Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pommern“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 215218
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Pommern. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 215–218. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pommern (Version vom 06.12.2024)

[215] Pommern (hierzu die Karte „Pommern“), preuß. Provinz, ehedem ein Herzogtum, grenzt gegen W. an Mecklenburg, gegen S. an Brandenburg, gegen O. an Westpreußen, gegen N. an die Ostsee und umfaßt 30,110 qkm (546,86 QM.). P. gehört zu den am niedrigsten gelegenen Ländern Deutschlands, jedoch ist zwischen der eigentlichen Küstenebene und dem Pommerschen Landrücken zu unterscheiden. Die Grenze der beiden Teile bildet etwa die Linie, welche von Demmin über Pasewalk und Gollnow geht. Im W. von der Oder tritt auf der Platte von Randow die liebliche Hügellandschaft bei Frauendorf (Vogelsang 130 m) hervor; an den Quellen der Rega, Persante, Drage und Küddow entwickelt sich die Pommersche Seenplatte mit dem 211 m hohen Ratzenberg im Kreis Dramburg, noch weiter östlich, an den Quellen der Grabow, Wipper etc., die Ostpommersche Platte. Hier sind der Steinberg (234 m) am Papenzinsee im Kreis Schlawe, der Burgwall bei Falkenhagen (239 m) und der Schimmritzberg (256 m) bei Plattenheim im Kreis Bütow, weiter nördlich der Pietschker Berg (183 m) im Kreise Stolp und der Dombrowaberg (210 m) am Lebathal zu erwähnen. Auf der andern Seite der Küstenebene erheben sich noch einzelne Hügelmassen, so auf Rügen die Stubbenkammer (im Königsstuhl 133 m), bei Köslin der Gollenberg (144 m), bei Schmolsin der Revekol (115 m) u. a. Der Hauptfluß der Provinz, die Oder, bildet zahlreiche Arme und bei Stettin den Dammschen See sowie das Pommersche Haff, aus dem die drei Arme Peene, Swine und Dievenow zur Ostsee abfließen. Zum Odersystem gehören noch: die Ihna, Ucker und Peene, alle drei streckenweise schiffbar. Unter den zahlreichen Küstenflüssen sind in Vorpommern einige schiffbar (Recknitz, Rykgraben), die hinterpommerschen (Rega, Persante, Wipper, Stolpe, Lupow, Leba) dagegen sowie die nach S. zur Netze gehenden Flüsse (Küddow, Drage) nur flößbar. Die Ostsee bildet an der Küste einige Busen, so bei Swinemünde die Pommersche Bucht, andre bei Rügen (s. d.). Nennenswerte Kanäle besitzt die Provinz nicht, jedoch ist sie reich an Landseen. Strandseen sind: der Leba-, Gardesche, Vietzkesche, Vitter, Bukowsche, Jamunder und Kampsee; im Tiefland sind: der Kummerowsee an der Peene, der Dammsche, Plöne- und der Madüesee. Überaus reich an Seen ist der Landrücken, von denen hier nur der Wothschwien-, Enzig-, Große Lübbe-, Dratzig-, Pielburger, Vilm- und Papenzinsee erwähnt werden. Die Küste von Hinterpommern ist auf ihrer ganzen Länge (427 km) mit Sandhügeln oder Dünen besetzt, deren Gestalt durch Stürme oft verändert wird. Von der Gesamtfläche entfallen auf Ackerland und Gärten 55,3, auf Wiesen 10,2, auf Weiden 9,2 und auf Waldungen 19,8 Proz. Die größten Ackerflächen finden sich im Regierungsbezirk Stralsund und im Tiefland (mit Ausnahme des Kreises Ukermünde) überhaupt, sodann in dem fruchtbaren Küstenstrich von Kolberg bis Stolp. Das Klima ist am mildesten in der Umgegend von Stettin und auf Rügen, rauher schon in der Küstenlandschaft in Hinterpommern. Die durchschnittliche Jahreswärme beträgt in Stettin 8,4, Putbus 7,6, Lauenburg 7,2 und Köslin 7,1° C. Die jährliche Regenmenge erreicht in Köslin 65, in Regenwalde 62, in Stettin und Putbus nur 54 cm Höhe.

