Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schumann“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 661662
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Schumann. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 661–662. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schumann (Version vom 28.10.2023)

[661] Schumann, 1) Robert, Komponist, geb. 8. Juni 1810 zu Zwickau, erhielt seinen ersten nachhaltigen musikalischen Eindruck durch das Klavierspiel Moscheles’, den er 1819 in Karlsbad hörte, und wandte sich seitdem der Tonkunst mit größtem Eifer und mit solchem Erfolg zu, daß er nach seiner eignen Mitteilung schon in seinem 11. Jahr Chor- und Orchesterwerke komponierte. Im Begriff, sich ganz der Musik zu widmen, gab er nach dem 1826 erfolgten Tod seines Vaters diesen Plan seiner Mutter zuliebe auf und bezog nach absolviertem Gymnasialkursus Ostern 1828 die Universität Leipzig, um Rechtswissenschaft zu studieren. Allein in Leipzig sowohl als in Heidelberg, wohin er sich, von Thibauts Ruf angezogen, 1829 begab, beschäftigte er sich vorwiegend mit der Musik, die er nach erlangter Zustimmung seiner Mutter von 1830 an auch berufsmäßig auszuüben begann. Nach Leipzig zurückgekehrt, bildete er sich zunächst unter Fr. Wiecks Leitung zum Klavierspieler aus, da er sich jedoch schon nach kurzer Zeit durch irrationelles technisches Studium eine Lähmung des dritten Fingers der rechten Hand zuzog und damit der Virtuosenlaufbahn entsagen mußte, wandte er sich um so eifriger der Komposition zu und machte zu diesem Behuf gründliche Studien unter Leitung H. Dorns, der damals die Leipziger Oper dirigierte. Schon in den nächstfolgenden Jahren gab er mehrere seiner größern Klavierkompositionen heraus und trat gleichzeitig als musikalischer Schriftsteller auf. 1834 gründete er die „Neue Zeitschrift für Musik“, deren Redaktion er bis 1844 führte, um einesteils gegen den in der Musik sich damals breit machenden leeren Formalismus und das schale Virtuosentum anzukämpfen, andernteils die jüngern, vom rechten Geiste der Kunst erfüllten Musiker zu ermutigen und in ihren Interessen zu fördern. Um sich ergiebigere Erwerbsquellen zu eröffnen, siedelte er Anfang 1839 nach Wien über, kehrte aber schon im April d. J. nach Leipzig zurück. Die Frucht seines Wiener Aufenthalts bestand außer mehreren Klavierkompositionen hauptsächlich darin, daß er zahlreiche nachgelassene Arbeiten Franz Schuberts der Vergessenheit entzog, darunter auch die große C dur-Symphonie. 1840 vermählte er sich mit Klara Wieck (s. unten), obwohl deren Vater seine Zustimmung hartnäckig verweigerte, und um dieselbe Zeit trat in seiner Thätigkeit insofern ein Wendepunkt ein, als er, der bisher nur für das Klavier geschrieben, sich nun auch dem Lied und größern Instrumentalkompositionen zuwandte. Bei Errichtung des Leipziger Konservatoriums (1843) übernahm er den Unterricht in der Komposition in genannter Anstalt. In demselben Jahr fand auch die erste Aufführung seines Chorwerkes „Paradies und Peri“ statt, welches seinen Namen in weitern Kreisen bekannt machte. Im folgenden Jahr unternahm er mit seiner Frau eine Kunstreise nach Rußland, welche beiden die größten Huldigungen einbrachte. Nach seiner Rückkehr legte er die Redaktion der „Neuen Zeitschrift für Musik“ in die Hand Franz Brendels (s. d.) nieder und zog mit seiner Gattin nach Dresden, wo er 1847 die Direktion der Liedertafel und 1848 die des neubegründeten Chorgesangvereins übernahm. Im Herbst 1850, nachdem im Frühjahr d. J. seine Oper „Genoveva“ in Leipzig zur Aufführung gelangt war, siedelte er mit seiner Familie nach Düsseldorf über, um die bisher von Hiller bekleidete städtische Musikdirektorstelle zu übernehmen. Allein ein chronisches Gehirnleiden, dessen erste Spuren sich schon 1833 gezeigt hatten, entwickelte sich jetzt in so intensiver Weise, daß er im Herbst 1853 von seiner Stellung zurücktreten mußte. Eine vom glänzendsten Erfolg gekrönte Kunstreise mit seiner Frau durch Holland war das letzte freudige Ereignis seines Lebens. Die Symptome seines Leidens steigerten sich infolge fortgesetzter anstrengender Arbeit immer mehr, und 7. Febr. 1854 stürzte er sich in den Rhein. Zwar wurde er noch lebend ans Land gebracht, allein die geistige Leuchte war für immer erloschen. In diesem Zustand verbrachte der Unglückliche noch zwei Jahre in der Heilanstalt zu Endenich bei Bonn und starb hier 29. Juli 1856.

