Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Scott“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Scott“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 787788
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: Walter Scott
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Scott. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 787–788. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Scott (Version vom 11.12.2023)

[787] Scott, 1) Sir Walter, berühmter schott. Dichter, geb. 15. Aug. 1771 zu Edinburg als der Sohn eines Advokaten, verlebte, schwächlicher Konstitution, seine Jugend auf dem Landgut seines Großvaters, Sandy-Knowe bei Kelso. Percys „Reliques of ancient English poetry“, die er im 13. Jahr kennen lernte, sowie die Sagen jener Gegenden übten großen Einfluß auf die Entwickelung seiner poetischen Begabung aus. In Edinburg erwarb er sich dann eine notdürftige Bekanntschaft mit der deutschen, französischen und italienischen Sprache, galt übrigens weder auf der Schule noch auf der Universität für geistig ausgezeichnet, während sein durch die schwersten Stürme des Lebens bewährter, ebenso gediegener wie liebenswürdiger Charakter schon damals hervortrat. Seit 1792 praktizierte S. als Advokat vor den schottischen Gerichtshöfen, zugleich litterarisch beschäftigt, besonders mit Übertragungen aus dem Deutschen, wie von Bürgers „Lenore“ und „Wildem Jäger“ (1796), von Goethes „Götz“ (1799) und „Erlkönig“. Nachdem er sich 1797 mit Miß Carpenter vermählt hatte, ließ er sich zu Laßwade nieder; 1799 ward er zum Sheriff von Selkirkshire ernannt. 1806 erhielt er eine einträgliche Sekretariatsstelle am Edinburger Gerichtshof, die ihm viel Muße zu dichterischer Produktion ließ. 1820 wurde er Baronet. Seine finanzielle Lage hatte durch den Erfolg seiner Romane eine bedeutende Besserung erfahren. Schon 1811 war es ihm möglich gewesen, am Ufer des Tweed ein Gütchen (ehemaliges Kloster) zu erwerben und es unter dem Namen Abbotsford zu einem anmutigen Landsitz im mittelalterlichen Stil umzuwandeln. Da traf ihn 1826 ein schwerer Schlag, indem infolge der geschäftlichen Krisis der Jahre 1825 und 1826 das ihm nahestehende Bankhaus Constable und sein Verleger Ballantyne fallierten. Obgleich nach englischem Gesetz nicht haftbar, trat S. für die enorme Schuldenlast von 120,000 Pfd. Sterl. ein und erbat nur die nötige Zeit, um durch litterarische Arbeit diese Summe aufzubringen. Er hielt redlich Wort und hat sich buchstäblich zu Tode gearbeitet. Im Winter 1830 traf ihn ein Schlagfluß; zur Herstellung seiner Gesundheit ging er nach Italien, starb aber bald nach der Heimkehr 21. Sept. 1832 in Abbotsford. Er wurde in Dryburgh Abbey bestattet und erhielt ein herrliches Denkmal zu Edinburg. Jenen Übersetzungen aus dem Deutschen folgten bald eigne Balladen und die Sammlung „The minstrelsy of the Scottish border“ (1802, 3 Bde.; deutsch, Zwickau 1826), volkstümliche Balladen des Grenzlandes, denen er gelehrte Erläuterungen beifügte; ferner eine Ausgabe des altenglischen Romans „Sir Tristram“ mit Kommentar (1804). Der schottischen Vorzeit gewidmet ist „The lay of the last minstrel“ (1805), ein dem letzten Minstrel zugeschriebener Balladenkranz, ferner das Rittergedicht „Marmion, a tale of Flottenfield“ (1808) und die lyrisch-epische Dichtung „The lady of the lake“ (1810; deutsch unter andern von Viehoff, Hildburgh. 1865), die sich namentlich durch herrliche Schilderungen des Hochlandes auszeichnet. Sehr kunstreich werden hier die halbwilden Bergbewohner der Hochlande dem hochkultivierten, ritterlichen Hof Jakobs V. gegenübergestellt, und die unvergleichliche Landschaft von Loch Katrine wurde infolge der Scottschen Schilderung das Ziel unzähliger Reisenden. Als ein Mangel aber der Scottschen Poesie muß es bezeichnet werden, daß die handelnden Personen darin fast lediglich Typen sind; erst in seinen Romanen entfaltet S. seine meisterhafte Kunst des Charakterisierens und Individualisierens. Durch sie erwarb er sich denn auch