Die Zahl der Bewohner in der Provinz belief sich 1885 auf 1,505,575 Seelen (darunter 1,465,477 Evangelische, 22,390 Katholiken, 4371 sonstige Christen und 13,291 Juden). Von evangelischen Sekten gibt es vorzugsweise in Hinterpommern Altlutheraner, Irvingianer, Baptisten etc. Die Katholiken wohnen meist in den größern Städten, sodann an der westpreußischen Grenze, woselbst sie noch eine Mundart der polnischen Sprache reden, während die wenigen echten Kassuben (s. d.) am Leba- und Gardeschen See (noch 300) der evangelischen Kirche angehören. Sonst wird nur die deutsche Sprache geredet. Landwirtschaft, Viehzucht und die gewöhnlichen bürgerlichen Gewerbe sowie in den Seestädten Handel, Schiffahrt und Schiffbau sind die Hauptbeschäftigungen der Bewohner. Der Großgrundbesitz beherrscht in P. (wie in Mecklenburg) die meisten Verhältnisse des Landes; ihm gehören, wenn man als Scheide zwischen Groß- und Kleingrundbesitz das Maß von 100 Hektar für ein Besitztum annimmt, 55,4 Proz. des Grundbesitzes überhaupt an, mehr als in irgend einer andern Provinz des Staats, während auf den eigentlichen Bauernstand (10–100 Hektar für ein Besitztum) nur 31,2 Proz. des gesamten Grundbesitzes, d. h. weniger als in einer andern Provinz, entfallen. Weizen wird zur Ausfuhr in den fruchtbaren Gegenden Vorpommerns und im Weizacker bei Pyritz gewonnen; sonst sind der Roggen und die Kartoffel die Hauptfeldfrüchte, letztere wird namentlich auf den großen Gütern vielfach zur Spiritusbrennerei verwendet. Gerste und Hafer decken den Bedarf. Garten- und Obstbau blühen in der Umgegend von Stettin (Stettiner Äpfel), auch im Regierungsbezirk Stralsund. Vortreffliche Wiesen gibt es im Oderthal und an der Peene. Unter den Handels- und Fabrikpflanzen sind noch zu nennen: Flachs in der Küstenebene, besonders an der Rega, Persante und Wipper; Runkelrüben zur Zuckerbereitung bei Stettin und zwischen der Oder und Rega; Tabak an der brandenburgischen Grenze im W. von der Oder; Hopfen bei Pölitz. Die Waldungen sind im Kreis Ukermünde am Haff und auf dem Landrücken am umfangreichsten; das Nadelholz herrscht vor, jedoch gibt es auch schöne Laubwaldungen. Die

[Beilage]

[Ξ]

POMMERN.
Maßstab 1 : 1 400 000.
[Nebenkarte:] UMGEBUNG VON STETTIN. Maßstab 1 : 200 000
[Datumsangabe:] I. 89