S. darf neben Mendelssohn mit Recht als der vornehmste Repräsentant der in den 30er Jahren von der deutschen Musik eingeschlagenen romantischen Richtung gelten. An formaler Gewandtheit und Leichtigkeit der Tongestaltung hinter jenem zurückstehend, überragt er ihn dafür an Großartigkeit und Tiefe der Gedanken sowie an Innigkeit der Empfindung. Wie Mendelssohn durchaus subjektiv geartet, sollte auch S. es nicht zu einem wirklichen Bühnenerfolg bringen, wenn auch seine „Genoveva“ noch 20 Jahre nach seinem Tod bei einem gewählten Publikum Beifall erringen konnte. Selbst seine für den Konzertsaal bestimmten größern Chorwerke: „Das Paradies und die Peri“, „Der Rose Pilgerfahrt“, „Szenen aus Goethes Faust“, erreichen an dramatischer Wirksamkeit nicht die Mendelssohnschen Oratorien. Mit völliger Freiheit bewegt er sich nur auf dem Boden der Instrumentalmusik und des Liedes. Die Litteratur der erstern hat er durch eine Anzahl von Meisterwerken bereichert, welche den Beethovenschen an Gedankenreichtum und zwingender Gewalt des Ausdrucks nahestehen. Darunter 4 Symphonien (B dur, Op. 38; C dur, Op. 61; Es dur, Op. 97; D moll, Op. 120), ebenso viele Ouvertüren („Braut von Messina“, „Festouvertüre“, „Julius Cäsar“, „Hermann und Dorothea“), 3 Streichquartette (Op. 41, A moll, F dur, A dur), ein Klavierquintett (Es dur, Op. 44) und ein Klavierquartett (Es dur, Op. 47), 2 Violinsonaten (A moll, Op. 105; D moll, Op. 121); ferner Kompositionen [662] aller Formen für Soloklavier, unter denen namentlich die in knapper Fassung gehaltenen Stimmungsbilder unter dem Titel: „Novelletten“, „Kreisleriana“, „Kinderszenen“ das überschwenglich reiche Seelenleben des Künstlers widerspiegeln. Das Gleiche gilt von seinen zahlreichen Liedern („Liederkreis“, Op. 24; „Myrten“, Op. 25; „Gedichte von Rückert“, Op. 37; „Liederkreis“, Op. 39; „Frauenliebe und Leben“, Op. 42; „Dichterliebe“, Op. 48, etc.), in welchen Phantasie und Gemüt mit unbeschränkter Freiheit walten, so daß sie mit Recht zu den kostbarsten Schätzen der deutschen Vokalmusik gezählt werden. Eine kritisch revidierte Gesamtausgabe seiner Werke veranstalteten neuerlich Breitkopf und Härtel in Leipzig. Schumanns ästhetisch-kritische Schriften erschienen unter dem Titel: „Gesammelte Schriften über Musik und Musiker“ (Leipz. 1854, 4 Bde.; 3. Aufl. 1875, 2 Bde.; auch in Reclams „Universalbibliothek“, 1888–89). Biographien Schumanns schrieben J. v. Wasielewski (3. Aufl., Dresd. 1880), Reißmann (3. Aufl., Berl. 1879), Spitta (in Waldersees „Sammlung musikalischer Vorträge“, Leipz. 1882), Reimann (das. 1887) und Erler („R. Schumanns Leben, aus seinen Briefen geschildert“, Berl. 1887, 2 Bde.). Vgl. ferner: „R. Schumanns Jugendbriefe“ (hrsg. von Klara S., 2. Aufl., Leipz. 1886) und „Briefe, neue Folge“ (hrsg. von Jansen, das. 1886); Jansen, Die Davidsbündler; aus R. Schumanns Sturm- und Drangperiode (das. 1883); B. Vogel, R. Schumanns Klavierpoesie (das. 1886); Dörffel, Litterarisches Verzeichnis der im Druck erschienenen Tonwerke Schumanns (Beilage zum „Musikal. Wochenblatt“ 1870).