den höchsten Ruhm. Die Reihe dieser Werke, die S. als den Schöpfer und Meister des historischen Romans erscheinen lassen, eröffnete „Waverley“ (1814), die Epoche des Prätendenten 1745 behandelnd, wonach sich S. in den folgenden Romanen als „Author of the Waverley“ bezeichnete. Auf „Guy Mannering“ (1815) folgten: „The antiquary“ (1816), dann die vier Reihen der „Tales of my landlord“ (1816–31; darunter die beliebten Romane: „The heart of Midlothian“, „The bride of Lammermoor“), ferner unter andern „Ivanhoe“ (1820), „Kenilworth“ (1821), „The fortunes of Nigel“ (1822), „Quentin Durward“ (1823) und „Woodstock“ (1826), die den meisten Beifall fanden. Im „Ivanhoe“ wird die Rückkehr des Richard Löwenherz aus dem Heiligen Land behandelt; trefflich ist hier die Schilderung der einfachen, derben Angelsachsen, ihres Lebens in Wald und Feld sowie die der glänzenden normännischen Ritter. In „Kenilworth“ erhalten wir ein detailliertes Bild von dem Hof und dem Leben der Königin Elisabeth, während „Nigel“ in die Zeit ihres Nachfolgers Jakob I. fällt. „Woodstock“ behandelt die Zeit des großen Bürgerkriegs. „Quentin Durward“ endlich stellt in großartiger Weise, basierend auf den Memoiren des Franzosen Phil. Comines (15. Jahrh.), den Kampf König Ludwigs XI. mit Karl dem Kühnen von Burgund dar. Zwei Eigenschaften verleihen Scotts Romanen hohen Wert: die Wahrheit seiner Charaktere und die harmonische Durchbildung der Fabel. Jede seiner Figuren ist aus dem Leben gegriffen, alle bewegen sich natürlich und ihren Verhältnissen, ihrer Zeit und ihrer Umgebung wie den Überlieferungen der Geschichte durchaus angemessen. Die Wirkung dieses Vorzugs wird noch erhöht durch die konsequente und gleichmäßige Anlage und Durchführung des Inhalts sowie durch die Mannigfaltigkeit der Charaktere wie der Situationen und insbesondere durch die historische Redlichkeit des Dichters, die ihn nirgends seinen politischen Ansichten zuliebe einen historischen Charakter umändern oder ihm eine bestimmte, andern als poetischen Zwecken dienende Richtung anweisen läßt. Tadel verdient nur die oft zu schleppende Breite am Anfang. Seit 1820 versuchte sich S. auch im Schauspiel, allein alles von ihm in diesem Fach Geleistete erhebt sich nicht über die Grenzen des Versuchs. Dagegen sind die biographischen und litterarischen Einleitungen zu einer Ausgabe der ältern englischen Romanschreiber (1825, 3 Bde.) nach Form und Inhalt ausgezeichnet; schon vorher hatte er treffliche [788] Ausgaben der Werke Drydens (1808) und Swifts (1814) mit Anmerkungen und biographischen Einleitungen besorgt. Die nach der Katastrophe von 1826 entstandenen Werke lassen begreiflicherweise die frühere Sorgfalt und Genialität mehr oder minder vermissen. So ist sein „Life of Napoleon Buonaparte“ (1827, 7 Bde.) nicht frei von Parteilichkeit. Ebenso stehen die Romane: „Castle Dangerous“ und „Count Robert of Paris“ den frühern Werken Scotts nach. Seine letzten Arbeiten waren die „Tales of a grandfather“ (1828–30; Auswahl mit Anmerkungen in Tauchnitz’ „Student’s series“, 1886, 2 Bde.), „History of Scotland“ (1830, 2 Bde.) und „Letters on demonology“ (geschrieben für Murrays „Family library“). Die Ausgaben seiner Werke sind zahllos, die besten sind die Edinburger in verschiedenen Formaten. Die Romane wurden in fast alle europäischen Sprachen übersetzt (deutsch von Herrmann etc., neue Ausg., Leipz. 1876, 25 Bde.; von Tschischwitz, illustriert, Berl. 1876–77, 12 Bde.) und fanden viele Nachahmer. Die ausführlichste Lebensbeschreibung von S. lieferte sein Schwiegersohn Lockhart („Memoirs of Sir W. S.“, 1838, 7 Bde.; zuletzt 1887, 10 Bde.; deutscher Auszug, Leipz. 1839). Deutsche Biographien des Dichters schrieben K. Elze (Dresd. 1864, 2 Bde.) und Eberty (2. Aufl., Leipz. 1871). Vgl. auch Watt, Great novelists (Edinb. 1879). – Mit Scotts ältestem Sohn, Sir Walter S., geb. 28. Okt. 1801, gest. 8. Febr. 1847 als Oberstleutnant in der britischen Armee auf der Rückreise von Indien, erlosch der Baronstitel in der Familie.