[216] Viehzählung von 1883 ergab 188,982 Pferde, 502,829 Stück Rindvieh, 2,550,502 Schafe, 444,525 Schweine und 68,226 Ziegen. Die Pferdezucht wird durch das Landgestüt zu Labes unterstützt. Umfangreich ist die Geflügelzucht, besonders in Hinterpommern (Gänse), wichtig auch die Fischerei (Aale, Lachse, Neunaugen, Heringe, Flundern). Von den Produkten des Mineralreichs ist nur der Torf von besonderer Wichtigkeit; sonst gibt es noch Kalk, Mergel, Bernstein, Schwefelkies, Raseneisenerz, Braunkohlen etc. Die Salzquellen zu Kolberg und Greifswald werden nur noch zu Solbädern benutzt; unter den übrigen Mineralquellen sind die zu Polzin nennenswert. Die Industrie ist nur in Stettin und Umgegend bedeutend, wo große Maschinenbauanstalten, Schiffswerften, chemische und Zuckerfabriken, Ziegeleien etc. vorhanden sind. Außer ähnlichen Fabriken gibt es in der Provinz noch mehrere große Fabriken für Papier, Tabak etc. und in den hinterpommerschen Walddistrikten neben Holzstofffabriken einige große Glashütten. Von großer Bedeutung ist der Handel, besonders zur See. Der Hauptsitz des pommerschen Seehandels ist Stettin (s. d.) mit dem Hafen zu Swinemünde; indessen sind auch Stralsund, Greifswald, Wolgast, Anklam, Kolberg, Stolp etc. bei demselben beteiligt. Die pommersche Reederei zählte zu Anfang 1886: 743 Seeschiffe zu 145,473 Registertonnen, von denen die meisten nach Stettin, Stralsund und Barth gehörten. Der Binnenhandel wird durch die Schiffahrt auf der Oder und einigen andern Flüssen und durch mehrere Eisenbahnen, fast sämtlich Staatsbahnen (von den Direktionen zu Berlin und Bromberg ressortierend), befördert, unter denen die Bahn Berlin-Stettin-Danzig die wichtigste ist; andre Linien sind die von Stettin nach Stralsund, von Wangerin nach Konitz, von Posen nach den hinterpommerschen Seestädten, von Berlin nach Stralsund, von Stargard nach Posen etc. Für die geistige Kultur bestehen: 1 Universität (Greifswald), 19 Gymnasien, 2 Progymnasien, 5 Realgymnasien, 4 Realprogymnasien, 2 Landwirtschaftsschulen, 7 Schullehrerseminare, eine Kriegsschule (Anklam), mehrere Gewerbe- und Navigationsschulen, 3 Taubstummen-, 2 Blindenanstalten etc. Die Provinz zerfällt in drei Regierungsbezirke: Stettin, Köslin, Stralsund, mit 13, bez. 12 und 5 Kreisen. Für das Justizwesen bestehen unter dem Oberlandesgericht zu Stettin die 5 Landgerichte zu Greifswald, Köslin, Stargard, Stettin und Stolp. Militärisch gehört die Provinz zum Bezirk des 2. Armeekorps. In den deutschen Reichstag entsendet sie 14, in das preußische Abgeordnetenhaus 26 Mitglieder. Sehr gebräuchlich ist noch die durch die Oder bewirkte Einteilung der Provinz in Vor- und Hinterpommern. Vorpommern zerfällt wiederum durch die Peene in Alt- und Neuvorpommern, von denen dieser Teil, der Regierungsbezirk Stralsund, auch Schwedisch-P. genannt wird, weil er bis 1815 zu Schweden gehörte. Das Wappen Pommerns ist ein goldbewehrter roter Greif im silbernen Felde; die Farben der Provinz sind Blau und Weiß.

Geschichte.

P. wurde in der römischen Kaiserzeit von den zum Stamm der Vandalen gehörigen Rugiern und Turcilingern bewohnt und, als diese in der Völkerwanderung neue Sitze im Süden aufsuchten, gegen Ende des 5. Jahrh. von slawischen Völkern in Besitz genommen. Sie gehörten zum Stamm der Lechen und nannten sich westlich der Oder Chizziner und Liutizen, östlich davon Pommern (Pomerani), ein Name, der zu Karls d. Gr. Zeit auftaucht und zunächst nur an dem Land haftete. Karls Vordringen bis zur Peene war ohne nachhaltige Wirkung. Ebensowenig konnte Polen, dessen Herzog Boleslaw Chrobry 995 das Land östlich der Oder unterwarf, sich auf die Dauer in diesem Besitz behaupten. Als erster Fürst in P. erscheint Swantibor I. um 1100. Nach seinem Tod (1107) fand eine Teilung des Landes unter seine vier Söhne statt, und zwar erhielten die beiden ältern das Land zwischen Peene und Persante (Slawien) mit der Hauptstadt Stettin, die beiden jüngern Pomerellen zwischen Persante und Weichsel mit der Hauptstadt Danzig. Als die Linie P.-Danzig 1295 ausstarb, fiel der westliche Teil Pomerellens an P.-Stettin; der östliche wurde von den Markgrafen von Brandenburg, welchen die Lehnshoheit über P. zustand, beansprucht, ging aber 1308 durch Kauf an den Deutschen Orden über. Wratislaw I., der Stifter der Linie P.-Stettin, ward 1124 mit einem Teil seines Volkes vom Bischof Otto von Bamberg zum Christentum bekehrt; zu Julin auf der Insel Wollin ward ein Bistum gegründet, das bald nach 1140 nach Kammin verlegt ward. Doch wurde das Heidentum erst zu Ende des 12. Jahrh. völlig ausgerottet. Wratislaws Söhne Bogislaw I. und Kasimir I. nahmen 1170 den Herzogstitel an und schlossen sich 1181 dem Deutschen Reich an, doch verlieh Kaiser Friedrich I. die Lehnshoheit über P. dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg. Die Linie P.-Demmin, die um 1136 von Kasimir I. gegründet wurde, erlosch schon 1264, und Barnim I. (gest. 1278) vereinigte noch einmal alle Lande (s. Barnim 1). Als nach dem Erlöschen der Linie P.-Danzig das westliche Pomerellen erworben worden war, teilten Barnims Söhne 1295 von neuem: Bogislaw IV. stiftete die Linie P.-Wolgast, Otto I. in den Gebieten rechts der Oder die Linie P.-Stettin.

