. nach Spanien aus Westindien, durch letztere 1586 nach England aus Virginia. In Nordamerika scheint das Rauchen ebenfalls seit uralter Zeit gebräuchlich gewesen zu sein; bei den Indianern galt es als ein der Sonne und dem großen Geist gebrachtes Opfer; als Raleigh Virginia entdeckte, war der Tabaksbau bei den dortigen Eingebornen ganz allgemein verbreitet. Gegen Ende des 16. Jahrh. war das Rauchen in Spanien, Portugal, England, Holland, 1605 auch in Konstantinopel, Ägypten und Indien bekannt, und weltliche und geistliche Mächte eiferten vergebens gegen die weitere Verbreitung desselben. 1622 brachten englische und holländische Truppen das Tabaksrauchen nach dem Rhein und Main, von wo es durch den Dreißigjährigen Krieg bald in andre Teile Deutschlands gelangte. Jakob I. von England belegte zuerst den Tabakshandel mit hohen Steuern. 1616 wurde der erste T. in Holland gebaut, wenig später in England, 1659 in Wasungen, 1676 in Brandenburg und 1697 in der Pfalz und in Hessen. Schnupfen und Kauen des Tabaks sind europäische Erfindungen. Da man sich anfangs scheute, öffentlich zu rauchen, so entstanden in Frankreich, zunächst in Paris, besondere Lokale, die Tabagies, für die Freunde des Tabaks, und in Deutschland wurde dieser Name bis zur Mitte des 19. Jahrh. ganz allgemein für öffentliche Lokale gebraucht. Bis 1848 war das Rauchen auf den Straßen in den meisten Ländern Europas verboten. Vgl. Tabakssteuer.

Vgl. Tiedemann, Geschichte des Tabaks (Frankf. 1854); Babo, Der Tabaksbau (3. Aufl., Berl. 1882); Nessler, Der T., seine Bestandteile etc. (Mannh. 1867); Schmidt, Fabrikation von Schnupf- und Kautabak (Berl. 1870); Fries, Anleitung zum Anbau, zur Trocknung und Fermentation des Tabaks (3. Aufl., Stuttg. 1870); Wagner, Handbuch der Tabaks- und Zigarrenfabrikation (5. Aufl., Weim. 1888); Becker, Die Fabrikation des Tabaks (2. Aufl., Norden 1883); Lock, Tobacco; growing, curing and manufacturing (Lond. 1886); Fairholt, Tobacco, it’s history and associations (das. 1875); Fermond, Monographie du tabac (Par. 1857); Knoblauch, Deutschlands Tabaksbau und -Ernte (Berl. 1878); „Statistik des Deutschen Reichs“, Bd. 42: „Tabakbau, Tabakfabrikation etc. im Deutschen Reich“ (das. 1880); Meyer, Aus der Havanna (5. Aufl., Norden 1884); Jolly, Études hygiéniques et médicales sur le tabac (Par. 1865); Derselbe, Le tabac et l’absinthe (das. 1875); Dornblüth, Die chronische Tabaksvergiftung (Leipz. 1878); Hare, The physiological and pathological effects of the use of tobacco (Lond. 1886); Stinde, Das Rauchen (2. Aufl., Berl. 1887); Keibel, Wie sollen wir rauchen? (das. 1887); „Deutsche Tabakszeitung“ (Berl., seit 1868); Bragge, Bibliotheca nicotiana (Lond. 1880).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 784785
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[784] Tabak. Zur Bestimmung des Nikotingehalts imprägniert man im Mörser 20 g grob gepulverten T. mit einer alkoholischen Ätznatronlösung und extrahiert das lockere Pulver mit Äther. Von dem Auszug wird der Äther vorsichtig abdestilliert, der Rückstand mit sehr verdünnter Natronlauge versetzt und das Nikotin im Wasserdampfstrom abdestilliert. Das Destillat titriert man mit Schwefelsäure. 