2) Winfield, nordamerikan. General, geb. 13. Juni 1786 in Virginia, widmete sich dem Studium des Rechts, dann seit 1808 dem Militärdienst und ward 1812 nach dem Ausbruch des Kriegs mit England als Oberstleutnant nach der kanadischen Grenze beordert, geriet aber in der Schlacht bei Queenstown in Gefangenschaft. Nach einigen Monaten ausgewechselt, eroberte er 27. Jan. 1813 Fort George und ward dafür zum Brigadegeneral befördert. Am 5. Juni 1814 schlug er den britischen General Riall bei Chippewa und focht mit Auszeichnung in der Schlacht am Niagara, wo er schwer verwundet ward. Zur Wiederherstellung seiner Gesundheit begab er sich nach Paris, wo er das französische Militärwesen studierte, und hielt nach seiner Rückkehr Vorlesungen über die Kriegswissenschaften. 1832 zwang er den Indianerhäuptling Black-Hawk, 1836 die Seminolen und 1838 die Krik zur Unterwerfung. 1841 ward er Oberbefehlshaber der Unionsarmee. Als eifriger Whig nahm er auch an den politischen Angelegenheiten thätigen Anteil. Im Kriege gegen Mexiko mit dem Oberbefehl betraut, nahm er im März 1847 Veracruz nach kurzer Belagerung, schlug 18. April den General Santa Anna bei Cerro Gordo und 19. und 20. Aug. nochmals bei Contreras und Churubusco, erstürmte 15. Sept. Mexiko und unterzeichnete 2. Febr. 1848 den Frieden von Guadalupe Hidalgo, der das Gebiet der Vereinigten Staaten von Nordamerika um 30,000 QM. erweiterte. Gleichwohl blieben 1848 und 1852 seine Bewerbungen um die Präsidentenwürde erfolglos. Beim Beginn des nordamerikanischen Bürgerkriegs zum Oberbefehlshaber der Unionstruppen ernannt, nahm er, sich seiner Stellung nicht mehr gewachsen fühlend, im Oktober 1861 seine Entlassung und ging nach Europa, kehrte aber wegen des drohenden Kriegs mit England zurück und starb 29. Mai 1866 in West Point. Er hat viele Handbücher der Taktik und andre militärwissenschaftliche Arbeiten sowie „Memoirs“ (New York 1864, 2 Bde.) geschrieben. Vgl. Mansfield, Life and public services of W. S. (2. Aufl., New York 1852).

3) George Gilbert, engl. Architekt, geb. 1811 zu Gawcott bei Buckingham, begründete mit dem Märtyrermonument in Oxford 1842 seinen Ruf, erbaute sodann viele gotische Kirchen, so zu Camberwell (einer Vorstadt Londons), Croydon, Leeds, Liverpool, Doncaster, St. John auf Neufundland, Cambridge, und lieferte die Entwürfe für die Nikolaikirche (1846) und das neue Rathaus (1855) in Hamburg, zu dem Nationaldenkmal für Prinz Albert und dem Krankenhaus zu Leeds. Daneben hat er viele alte gotische Bauten mit Verständnis und Geschick restauriert, so die Kirchen zu Ely, Hereford und Salisbury. Das architektonische Museum zu Canon Row in Westminster ist wesentlich sein Werk. Er starb 27. März 1878. Von S. erschienen Vorlesungen („Lectures on the rise and development of mediaeval architecture“, 1878, 2 Bde.) und „Personal and professional recollections“, 1879).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 852
korrigiert
Indexseite

[852] Scott, 1) Sir Walter, schott. Dichter. Das im Besitz der Frau Maxwell-Scott befindliche Tagebuch des Dichters, die letzten sieben Lebensjahre desselben umfassend, wurde von David Douglas veröffentlicht: „The journal of Sir Walter S., from the original manuscripts at Abbotsford“ (Edinb. 1890, 2 Bde.).