MKL1888:Römische Mythologie

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Römische Mythologie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 930
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Römische Mythologie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 930. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:R%C3%B6mische_Mythologie (Version vom 07.11.2024)

[930] Römische Mythologie. Der älteste Götterglaube der Römer war derselbe wie der der stammverwandten Völker Italiens, der sogen. Italer (Latiner, Volsker, Folisker, Sabiner, Umbrer, Osker, Kampaner, Lukaner, Bruttier u. a.), und zwar war derselbe jedenfalls eine einfache Naturreligion, wie sie den indogermanischen Völkern in einer Zeit eigen war, wo sie Viehzucht, Acker- und Weinbau trieben und in Gehöften oder Dörfern wohnten. Im Fortschritt der Gesittung wurde dieselbe mehr ethisch und politisch. Wie die Römer aber den Griechen an Phantasie und poetischer Begabung nachstanden, so scheinen sie auch im ganzen weniger mythenbildenden Trieb als Sinn für Religiosität und Kultus besessen zu haben. So erklärt sich sowohl, daß ihre Gelehrten keine Neigung zur Sammlung der alten Sagen und Märchen besaßen, als auch, daß die nationale Mythologie bei der Berührung mit dem Griechentum von der Mythologie des letztern fast ganz überwuchert wurde. Es wurden nicht allein die heimischen Götter nach den griechischen umgebildet, sondern auch sehr viele griechische Götter und Sagen neu aufgenommen. In diesem Zustand zeigt sich uns die r. M. in der römischen Litteratur. Geringer war der von den Etruskern ausgeübte Einfluß; endlich drangen auch vorderasiatische, ägyptische und syrische Kulte und Mythen ein. Weiteres s. Römisches Reich (S. 938) und Mythologie. Die wichtigsten Quellen zur Erforschung der römischen Mythologie sind nächst den Inschriften der italischen Stämme die Fragmente der römischen Epiker Nävius und Ennius, der Annalisten, des M. Terentius Varro, die Gedichte Vergils mit dem Kommentar des Servius, die „Fasten“ (d. h. eine poetische Bearbeitung des römischen Kalenders) von Ovid, von den Historikern besonders Livius, Dionys von Halikarnassos und Plutarch, ferner des Gellius „Attische Nächte“, des Macrobius „Saturnalien“ und des Marcianus Capella „Hochzeit der Philologie und des Merkur“. Die Anregung zur Beschäftigung mit der römischen Mythologie in der neuern Zeit gab Niebuhr. Vgl. O. Müller, Die Etrusker (Bresl. 1828; neubearbeitet von W. Deecke, Stuttg. 1877); Hartung, Die Religion der Römer (Erlang. 1836); Klausen, Äneas und die Penaten (Hamb. 1839, 2 Bde.); Preller, R. M. (3. Aufl. von Jordan, Berl. 1881–83); Nissen, Das Templum, S. 105 ff. (das. 1869).