Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Spielhagen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 142143
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Spielhagen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 142–143. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Spielhagen (Version vom 02.04.2023)

[142] Spielhagen, Friedrich, hervorragender Romanschriftsteller, geb. 24. Febr. 1829 zu Magdeburg als Sohn eines preußischen Regierungsrats, verbrachte seine Jugend in Stralsund und ward an diesem Teil der Ostseeküste und auf der Insel Rügen im eigentlichsten Wortsinn heimisch, so daß diese Landschaften den Hintergrund für beinahe alle seine spätern poetischen Schöpfungen abgeben. Nachdem er das Gymnasium zu Stralsund absolviert, studierte er von 1847 an, die ursprünglich geplanten medizinischen Studien bald aufgebend, Philologie und Philosophie zu Bonn, Berlin und Greifswald, war einige Zeit Hauslehrer in einer aristokratischen Familie und ging 1854 nach Leipzig, um sich als Dozent an der Universität zu habilitieren. Seine litterarischen Studien und Beschäftigungen führten ihn inzwischen um so ausschließlicher auch dem litterarischen Beruf zu, als er die Unvereinbarkeit einer philologischen Dozentenkarriere und poetischer Bestrebungen erkannte. Neben kritischen Essays trat er mit vorzüglichen Übertragungen, z. B. von Emersons „Englischen Charakterzügen“ (Hannov. 1858), Roscoes „Lorenzo von Medici“ (Leipz. 1859), Michelets Werken: „Die Liebe“ (das. 1859), „Die Frau“ (das. 1860) und „Das Meer“ (das. 1861) sowie mit der Sammlung „Amerikanische Gedichte“ (das. 1859, 3. Aufl. 1871), hervor. Die Hauptsache aber blieb die eigne Produktion. Die Novelle „Klara Vere“ (Hannov. 1857) und das graziöse Idyll „Auf der Düne“ (Hannov. 1858) wurden nur von kleinen Kreisen als Proben eines ungewöhnlichen Talents beachtet. Eine um so glänzendere Aufnahme fand der erste größere Roman des Autors: „Problematische Naturen“ (Berl. 1860, 4 Bde.; 12. Aufl., Leipz. 1887), mit seiner abschließenden Fortsetzung: „Durch Nacht zum Licht“ (Berl. 1861, 4 Bde.; 10. Aufl. 1885). Dieser Roman gehörte durch Originalität der Erfindung, durch psychologische Feinheit der Charakteristik, höchste Lebendigkeit des Kolorits und eine in den meisten Partien künstlerisch vollendete Darstellung zu den besten deutschen Romanproduktionen der Neuzeit und lenkte die Aufmerksamkeit der gebildeten Lesewelt dauernd auf den Autor. S. war inzwischen 1859 von Leipzig nach Hannover übergesiedelt, hatte dort die Redaktion des Feuilletons der „Zeitung für Norddeutschland“ übernommen und sich verheiratet. Ende 1862 nahm er seinen dauernden Wohnsitz in Berlin, von wo aus er größere Reisen (nach der Schweiz, Italien, England, Paris etc.) unternahm, redigierte hier kurze Zeit die „Deutsche Wochenschrift“ und das Dunckersche „Sonntagsblatt“, trat mehrfach mit öffentlichen Vorträgen auf, konzentrierte sich aber zuletzt immer ausschließlicher auf die Produktion. Auch von der Herausgabe von Westermanns „Illustrierten deutschen Monatsheften“, die er 1878 übernommen, trat er 1884 wieder zurück. Sein zweiter großer Roman: „Die von Hohenstein“ (Berl. 1863, 4 Bde.; 6. Aufl. 1885), der die revolutionäre Bewegung des Jahrs 1848 zum Hintergrund hatte, eröffnete eine Reihe von Romanen, welche die Bewegungen der Zeit und zwar ebensowohl die zufälligen und äußerlichen wie die wirklich tief eingreifenden und echte Menschennaturen wahrhaft bewegenden zu spiegeln unternahmen. War hierdurch ein gewisses Übergewicht des tendenziösen Elements gegenüber dem poetischen unvermeidlich, und standen die Romane: „In Reih und Glied“ (Berl. 1866, 5 Bde.; 5. Aufl. 1880, 2 Bde.) und „Allzeit voran!