Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pindăros“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 75
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Pindăros. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 75. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pind%C4%83ros (Version vom 25.05.2024)

[75] Pindăros (Pindar), der größte lyr. Dichter der Griechen, geb. 522 v. Chr. zu Kynoskephalä bei Theben, stammte aus dem altadligen Geschichte der Ägiden. Den ersten Unterricht in der Musik erhielt er von seinem Vater, dem Flötenspieler Daiphantos, seine weitere Ausbildung von dem Musiker Lasos von Hermione und den böotischen Dichterinnen Myrtis und Korinna. Vom 20. Jahr an bis in sein hohes Alter war er dichterisch thätig. Meist lebte er in Theben, wegen seiner Kunst und Frömmigkeit weit und breit berühmt und geehrt von freien Gemeinden und Fürsten, wie von Amyntas von Makedonien, den Aleuaden in Thessalien, Arkesilas von Kyrene, Theron von Agrigent und Hieron von Syrakus, an dessen Hof er 476–472 lebte. Als besonderer Liebling des Apollon hatte er im delphischen Tempel einen eignen Sessel und wurde zum Göttermahl der Theoxenien regelmäßig dorthin eingeladen. Die Athener erstatteten ihm nicht nur eine Geldbuße zurück, in die ihn seine Mitbürger wegen der Verherrlichung des mit Theben verfeindeten Athen genommen hatten, sondern erteilten ihm auch die Ehre der Proxenie und errichteten ihm eine eherne Bildsäule. Er starb 442 zu Argos im Theater eines sanften Todes. Sein Andenken ehrte noch Alexander d. Gr. dadurch, daß er bei Thebens Zerstörung das Haus des Dichters allein verschonte. P.’ Dichtungen, welche die alexandrinischen Gelehrten in 17 Bände teilten, bestanden in Hymnen, Päanen, Dithyramben, Parthenien, Enkomien, Hyporchemata, Threnodien, Skolien und Epinikien. Außer Bruchstücken sind uns fast vollständig nur die 4 Bände Siegeslieder (Epinikien) erhalten, welche Sieger in den großen nationalen Festspielen verherrlichen: 14 auf olympische, 12 auf pythische, 11 auf nemeische und 8 auf isthmische Sieger. Die Lieder, welche teils am Festort, teils bei der Siegesfeier in der Heimat von einem Chor gesungen wurden, verherrlichen den Sieg nicht durch eine eingehende Beschreibung, sondern aus den Verhältnissen der Heimat des Siegers; der persönlichen Stellung des letztern u. der Art seines Sieges entnimmt P. einen Hauptgedanken, den er nach kunstvollem, freilich oft durch Nebengedanken u. Einflechtung passender Mythen verdunkeltem Plan durchführt. Das kleinste wie das größte Gedicht ist ein durch wunderbare Harmonie von Inhalt und Form in sich abgeschlossenes Kunstwerk. Der Charakter der Pindarischen Muse ist Großartigkeit und Erhabenheit in Gedanken, Ausdruck und Metrum und tiefe, warme Religiosität. P.’ Wörterschatz und Dialekt beruhen auf Homerischer Grundlage, sind aber vielfach mit dorischen und äolischen Formen gemischt. Der vorherrschende Bau der Gesänge ist die Dreiteilung in Strophe, Antistrophe und Epode. Als musikalische Begleitung werden die Lyra und Phorminx, zuweilen auch die Flöte genannt. Die besten Ausgaben des P. lieferten: Böckh (Leipz. 1811–22, 2 Bde. in 4 Tln.), Dissen (Gotha 1830, 2 Bde.; 2. Aufl. von Schneidewin, unvollendet, das. 1843–47), Schneidewin (Leipz. 1865), T. Mommsen (Berl. 1864, 2 Bde.; Text, das. 1866), Bergk (Bd. 1 der „Poetae lyrici graeci“, 4. Aufl., Leipz. 1879), Christ (das. 1869); Übersetzungen: Thiersch (mit griech. Text, Leipz. 1820, 2 Bde.), Hartung (desgl., das. 1855–56, 4 Tle.), T. Mommsen (das. 1846), Donner (das. 1860), M. Schmidt (Jena 1869). Eine Ausgabe der Scholien besorgte Abel (Berl. 1884 ff.); Wörterbücher zu P. gaben Rost (Leipz. 1831–33) und Rumpel (das. 1883) heraus. Vgl. Friederichs, Pindarische Studien (Berl. 1863); Bippart, Pindars Leben, Weltanschauung und Kunst (Jena 1848); T. Mommsen, P. (Kiel 1845); L. Schmidt, Pindars Leben und Dichtung (Bonn 1862); Rauchenstein, Einleitung in Pindars Siegeslieder (Aar. 1843); Mezger, Pindars Siegeslieder erklärt (Leipz. 1880); Croiset, La poésie de Pindare et les lois du lyrisme grec (2. Aufl., Par. 1886).