40 g SO3 sättigen 162 g Nikotin. Die Fälschungen im Tabakshandel bestehen hauptsächlich in der Unterschiebung schlechterer Sorten für bessere, in der Verwendung von Blättern andrer Gewächse, in der sogen. Verbesserung durch Zusätze fremder Stoffe und teilweise Auslaugung des Tabaks, endlich in der Gewichtsvermehrung durch Zusatz indifferenter Stoffe. Die Unterschiebung geringerer Tabakssorten für bessere ist nur vom Fachmann zu beurteilen, und auch dieser gelangt leicht zu unrichtigen Urteilen. Fremde Blätter (Runkelrübe, Ampfer, Kartoffel, Zichorie, Rhabarber, Huflattich, Kirsche, Rose, Weichselkirsche etc.) werden nicht in dem Umfang als Verfälschungsmittel benutzt, wie man im Publikum häufig voraussetzt. Kirschen-, Rosen- und Weichselkirschblätter sind im Gesetz, betreffend die Besteuerung des Tabaks, als erlaubte Zusätze aufgeführt. Zur Erkennung der Blätter dient das Mikroskop, welches jedenfalls die Tabaksblätter von andern Blättern sicher zu unterscheiden gestattet. Handelt es sich nicht um nikotinfreie Tabakspräparate, so zieht man die verdächtige Blattsubstanz mit schwach schwefelsäurehaltigem Wasser aus und versetzt den nicht gar zu verdünnten Auszug mit einigen Tropfen neutraler Kaliumquecksilberjodidlösung. Nur wenn Tabaksblätter vorlagen, entsteht hierbei eine starke Trübung oder ein gelblichweißer Niederschlag von Nilotinquecksilberjodid. Die erwähnte Verbesserung des Tabaks wird in sehr ausgedehntem Umfang betrieben und als Saucieren bezeichnet. Man benutzt meist alkoholische Auszüge aromatischer Pflanzenstoffe, u. da, wie es scheint, nur solche Pflanzenstoffe angewandt werden, welche auf die Gesundheit nicht nachteilig einwirken, so ist gegen diese Manipulation kaum etwas einzuwenden. Zur [785] Nachweisung einer Saucierung benutzt man die Bestimmung des Zuckergehalts. Man kocht den T. mit Wasser, fällt das Filtrat mit Bleiessig, filtriert, entbleit mit Schwefelwasserstoff, filtriert, verdampft und titriert die eine Hälfte der Flüssigkeit sofort, die andre nach Invertierung mit Fehlingscher Lösung. Beträchtlicher Zuckergehalt beweist stets die stattgehabte Saucierung, Abwesenheit des Zuckers gestattet nur, mit Wahrscheinlichkeit zu behaupten, daß der T. nicht sauciert worden sei. Die Bestimmung des Extraktgehalts läßt erkennen, ob schwere Tabakssorten extrahiert worden sind. T., welcher weniger als 35 Proz. wasserlösliche Extraktivstoffe enthält und sehr wenig Asche, besonders mit wenig Kali und Kalk, gibt, kann als ausgelaugt betrachtet werden. Zigarren werden häufig gefärbt und pflegen dann an ein mit Wasser oder verdünntem Alkohol befeuchtetes Stück Fließpapier beim Reiben Farbstoff abzugeben. Man benutzt meist harmlose Farbstoffe, gegen deren Verwendung wenig einzuwenden ist. Schneidetabak unterliegt viel mehr der Verfälschung als die Zigarre, weil solche hier viel schwerer nachweisbar ist; namentlich wird auch der Schneidetabak geschwefelt, mit Kurkuma oder Ocker gefärbt. In noch höherm Grad gilt dies für Schnupftabak, bei welchem die Untersuchungen auf fremde Blätter etc. meist resultatlos bleiben dürften. Extrahiert man ihn vollständig mit Wasser, so kann man mit Lupe und Mikroskop mancherlei Beimengungen erkennen. Wichtig ist der Nachweis von Blei und Zinn (aus bleihaltiger Verpackung stammend), den man in der Asche nach den üblichen Methoden führt.