“ (das. 1872, 3 Bde.; 6. Aufl. 1880) wie die Novelle „Ultimo“ (Leipz. 1873) allzu stark unter der Herrschaft momentan in der preußischen Hauptstadt herrschender Interessen, Erscheinungen und Stimmungen, welche der Dichter mit all seiner Kunst nicht zur Poesie zu erheben vermochte, so erwiesen andre freiere Schöpfungen den Gehalt, die [143] Lebensfülle und die künstlerische Reife des Spielhagenschen Talents. Neben der Novelle „In der zwölften Stunde“ (Berl. 1862), den unbedeutendern: „Röschen vom Hof“ (Leipz. 1864), „Unter den Tannen“ (Berl. 1867), „Die Dorfkokette“ (Schwer. 1868), „Deutsche Pioniere“ (Berl. 1870), „Das Skelett im Hause“ (Leipz. 1878) u. den Reiseskizzen: „Von Neapel bis Syrakus“ (das. 1878) schuf S., unabhängig von den momentanen Tagesereignissen oder sie nur in ihren großen, allgemein empfundenen Wirkungen auf das deutsche Leben darstellend, die Romane: „Hammer und Amboß“ (Schwerin 1868, 5 Bde.; 8. Aufl. 1881), „Was die Schwalbe sang“ (Leipz. 1872, 2 Bde.; 6. Aufl. 1885) und „Sturmflut“ (das. 1876, 3 Bde.; 5. Aufl. 1883), ein Werk, worin der Dichter, besonders im ersten und letzten Teil, auf der vollen Höhe seiner Darstellungskraft und Darstellungskunst steht; den Roman „Platt Land“ (das. 1878); die feine, in Motiven und Detaillierung etwas allzusehr zugespitzte Novelle „Quisisana“ (das. 1879) sowie die neuesten Romane: „Angela“ (das. 1881, 2 Bde.), „Uhlenhans“ (das. 1884, 2 Bde.), „Was will das werden“ (das. 1886, 3 Bde.), „Noblesse oblige“ (das. 1888), „Ein neuer Pharao“ (1889) u. a. Nur in den kleinern Werken: „Deutsche Pioniere“ und „Noblesse oblige“, streifte S. vorübergehend das Gebiet des historischen Romans, sonst schöpfte er Handlungen und Gestalten aus der jüngsten Vergangenheit und unmittelbaren Gegenwart. Mit dem nach einer eignen Novelle (7. Aufl., Leipz. 1881) bearbeiteten und an mehreren Theatern erfolgreich aufgeführten Schauspiel „Hans und Grete“ (Berl. 1876) wendete sich der Dichter auch der Bühne zu. Größern Erfolg hatte das Schauspiel „Liebe für Liebe“ (Leipz. 1875), in dem die Kritik neben novellistischen Episoden einen wahrhaft dramatischen Kern anerkannte. Neuerdings brachte er die Schauspiele: „Gerettet“ (Leipz. 1884) und „Die Philosophin“ (das. 1887). Von S. erschienen außerdem: „Vermischte Schriften“ (Berl. 1863–1868, 2 Bde.), „Aus meinem Skizzenbuch“ (Leipz. 1874), „Skizzen, Geschichten und Gedichte“ (das. 1881), und „Beiträge zur Theorie und Technik des Romans“ (das. 1883). Von seinen „Sämtlichen Werken“, die auch die bis dahin zerstreuten innigen und formschönen Gedichte des Autors enthalten, erschienen bisher 18 Bände (Leipz. 1875–87). Vgl. Karpeles, Friedr. S. (Leipz. 1889).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 767
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[767] Spielhagen, Friedrich, Romanschriftsteller, veröffentlichte: „Finder und Erfinder, Erinnerungen aus meinem Leben“ (Leipz. 1889), als ersten Band seiner Selbstbiographie.