Die Linie P.-Stettin, von Otto I. 1295 gestiftet, erwarb unter Wratislaw IV. 1320 die Ukermark. Als König Ludwig der Bayer 1323 seinem Sohn Ludwig die Mark nebst P. verlieh, kam es zu jahrelangen Fehden mit Brandenburg. 1338 entsagte dieses der Lehnshoheit und erhielt dafür die Zusage der Erbfolge; so ward P. reichsunmittelbar. Barnim III., Ottos I. Sohn, erwarb 1354 die östliche Ukermark (s. Barnim 2). 1370 entspann sich ein mit geringer Unterbrechung fast 30 Jahre währender Krieg mit Brandenburg über den Besitz mehrerer Städte der Ukermark. Swantibor III., der einzige, der von Barnims III. Söhnen 1405 noch am Leben war, wurde 1409 vom Markgrafen Jobst auch zum Statthalter der Mark Brandenburg ernannt; doch endete diese Statthalterschaft schon 1411, als Siegmund die Mark an den Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Zollern, verpfändete. Hiermit unzufrieden, verbündete sich ein Teil des brandenburgischen Adels mit Swantibors Söhnen gegen Friedrich, und auch nach Swantibors Tod (1413) ward dieser Krieg von seinen Söhnen Kasimir VI. und Otto II., welche nun gemeinschaftlich regierten, fortgesetzt. Am Kremmer Damm 1412 geschlagen, errang Friedrich von Brandenburg 1420 einen Sieg bei Angermünde. Endlich erfolgte ein Friedensschluß zu Templin (1427), der eine Heirat zwischen Joachim, Kasimirs Sohn, und einer Tochter des Kurprinzen Johann und den Verzicht Pommerns auf Prenzlau zur Folge hatte. Mit Otto III. erlosch 1464 die Linie Stettin. Die Lande derselben fielen nun an die Linie Wolgast. Die Linie P.-Wolgast hatte Bogislaw IV., den Sohn Barnims I., zum Stifter, der 1309 starb. Sein Nachfolger Wratislaw IV. schloß 1321 mit dem Fürsten [217] Witzlaw von Rügen eine Erbverbrüderung und erwarb 1325 nach dem Erlöschen dieses Hauses die Insel Rügen und das Herzogtum Barth auf dem Festland. Er hinterließ 1326, unter Vormundschaft der Herzöge von Stettin, seine Söhne Bogislaw V. und Barnim IV. als Nachfolger. Auch für P.-Wolgast ward 1338 die Anwartschaft gegen Aufhebung der Lehnshoheit den Brandenburgern zugesagt. Ein 1350 begonnener Krieg mit Mecklenburg wegen Rügen und Barth endete 1354 mit dem Frieden zu Stralsund, ein neuer wegen der Stadt Pasewalk, welche P. den Brandenburgern entrissen hatte, damit, daß nicht nur diese Stadt, sondern auch Alt- und Neu-Torgelow 1359 an P. fielen; desgleichen erhielt es 1359 nach dem Erlöschen des gräflichen Stammes von Gützkow diese Grafschaft. Einige Jahre nach Barnims Tod (1365) fand 1372 zu Stargard eine Teilung P.-Wolgasts statt, und es entstanden nun die Linien Hinterpommern (bis zur Leba, nebst Stargard) und Vorpommern (Wolgast nebst Rügen).

