Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Rēbus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 623
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Rēbus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 623. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:R%C4%93bus (Version vom 20.05.2021)

[623] Rēbus (Bilderrätsel), besondere Art von Rätseln, bestehend aus Bildern, die in der Absicht komponiert sind, bestimmte Wörter und Sätze durch die gleich oder ähnlich klingenden Namen der dargestellten Dinge auszudrücken, wobei als Bilder im weitern Sinn auch Zeichen und insbesondere Lautzeichen (Buchstaben) verwendbar sind. Aus dem Umstand, daß das solchergestalt nur für das Auge dargestellte Wort beim R. prinzipiell ein andres ist als das, welches durch das Gehör zum Verständnis gebracht werden soll, ergibt sich einerseits die Beziehung zum Wortspiel, anderseits der Gegensatz zu bloßer Bilderschrift nicht weniger als zu bildlicher Rede. Mit dem Witz besteht eine gewisse Gleichartigkeit, sofern wir beim R. in seiner besten Form durch die freilich nur lautliche Ähnlichkeit begrifflich ganz verschiedener Dinge in unerwarteter Gruppierung gewissermaßen überrascht werden sollen. Wie aber der Witz gesucht sehr leicht als matt und fade erkannt wird, so führt auch die Rebusmanie zur Albernheit, als welche sie schon Rabelais (gest. 1553) im „Gargantua“ geißelte. Der Name R. wird aus dem Titel einer alten Sammlung von Fastnachtschwänken: „De rebus, quae geruntur“ (etwa s. v. w. „Was so in der Welt sich ereignet“), hergeleitet. Französische Notariatsschreiber (speziell der Picardie) pflegten in jedem Jahr zur Karnevalszeit Pasquille zu fertigen, Stadtklatsch mit der Aufschrift jener Sammlung. Diese Spottschriften, welche sie in öffentlichem Aufzug vorlasen, mögen zu einem Teil aus eben nur gesprochenen Rebussen bestanden haben. Es sei übrigens auch der mehr unmittelbaren, ausschließlich aufs Sehen berechneten Rebusse gedacht, z. B. jener, bei denen das Geheimnis auf der Stellung der Wörter (über- oder untereinander) beruht, wie das bekannte:

Pir   Vent   Venir
Un   Vient   D’un

d. h. Un sou(s)pir vient sou(s)vent d’un sou(s)venir; oder andrer, bei denen eine Darstellung durch entsprechende Gruppierung unvermutet ein zweites, vom eigentlichen völlig verschiedenes Bild erzeugt, wie dies z. B. auf den sogen. Koselgulden durch Nebeneinanderstellung zweier Schilde erreicht ist. Da aber die Ähnlichkeiten der Wortklänge das ausgiebigere Rebusmaterial liefern, so haben wir in den weissagerischen Deutungen der Alten schon eine ziemliche Anzahl gesprochener Rebusse. Alexander d. Gr. belagert Tyros und sieht im Traum einen Satyr (Sátyros): „Sà Tyros“ (Dein [ist] Tyros) war die Deutung. Das bilderschriftliche Äußere erhielten die Rebusse durch ihre gleichfalls ins hohe Altertum hinaufreichende Verwendung zur Namendarstellung, wie sich Cicero gelegentlich einer Erbse (cicer) zur Bezeichnung seines Namens bediente. Auf diesem Weg erlangten die Rebusse im Mittelalter ihren Platz auf den sogen. redenden Wappen. Mehrsilbige Namen forderten schon zusammengesetzte Rebusse (z. B. im kurfürstlich sächsischen Wappen die Grafschaft Henneberg im goldenen Feld eine schwarze Henne auf grünem Hügel). Wahlsprüche in Rebussen auszudrücken, lag nun auch nicht fern. P. Marchio, Nunzius des Papstes Adrian, trug drei Diamanten in kreisförmigem Gehänge, tre diamanti in uno (circolo); er meinte damit: tre Di(i) amanti in uno, drei göttliche Personen in Einem Gott liebend. Das 16. Jahrh. zeigt in Italien und Frankreich die Rebusse in voller Blüte. Fischart will, freilich persiflierend, auch deutsche Rebusse bilden, indem er eine „lahme Tatze“ für Lamentation, eine „schäbige Kutte“ für Kalkutta nehmen läßt; aber erst Harsdörfer (gest. 1658) schreibt mit Hilfe der alten Namen der Noten Verse und erzählt, daß eine verlassene Ehefrau ihrem weit jugendlichern Gatten eines Degens Scheide sandte mit der Aufschrift: „n thut weh“, worauf dieser zur Antwort eine mit dem Wörtchen „Zu“ beschriebene Eibischwurzel (Althäe) sandte („Zu alte Eh’“). Die rebusförmige Namendarstellung aber war in Deutschland und den Niederlanden wie in England, Frankreich, Italien in Signeten, auf Schilden u. Schildern üblich. Zur Zeit des Siebenjährigen Kriegs begegnen wir den Rebussen in England sogar in politischer Thätigkeit. Neben- und nacheinander zur Ehre dienend oder zum Schimpf ersehen, bald Gottesfurcht, bald Üppigkeit bedeutend, knüpft sich an die Rebusse zugleich ein Stück Sittengeschichte, das mit lebhaftem Interesse zu erfüllen geeignet ist. Seit den 40er Jahren pflegen in Deutschland die illustrierten Journale den R. Vgl. „Rebusalmanach“ (Leipz. 1845); F. R. Hoffmann, Grundzüge einer Geschichte des Bilderrätsels (Berl. 1869); Delepierre, Essai historique et bibliographique sur les rébus (Lond. 1874).