Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Quedlinburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 507508
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Quedlinburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 507–508. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Quedlinburg (Version vom 13.02.2024)

[507] Quedlinburg, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, Kreis Aschersleben, an der Bode, Knotenpunkt der Linien Wegeleben-Thale und Q.-Frohse der Preußischen Staatsbahn, 121 m ü. M., ist zum

Wappen von Quedlinburg.

Teil von betürmten Mauern umgeben und besteht aus der Alt- und Neustadt mit 4 Vorstädten. Auf einem Felsen in der Vorstadt Westendorf erhebt sich das Schloß, einst Sitz gefürsteter Äbtissinnen, die schöne, restaurierte romanische Schloßkirche (1129 geweiht) mit den Grabmälern des deutschen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde sowie der Gräfin Aurora von Königsmark und ein Zeughaus enthaltend. Außer der Schloßkirche hat Q. noch 6 evang. Kirchen (darunter die Marktkirche mit schönem Schnitzwerk) und eine kath. Kirche. Bemerkenswert ist auch das alte Rathaus mit vielen Altertümern und interessanten Gemälden. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (2 Eskadrons Kürassiere Nr. 7) auf 19,323 Seelen, meist Evangelische, welche Zucker-, Draht- und Blechwaren-, Nudel-, Papier- und Mehlwaren- und Maschinenfabrikation, Tuch- und Wollzeugweberei, Kunstglaserei und Glasmalerei etc. betreiben. Von besonderer Bedeutung sind Gartenbau, Blumenzucht und Samenhandel. Die weltberühmte Gärtnerei von Dippe bebaut allein in Q. und Umgegend über 8400 Morgen Land und beschäftigt ca. 1800 Personen. Q. hat ein Amtsgericht, eine Reichsbanknebenstelle, ein Gymnasium, eine Präparandenschule, mehrere Hospitäler etc. Im SW. das Brühlwäldchen mit einer Büste Klopstocks und dem Denkmal des Geographen Karl Ritter, die beide in Q. geboren wurden; im W. der Münzenberg, wo das ehemalige Marienkloster stand, im SO. die Sewecker Berge mit einer Kalksteinhöhle und der Gersdorfer Burg. – Q. wurde 924 vom König Heinrich I. gegründet und gegen die Magyaren befestigt. Später erhielt es seine Gemahlin Mathilde [508] als Wittum. Auch Otto I. verweilte oft daselbst. Q. kam 1237 unter die Schirmherrschaft der Grafen von Reinstein, begab sich jedoch 1326 in den Schutz des Bischofs von Halberstadt, was 1338 anerkannt wurde. Die Stadt, welche damals der Hansa beitrat, mußte 1477 die Oberhoheit von Kursachsen anerkennen. 1085 fand hier eine Synode statt, auf welcher der Bann über Heinrich IV. erneuert wurde, 1207 eine Zusammenkunft der Könige Philipp und Otto IV., durch welche wenigstens ein Waffenstillstand herbeigeführt wurde, und 1583 ein Religionsgespräch zwischen den pfälzisch-sächsisch-brandenburgischen und den braunschweigischen Theologen über die Abendmahlslehre. Vgl. „Urkundenbuch der Stadt Q.“, herausgegeben von Janicke (Halle 1873–82, 2 Tle.); Ranke und Kugler, Beschreibung und Geschichte der Schloßkirche zu Q. (Berl. 1838); Hase und v. Quast, Die Gräber in der Schloßkirche zu Q. (Quedl. 1877).

Quedlinburg, ein ehemals reichsunmittelbares Frauenstift im obersächsischen Kreis, umfaßte ein Gebiet von 110 qkm mit der Stadt Q., dem Flecken Ditfurt, mehreren Vorwerken und 15,000 Einw. Als Reichsfürstin hatte die Äbtissin Sitz und Stimme auf dem Reichstag, auf der rheinischen Prälatenbank und auf dem obersächsischen Kreistag. Das Wappen bestand aus zwei goldenen, in rotem Feld gekreuzten Kredenzmessern. Die Einkünfte betrugen 40,000 Thlr. Das Stift ward 936 im Königshof Quitlinga im Harzgau von König Heinrichs I. zweiter Gemahlin, Mathilde, gegründet, indem sie die Nonnen von Wendhausen hierher übersiedelte, und dem päpstlichen Stuhl unmittelbar unterstellt, während dem Kaiser und seiner Familie das Schutzrecht zunächst vorbehalten blieb. Zweite Äbtissin war Ottos Tochter Mathilde (966–999). Die Schirmvogtei über das Stift erkauften um die Mitte des 13. Jahrh. die Markgrafen von Brandenburg, und nach dem Erlöschen des dortigen askanischen Hauses 1320 erhielt der Kurfürst Rudolf I. von Sachsen die Vogtei zu Lehen. Nachdem jedoch die Stadt Q. sich später dem Schutz der Bischöfe von Halberstadt anvertraut hatte, suchten letztere sich auch die Vogtei über das Stift anzumaßen. Doch 1477 zwangen die Herzöge von Sachsen den Bischof Gerhard, seine Ansprüche darauf aufzugeben. 1539 fand die Reformation in Q. Eingang. Kursachsen überließ 1698 die Erbvogtei für 340,000 Thlr. an Brandenburg. Infolge des Reichsdeputationsschlusses von 1803 Preußen einverleibt, fiel das Stift nebst Gebiet durch den Tilsiter Frieden 1807 an das Königreich Westfalen, 1814 aber an Preußen zurück. Die letzte Äbtissin war seit 1787 Sophie Albertine (gest. 1829), Schwester des Königs Karl XIII. von Schweden. Vgl. Voigt, Geschichte des Stifts Q. (Leipz. 1786–91, 3 Bde.); Fritsch, Geschichte des Reichsstifts u. der Stadt Q. (Quedlinb. 1828, 2 Bde.).