Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seilbahnen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 833834
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Seilbahnen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 833–834. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seilbahnen (Version vom 09.12.2023)

[833] Seilbahnen (Drahtseilbahnen), im weitern Sinn Eisenbahnen mit Zugseilen (s. Eisenbahnbau, S. 456), im engern (Luftseilbahnen, schwebende S., schwebende Drahtseilbahnen, schwebende Drahtbahnen, Hängebahnen) solche, bei welchen die Fahrzeuge an Rollen hängen, die auf einem oder mehreren stellenweise unterstützten Seilen (Tragseilen), auch wohl Drähten oder Schienen laufen und die zu fördernde Last entweder durch ihr Eigengewicht bewegt, oder mittels des Tragseils oder andrer Seile (Zugseile) gezogen wird. Seit den ältesten Zeiten bekannt, konnten sie erst nach Einführung des Drahtseils zu größerer Bedeutung gelangen, eine Handschrift der Wiener Hofbibliothek aus dem Jahr 1411 zeigt bereits eine Seilbahn mit Hanfseil und Förderkörben. Die einfachsten S. sind die Seil- oder Drahtriesen, welche zuerst durch den österreichischen Forstmann Hohenstein und die schweizerischen Förster Frankenhauser und Strübin ausgebildet sein sollen und zum Herunterschaffen von Holz und Steinen mittels des Eigengewichts dienen. Zu den Riesen läßt sich auch noch v. Dückers Bahn (erste Versuche 1861 zu Bad Öynhausen und Bochum) rechnen. Größere Verbreitung fanden die S. durch die Bemühungen von Hodgson (englisches Patent von 1868), und sie

Fig. 1. Seitenansicht. Fig. 2. Vorderansicht.
Fig. 1 u. 2. Seilbahn, System Otto.

sind seitdem durch Bleichert (Leipzig-Gohlis), Otto (Schkeuditz), Obach (Wien), Pohlig (Siegen) u. a. vervollkommt worden. Die längste bestehende Seilbahn dürfte die von Obach erbaute 30,5 km lange Erz- und Kohlenbahn von Vajdahunyad in Siebenbürgen sein, welche eine Gesamtsteigung von 892 m u. freie Spannweiten bis zu 472 m besitzt und 62 mehr oder weniger tiefe Thäler überschreitet. Fig. 1 und 2 stellen das System Otto dar. Der Wagen w hängt an einem obern Laufseil l, das sich auch durch eine feste Schiene ersetzen läßt, und wird von einem untern Zugseil g gezogen. Jede Fahrrichtung hat ihren eignen Laufstrang, und das Zugseil geht ohne Ende durch und wird fortwährend bewegt. An den Beladestellen werden die vollen Förderwagen an das Zugseil gekuppelt, an den Entladestellen selbstthätig abgekuppelt. Bei starker Steigung wird das Zugseil mit Hülsen (Mitnehmerknoten) versehen, in deren Abständen die mit einer Klauenkuppelung ausgerüsteten Wagen einander folgen können, bei schwacher genügt glattes Seil und die beliebige Wagenabstände gestattende Scheibenkuppelung Fig. 3 u. 4. Letztere besteht aus zwei Scheiben, deren eine a an den Quersteg S des Wagengehänges angeschraubt, deren andre b um einen in a befestigten Bolzen c drehbar ist. Beim Ankuppeln legt der Arbeiter zunächst das Zugseil g oben zwischen die Scheiben a u. b. Für gewöhnlich werden die Scheiben nämlich durch die Feder f in solcher Entfernung voneinander gehalten, daß sich das Zugseil bequem einlegen und ausheben läßt. Der Kopf des Bolzens ist [834] zu einer Schraube ausgebildet und trägt einen Handhebel e, dessen Auge als Mutter der Schraube dient. Durch Drehen des Hebels e auf dem Gewinde nach oben drückt nun der Arbeiter die Scheibe b gegen a und klemmt das Zugseil zwischen beiden Scheiben ein; hierbei kommt der Hebel in seine senkrechte Stellung,

Fig. 4. Durchschnitt. Fig. 3. Vorderansicht.
Fig. 3 u. 4 Scheibenkuppelung.

in welcher er mittels des Stiftes h und der Feder i durch die Nase k des Bolzens c festgehalten wird. An der Entladestelle angelangt, wird der Hebel durch Anschlagen gegen eine Platte m nach unten gedreht, nachdem vorher durch Zurückschlagen des Feststellhebels die Festhaltung gelöst worden ist. Gleichzeitig drückt die Feder f die Scheibe b von sich ab, und das Zugseil wird frei. Die Bahnlinie muß zwischen zwei Stationen gerade sein, während sie an letztern beliebige Winkel bilden darf. S. werden besonders zur Beförderung von Steinen, Erzen, Brennmaterial etc. benutzt. Vgl. „Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik“, Bd. 5, S. 544 (Leipz. 1878); „Österreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen“ 1884, Nr. 50; „Zeitschrift des Architekten- und Ingenieurvereins zu Hannover“ 1885, Sp. 537; „Stahl u. Eisen“ 1887, S. 551. Neuerdings sind auch S. mit elektrischem Betrieb (Telpheragesystem, Telpherbahnen) vorgeschlagen und gebaut worden (Thongrubenbahn bei Glynde in Sussex), bei welchen das Tragseil einen elektrischen Strom auf einen hängenden, mit den Wagen verkuppelten elektrischen Motor überträgt, welcher die Lokomotive des Wagenzugs bildet.