Die hinterpommersche Linie stiftete Bogislaw V., Barnims IV. Bruder. Ihm folgte 1374 sein ältester Sohn, Kasimir IV., starb aber schon 1377 ohne männliche Nachkommen. Sein Nachfolger in P. war sein Bruder Bogislaw VIII., vorher Bischof zu Kammin. Derselbe vergrößerte sein Land durch Bütow, Schlochau, Baldenburg, Hammerstein und Schievelbein, polnische Gebiete, die ihm als Entschädigung für die Kriegskosten wegen der dem Polenkönig Wladislaw Jagello gegen den Deutschen Orden in der Schlacht bei Tannenberg 1410 zugeführten Hilfsvölker abgetreten waren, und starb 1417. Sein Sohn und Nachfolger Bogislaw IX. wurde wegen Streitigkeiten mit dem Stift Kammin und den Hansestädten in den Bann erklärt, 1436 ward ihm jedoch in dem Vergleich von Kolberg eine Entschädigung von 20,000 Mark zugestanden. Er starb 1447, und es folgte ihm der Sohn seines Oheims Wratislaw VII., Erich I., König von Dänemark, welcher 1455 die Herrschaften Lauenburg und Bütow von Polen zu Lehen erhielt.

Die vorpommersche Linie hatte Barnims Söhne zu Stiftern. Sie teilten Vorpommern 1377 so unter sich, daß Bogislaw VI., der älteste, Wolgast, Wratislaw VI. aber die rügenschen Lande erhielt. Nach Bogislaws VI. Tod (1393) ward ganz Vorpommern unter Wratislaw wieder vereinigt. Sein Sohn und Nachfolger Barnim VI., der in fortwährendem Streit mit den Hansestädten und den Vitalienbrüdern lag, starb 1405. Seine beiden Söhne Wratislaw IX. und Barnim VII. teilten das Land; da letzterer aber 1449 ohne männliche Nachkommen starb, so vereinigte ersterer ganz Vorpommern wieder. Wratislaw stiftete 1456 die Universität Greifswald; er starb 1457, zwei Söhne, Erich II. und Wratislaw X., hinterlassend, die nun abermals teilten und zwar so, daß Wolgast an Erich, Barth mit Rügen an Wratislaw fiel. Nach Erichs I. von Hinterpommern Tod (1459) erhielt Erich II. auf Grund eines mit den Landständen geschlossenen Vertrags zu Rügenwalde auch Hinterpommern. Mit dem Erlöschen der Linie Stettin durch den Tod Ottos III. (gest. 1464) geriet P. in langwierige Streitigkeiten mit Kurbrandenburg, das als Lehnsherr Anspruch auf diese Erbschaft machte, bis es Albrecht Achilles nach kurzem Krieg im Vertrag von Prenzlau 1479 gelang, die Anerkennung der Lehnshoheit zu erzwingen. Erichs II. Nachfolger Bogislaw X. (seit 1474, s. Bogislaw 1) erwarb nach jahrelangem Kampf mit seiner Mutter Sophie sein Erbland und vergrößerte es 1478 durch den Heimfall von Barth, wo Wratislaw X. ohne Nachkommen starb. Bogislaws X. beide Söhne gründeten 1523 zwei neue Linien und zwar Georg I. die Wolgaster, Barnim XI. (s. Barnim 3) die Stettiner Linie. Sie schlossen 1529 mit Brandenburg den Vergleich zu Grimnitz, welcher Pommerns Reichsunmittelbarkeit und Brandenburgs Erbfolgerecht von neuem bestätigte. Herzog Georg I. hatte 1531 seinen Sohn Philipp I. zum Nachfolger. Barnim XI. teilte 1532 mit seinem Neffen, wobei er selbst Hinterpommern und Stettin behielt, während