Seine Gattin Klara Josephine, Tochter des Klavierlehrers Friedrich Wieck (s. d.), geb. 13. Sept. 1819 zu Leipzig, erhielt seit ihrem fünften Jahr von ihrem Vater Klavierunterricht und trat 1828 zum erstenmal in einem öffentlichen Konzert auf. Durch den regen musikalischen Verkehr im Haus des Vaters entwickelten sich ihre Talente rasch, namentlich aber hatte Paganinis Auftreten in Leipzig 1829 den nachhaltigsten Einfluß auf das Kind. Als Klara elf Jahre alt war, unternahm der Vater mit ihr die erste Kunstreise nach Weimar, Kassel und Frankfurt a. M. und, von dort zurückgekehrt, eine zweite nach Paris. Der Erfolg war durchschlagend und für ihre künftige Laufbahn maßgebend. Ihre fortgesetzten technischen Übungen leitete der Vater; theoretischen Unterricht genoß sie bei dem Musikdirektor Kupsch und bei H. Dorn. Während der 30er Jahre unternahm sie wiederum größere Kunstreisen, auf denen sie unter andern Chopins Werke zuerst in Deutschland in die Öffentlichkeit einführte; dann beschloß sie den ersten Teil ihrer Künstlerlaufbahn als Klara Wieck, um sie an der Seite Schumanns und nach dessen Tod wieder allein fortzusetzen. 1863 ließ sie sich in Baden-Baden nieder, nahm später ihren Aufenthalt vorübergehend in Berlin und folgte 1878 einem Ruf an das Hochsche Konservatorium in Frankfurt a. M., an welchem sie noch gegenwärtig mit glänzendem Erfolg als Lehrerin wirkt. Auch in der Komposition versuchte sie sich mit Glück; gegen 20 ihrer Werke sind im Druck erschienen (darunter Lieder, ein Klavierkonzert, ein Klaviertrio, Präludien u. Fugen).

2) Max, preuß. Ingenieuroffizier, geb. 27. Juni 1827 zu Magdeburg, trat in die 4. Pionierabteilung ein und stand als Offizier lange Zeit in Mainz und Luxemburg. Er beschäftigte sich früh mit der Verwendung des Eisens in der Befestigungskunst und konstruierte einen gepanzerten Geschützstand und eine Minimalschartenlafette, welche günstige Resultate lieferten. Später erbaute er einen eisernen Drehturm für 2–15 cm Geschütze, der sich ebenfalls bewährte. 1872 nahm S. seinen Abschied und trat mit Grusons Panzerfabrik in Buckau in Verbindung. Schießversuche in Kummersdorf ergaben 1882 die große Widerstandsfähigkeit einer Schumannschen Panzerlafette, und 1885 u. 1886 siegte sein Panzerdrehturm in Bukarest über die Konstruktion von Mougin. Er schrieb: „Bedeutung drehbarer Geschützstände (Panzerlafetten) für eine durchgreifende Reform der permanenten Befestigung“ (2. Aufl., Potsd. 1885).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 741
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[741] Schumann, 2) Max, Ingenieuroffizier, starb 5. Sept. 1889 in Schierke. S. trat 1845 in die 3. Pionierabteilung, wurde 1848 Leutnant, 1861 Hauptmann, studierte im Auftrag des preußischen Kriegsministeriums 1863 und 1865 in England das Panzerwesen, trat 1868 in das Ingenieurkomitee, war 1871 Adjutant des Ingenieurs en chef beim Angriff auf die Südfronte von Paris, nahm 1872 als Major den Abschied und erhielt 1888 wegen seiner hervorragenden Verdienste um die Entwickelung des Panzerwesens (s. Panzerlafetten, Bd. 17) den Charakter als Oberstleutnant. Er schrieb: „Die Panzerlafetten und ihre fernere Entwickelung im Lichte der Kritik und gegenüber dem Bukarester Versuch“ (in der „Internationalen Revue“, Heft 9, Hannov. 1886).