Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Philologie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 10081014
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Philologie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 1008–1014. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Philologie (Version vom 02.03.2022)

[1008] Philologie (v. griech. philos, lieb, befreundet, und logos, Wort, Kunde) findet sich zuerst bei Platon und bedeutet dort die Lust zu und an wissenschaftlicher Mitteilung, wie sie in den Platonischen Dialogen hervortritt. Bald wird jedoch der Ausdruck technisch und bezeichnet wie Polymathie das Streben nach gelehrter Bildung überhaupt oder auch die gesamte zeitgenössische Bildung selbst. In diesem Sinne nannte sich Eratosthenes (um 276–194 v. Chr.) wegen seines über alle Gebiete sich verbreitenden Wissens einen Philologen, ebenso am Ausgang der römischen Republik der Grammatiker und Rhetor Atejus Prätextatus, und Martianus Capella kleidete seine durch das ganze Mittelalter eifrig gelesene Encyklopädie sämtlicher sieben freien Künste: „De nuptiis Mercurii cum philologia“ (etwa 430 v. Chr.), in die Allegorie einer Vermählung des Merkur mit der P. Mit der Wiedererweckung der Wissenschaften in Italien änderte sich die Bedeutung des Wortes. Indem das zeitgenössische Wissen zurücktrat, wurde P. der Inbegriff aller an das griechische und römische Altertum anknüpfenden Studien. Als man aber seit dem Ende des 18. Jahrh. anfing, auch das Geistesleben andrer Völker in den Kreis wissenschaftlicher Betrachtung zu ziehen, trat, indem man auch diese Aufgabe der P. zuwies, eine neue Verschiebung des Begriffs ein. Seitdem versteht man unter P. die Wissenschaft vom Geistesleben jedes Kulturvolkes, insofern dasselbe sich in Sprache und Litteratur, im Staats-, Privat- und Religionsleben, endlich in der Kunst offenbart. Man spricht daher von indischer, ägyptischer, hebräischer, germanistischer, moderner P. etc., zum Teil allerdings den Begriff der P. auf das Sprach- und Litteraturstudium beschränkend. Zum Unterschied davon nennt man die dem Geistesleben der griechischen und römischen Nation zugewendete P. die klassische; doch bezeichnet man dieselbe auch jetzt noch häufig genug als P. an und für sich. In der That bildet dieselbe eine in sich abgeschlossene Wissenschaft, die man auch klassische Altertumskunde oder Altertumswissenschaft, Humanitätsstudium (Humaniora) nennt, und sie allein ist es, der hier unsre Darstellung gilt.

Die Keime derselben finden sich bei den Griechen bereits in der voraristotelischen Zeit. Es begegnen uns dort Erörterungen über Sprache und Litteratur, über Staat und Religion, über Poesie, Beredsamkeit und andre Künste; selbst die Anfänge der Kritik zeigen sich in der Feststellung der Homerischen Dichtungen unter Solon und Peisistratos sowie in der Herstellung eines offiziellen Textes von den Werken der drei großen Tragiker durch Lykurgos (370). Die Besprechung ist freilich noch eine nebensächliche und dilettantische, aber mit Aristoteles wird sie zu einer bestimmten und berufsmäßigen Thätigkeit. Bald werden, besonders durch die Fürsorge der Ptolemäer in Alexandria und der Attaliden in Pergamon, die litterarischen Schätze in Bibliotheken gesammelt und für die Gelehrten in den Museen eine Art von Akademie begründet. Ihre Arbeiten sind teils bibliothekarischer Art, indem sie systematische Kataloge (pinakes) anfertigen, Klassifikationen (kanones) der Schriftsteller nach den verschiedenen Gebieten aufstellen, Auszüge und Inhaltsangaben zufügen, Zusammengehöriges, wie Fabeln, Sprichwörter etc., in Sammlungen vereinigen; teils dienen sie der Wort- und Sacherklärung sowie der Textesherstellung, besonders der Homerischen Gedichte, doch auch des Hesiod, der Lyriker, Dramatiker und einzelner Prosaiker, teils beziehen sie sich auf Grammatik; auch das Staats-, Privat- und Religionsleben sowie die Kunst finden Berücksichtigung, freilich mehr durch Herbeischaffung des Materials als durch systematische Verarbeitung. Man nannte diese Männer Grammatiker, und diese Benennung verblieb durch das gesamte Altertum. Die bedeutendsten derselben waren in Alexandria Zenodot von Ephesos (um 284–246 v. Chr.), Kallimachos von Kyrene (um 296–224), Eratosthenes von Kyrene (um 276–194), Apollonios von Rhodos (um 196), Aristophanes von Byzanz (um 220), Aristarchos von Samothrake (um 181–146), in Pergamon Krates von Mallos (um 210–140). In Aristarch erreicht diese P. ihren Höhepunkt. In der an ihn sich anschließenden Schule [1009] der Aristarcheer wird sein Standpunkt noch über drei Jahrhunderte gewahrt. Didymos (geb. 63 v. Chr.) sammelte mit eisernem Fleiß (daher Chalkenteros, der Mann „mit den ehernen Eingeweiden“, genannt) ihr Wissen, dadurch eine unversiegbare Quelle für die Schollen und lexikalischen Zusammenstellungen der spätern Byzantiner bildend; die Grammatik fand sogar durch Dionysios Thrax (um 100 v. Chr.), besonders aber durch Apollonios Dyskolos (um 130 n. Chr.) und dessen Sohn Älios Herodianos (um 160) ihre systematische Ausbildung. Doch beweist anderseits das unselbständige, wenn auch für uns wertvolle Anlegen lexikalischer Sammlungen, namentlich von Attizismen und Barbarismen, wie es im 2. Jahrh. n. Chr. in den Vordergrund tritt (Harpokration, Möris, Phrynichos, Pollux u. a.), das Absterben dieser P., welches denn auch im folgenden Jahrhundert eintritt.