Philipp Vorpommern, Wolgast und Rügen erhielt; 1534 führten beide Fürsten auf dem Tag zu Treptow die Reformation ein, und Johann Bugenhagen (Pomeranus) erhielt den Auftrag, eine neue Kirchenordnung herzustellen. Das Bistum Kammin wurde 1556 faktisch erworben, indem Philipps I. ältester Sohn, Johann Friedrich, zum Bischof gewählt ward, dem bis zum Aussterben des Hauses nur pommersche Herzöge folgten. Philipp hinterließ 1560 fünf Söhne: Johann Friedrich, Bogislaw XIII., Ernst Ludwig, Barnim XII. und Kasimir IX., von denen die minderjährigen unter die Vormundschaft des Bruders ihres Großvaters, Barnims XI. von Stettin, gestellt wurden, dessen Erben sie waren. Nachdem derselbe 1569 seine Regierung niedergelegt hatte, teilten sich seine Erben auf seinen Wunsch in der Art in die pommerschen Lande, daß nur zwei Regierungen bestanden, nämlich Stettin mit Hinterpommern und Johann Friedrich als Regenten, und Wolgast mit Vorpommern und Ernst Ludwig als Landesherrn; die jüngern drei Brüder wurden mit kleinern Gebieten ohne Landeshoheit abgefunden, und Barnim XI. reservierte sich die Oberleitung bis an seinen Tod (1573). Da Johann Friedrich 1600 und sein Bruder und Nachfolger Barnim XII. 1603 ohne männliche Nachkommen starben, so war der nächste Thronfolger dem geschlossenen Erbvertrag gemäß Kasimir; doch verzichtete derselbe wegen Kränklichkeit auf die Regierung zu gunsten seines Bruders Bogislaw XIII. (gest. 1606). Dessen Sohn, der hochgebildete Philipp II., starb schon 1618. Die Regierung seines Nachfolgers und Bruders Franz (gest. 1620) ist vorzüglich durch den Hexenprozeß der Sidonia v. Bork (s. Bork) merkwürdig geworden. Ihm folgte sein Bruder Bogislaw XIV., welcher mit dem Herzog von Wolgast, Philipp Julius, den gemeinschaftlichen Landständen 1622 einen großen Freibrief ausstellte, der alle Gerechtsame der Stände bestätigte. 1623 zum Bischof von Kammin gewählt und 1625 durch den Tod Philipp Julius’ auch in den Besitz von Wolgast gelangt, war Bogislaw XIV. (s. Bogislaw 2) nun der alleinige Regent in P. Ohne sich am Dreißigjährigen Krieg beteiligt zu haben, mußte er dennoch sein Land durch die Kaiserlichen verwüstet sehen. Als der kaiserliche Oberst v. Arnim eine Kontribution von 150,000 Thlr. von Stralsund verlangte, weigerte sich die Stadt und ertrug heldenmütig die Belagerung durch Wallenstein (13. Mai bis 23. Juli 1628). Zwar wurden, nachdem Gustav Adolf 1630 an Pommerns Küste gelandet war, die Kaiserlichen aus dem Land vertrieben; doch mußte der Herzog mit den Schweden ein Bündnis schließen, dem zufolge er denselben Zutritt in alle seine Städte und Festungen gestattete und 200,000 Thlr. zahlte. Später hatte das Land von schwedischen Durchzügen und Streifereien der Kaiserlichen viel zu leiden, bis es 1636 abermals der Schauplatz des Kriegs ward. In diesen Wirren starb Bogislaw XIV. 10. (20.) März 1637, und mit ihm erlosch das pommersche Herrschergeschlecht.