Hygienisches. Die narkotischen Eigenschaften des Tabaks kann man an heißen Sommertagen bereits an einem mit T. bepflanzten Feld wahrnehmen, wo die Schleimhäute der Nase und der Augen empfindlich gereizt werden. Stärker geschieht dies beim Aufreihen der Blätter und bei der Fermentation in den Lagerräumen. Hier entweichen mit den Wasserdämpfen Nikotin, Nikotianin nebst scharfen, flüchtigen Zersetzungsprodukten, und Neulinge werden von Husten, Schwindel, Betäubung und Ohnmacht befallen. Diese Erscheinungen verschwinden schnell an frischer Luft. Bei anhaltender Beschäftigung in Tabaksfabriken beobachtet man oft Reizung der Schleimhäute des Rachens und der Nase, Erbrechen, Verlangsamung des Pulses, Zittern, Kopfschmerz, Ohrensausen, Magen- und Darmkatarrhe, blasse, gelbe Hautfarbe. Diese Einwirkungen sind auf die Einatmung der flüchtigen Stoffe zurückzuführen, während der Tabaksstaub, der bei vielen Arbeiten entsteht, wohl nur mechanisch schädlich wirkt. Die Arbeitsräume müssen daher groß und geräumig und mit guter Ventilation versehen sein, aber gerade in dieser Industrie lassen die hygienischen Verhältnisse noch sehr viel zu wünschen übrig. Auch das Zusammenarbeiten von Arbeitern und Arbeiterinnen gibt zu berechtigten Klagen Veranlassung, und da die Tabaksfabrikation häufig als Hausindustrie betrieben wird, so kommen auch alle Nachteile einer solchen in Betracht. Die Verhältnisse sind in mancher Hinsicht ungünstiger, als es der Natur des Betriebs entspricht, denn da die Tabaksarbeiter keiner großen physischen Kraft bedürfen, so wird diese Beschäftigung vorzugsweise von schwächlichen oder mit Krankheitsanlagen behafteten Personen, von jugendlichen Arbeitern und Frauenzimmern gesucht, zumal sie verhältnismäßig gut bezahlt wird. Enges Zusammensitzen in schlecht ventilierten Räumen, Unsauberkeit, geschlechtliche Exzesse und andre Ausschweifungen wirken dann höchst nachteilig auf diese wenig widerstandsfähigen Leute.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 906907
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[906] Tabak. Für die Gebrauchsfähigkeit und Güte aller Tabaksarten ist die Fermentation von der größten Bedeutung. Sie wird dadurch eingeleitet, daß man den sogen. dachreifen T. in großen Haufen von 100 und mehr Zentnern fest zusammenpackt. Hier tritt je nach dem Feuchtigkeitsgehalt früher oder später eine oft sehr starke Erwärmung ein: der T. schwitzt, und dabei vollzieht sich die Bildung derjenigen aromatischen und sonstigen Verbindungen in den Tabaksblättern, die beim Verbrennen auf unsern Geruchs- und Geschmackssinn wirken. Während man in der Praxis bisher glaubte, daß die Vorgänge bei der Fermentation rein chemischer Natur seien, haben die Untersuchungen von Suchsland zu dem Ergebnis geführt, daß hier ein Gärungsprozeß vorliegt, der durch Spaltpilze hervorgebracht wird. Diese Spaltpilze treten an den fermentierten Tabaken in großer Menge auf, aber an den einzelnen Tabakssorten hat [907] man meist nur 2–3 Bakterienarten gefunden. Vorherrschend waren Bakteriaceen, doch hat man auch Kokkaceen gefunden. Daß die gefundenen Spaltpilze in der That die Gärungserreger waren, geht daraus hervor, daß durch Reinkulturen derselben bei andern Tabakssorten Geruchs- und Geschmacksveränderungen hervorgebracht wurden, welche an den Geruch und Geschmack jener Tabakssorten erinnerten, von denen die Bakterien stammten. Von diesem Gesichtspunkt aus gewinnt die Fermentation des Tabaks noch größere Bedeutung, als man ihr bereits beigemessen hat. In allen Tabaksbau treibenden Gegenden Deutschlands hat man immer bei den Bestrebungen, die Qualität des Tabaks zu verbessern, das Hauptaugenmerk auf Hebung der Bodenkultur und auf Einführung möglichst edler Sorten gerichtet. Nun gediehen freilich hierbei die Pflanzen vortrefflich, der T. aber blieb minderwertig. Dies erklärt sich jetzt dadurch, daß man eben nicht im stande war, die gut fermentierenden Bakterien aus den Ursprungsländern des edlen Tabaks mit herüberzubringen, und daß die bei uns vorkommenden Fermente nicht die Fähigkeit besitzen, so gute Produkte hervorzubringen wie die in den warmen Ländern. Unser T. hat daher immer nur eine wilde Gärung erlitten, welche die in ihm lagernden Rohstoffe nicht so vollständig oder in andrer Art aufschloß, wie es durch die intensiver und in andrer Richtung wirkenden ausländischen Spaltpilze geschieht. Mit den geeigneten Spaltpilzen läßt sich aber die edlere Gärung auch in unserm T. einleiten. Alle Versuche haben positive Resultate ergeben, und nicht selten ist die Veränderung am Pfälzer T. so auffällig gewesen, daß sichere Kenner einheimischen Tabaks, auch nachdem ihnen der Sachverhalt dargelegt war, die Sorte nicht für deutschen T. geraucht haben. Über die Art der durch die edlern Bakterien erzeugten Produkte ist noch nichts Näheres bekannt, eine der Hauptwirkungen scheint indes die Umwandlung von Nikotin in Nikotinkampfer zu sein. Wie es scheint, geht die Tabaksindustrie auf Grund der neugewonnenen Erkenntnis einer ähnlichen Wendung entgegen wie die Gärungsindustrie, seitdem man die Bedeutung der verschiedenen Hefearten für den Verlauf des Gärungsprozesses erkannt hat.