[218] Obgleich dem Haus Brandenburg nach den geschlossenen Erbverträgen die Erbfolge in P. unbezweifelt zustand, so machten doch die Schweden keine Miene, es zu räumen. In den Friedensverhandlungen zu Osnabrück bestand der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm zwar auf seinen Ansprüchen auf ganz P., ward aber genötigt, gegen eine Entschädigung durch die Stifter Halberstadt, Magdeburg und Kammin Vorpommern nebst Rügen und von Hinterpommern Stettin, Garz, Damm, Gollnow, das Haff und die drei Odermündungen an Schweden abzutreten. Ein späterer Versuch von seiten des Großen Kurfürsten (1675–79), sich in den Besitz von ganz P. zu setzen, ward durch Frankreich vereitelt. Kaum aber war im Nordischen Krieg Karls XII. Stern bei Poltawa erblichen, als Friedrich Wilhelm I. von Preußen Vorpommern besetzte und 1715 Greifswald, Anklam, Wolgast und Rügen eroberte. Im Frieden zu Stockholm 1720 erhielt er Vorpommern bis zur Peene, Stettin, die Inseln Usedom und Wollin, das Haff und die Städte Damm und Gollnow sowie die Odermündungen Dievenow und Swine. Dagegen hatte er an Schweden 2 Mill. Thlr. zu zahlen und 600,000 Thlr. pommersche Schulden zu übernehmen. Schweden, dem bloß das sogen. Schwedisch-P. oder Neuvorpommern links der Peene verblieb, versuchte im Siebenjährigen Krieg vergeblich die verlornen Besitzungen in P. wiederzuerlangen. Nach dem Sturz Napoleons I. 1814 wurde der schwedische Anteil von P. gegen Norwegen von den Schweden an Dänemark abgetreten, das denselben für das von Hannover abgetretene Herzogtum Lauenburg um die Summe von 2,600,000 Thlr. an Preußen überließ. Dieses zahlte an Schweden noch 3,500,000 Thlr.

Vgl. Kantzow, Pomeriana (Chronik von P. in niederdeutscher Mundart, hrsg. von Kosegarten, Greifsw. 1819, 2 Bde.; von Böhmer, Stett. 1835); Sell, Geschichte des Herzogtums P. (bis 1648, Berl. 1819–1820, 3 Bde.); Barthold, Geschichte von Rügen und P. (Hamb. 1839–45, 5 Bde.); Fock, Rügensch-pommernsche Geschichten aus sieben Jahrhunderten (Leipz. 1861–72, 6 Bde.); Bohlen, Die Erwerbung Pommerns durch die Hohenzollern (Berl. 1865); Berghaus, Landbuch des Herzogtums P. (Anklam u. Wriezen 1862–76, 9 Bde.); Hasselbach u. Kosegarten, Codex Pomeraniae diplomaticus (Greifsw. 1862, Bd. 1); Klempin, Pommersches Urkundenbuch (Stett. 1868–88, Bd. 1–3); ferner die seit 1832 von der Gesellschaft für pommersche Geschichte u. Altertumskunde herausgegebenen „Baltischen Studien“; Petrich, Pommersche Lebens- u. Landesbilder (Hamb. 1880–84, 2 Bde.); v. d. Dollen, Streifzüge durch P. (Ankl. 1884, 12 Hefte); „Gemeinde-Lexikon für die Provinz P.“ (vom königl. Statistischen Büreau, Berl. 1888); Knoop, Volkssagen, Aberglauben etc. aus dem östlichen Hinterpommern (Posen 1885); Jahn, Volkssagen aus P. und Rügen (Stett. 1885).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 743
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[743] Pommern. Die Bevölkerung in der Provinz P. betrug nach der Volkszählung vom 1. Dez. 1890: 1,520,889 Seelen und hat seit 1885 um 15,314 Seelen oder 1,02 Proz. zugenommen. Davon kommen auf die

Reg.-Bez. Einwohner Zu- (− Ab-)nahme
Stettin 749017 20971
Köslin 563569 −3795
Stralsund 208303 −1862

Die jährliche Zunahme betrug im Durchschnitt 0,20 Proz. und war geringer als in den Zählungsperioden 1871–75 mit jährlich 0,53 und 1875–80 mit 1,04 Proz., während in den Jahren 1880–85 eine Abnahme um jährlich 0,45 Proz. stattgefunden hatte. Auf 100 männliche entfallen 104,9 weibliche Personen. Städte mit mehr als 20,000 Einw. besitzt die Provinz 5, nämlich Stettin 116,228 Einw., Stralsund 27,814, Stolp 23,862, Stargard 23,785, Greifswald 21,624 Einw.