Unter den Römern zeigte sich philologische Thätigkeit gleich in den Anfängen ihrer Litteratur, indem die Muttersprache von vornherein künstlicher Pflege bedurfte, nicht bloß bei den Schriftstellern, sondern bei den Gebildeten überhaupt, wie bei den Scipionen, Gracchen u. a. Das Objekt dieser Thätigkeit wird durch den Zutritt des römischen Altertums bedeutend erweitert; doch tritt im allgemeinen der theoretische Charakter derselben zurück. Die P. wird edukatorisch, sie soll vor allem dem praktischen Leben dienen u. wird damit vorherrschend grammatisch-rhetorisch oder, aus allen Gebieten das Nötigste auswählend, encyklopädisch. Der erste, welcher philologische Fragen im Zusammenhang litterarisch behandelte, war L. Älius Stilo aus Lanuvium (geb. um 154 v. Chr.); er war auch der erste, der in lateinischer Litteratur und Redekunst unterrichtete. Gleich sein Schüler M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) ist der bedeutendste Vertreter der römischen P. überhaupt; von seinen fast alle Gebiete derselben umfassenden Forschungen zehren die folgenden Jahrhunderte. Wir heben aus denselben hervor: Hyginus (64 v. Chr. bis 17 n. Chr.), Verrius Flaccus (unter Augustus), Asconius Pedianus (3–88 n. Chr.), Valerius Probus (unter Nero und den Flaviern), den ältern Plinius (23–79), Suetonius (um 75–160), Terentius Scaurus (unter Hadrian), Gellius (um 115–165). Allmählich kommt man immer mehr von eigner Forschung zurück und begnügt sich, die Leistungen der Vorgänger behufs Zusammenstellung von Lehrbüchern (sogen. artes) zu exzerpieren. Hierher gehören aus dem 4. Jahrh. noch Charisius, Marius Victorinus, Älius Donatus, Servius, aus dem 5. Jahrh. Martianus Capella, aus dem 6. Jahrh. Priscianus, endlich Isidorus (570–640).

Während des Mittelalters ist die P. als Wissenschaft so gut wie erloschen. Zwar wird im byzantinischen Reich unter der makedonischen (867–1056), komnenischen (1057–1185) und paläologischen Dynastie (von 1261 an) die griechische Litteratur begünstigt und als notwendige Vorbereitung für den öffentlichen Dienst betrieben; aber die großen Sammlungen von Auszügen und Wörterbüchern (Photius, gest. 891, Konstantinos Kephalas, um 950, Suidas, um 970, Zonaras, um 1070), grammatischen Arbeiten (Gregor von Korinth, um 1150, Moschopulos, um 1270, Thomas Magister, um 1320), weitschichtigen kompilierten Kommentaren (Eustathius, Tzetzes, um 1190) bringen der Wissenschaft nicht den geringsten Fortschritt. Sodann haben die Araber auf dem Gebiet der Philosophie, Medizin, Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie, Geographie die Schriften der Griechen benutzt, aber nur nach Übersetzungen, so daß auch durch sie die P. keine Bereicherung erfahren hat. Im christlichen Westeuropa endlich bleibt zwar die lateinische Sprache im Dienste der Kirche und Höfe bestehen, auch werden noch neben den Schriften der Kirchenväter und den Kompendien aus dem 5. und 6. Jahrh., auf welchen der Unterricht in den sogen. freien Künsten beruht, einige wenige Erzeugnisse der klassischen lateinischen Litteratur gelesen, doch die Wissenschaft war ausschließlich philosophisch-theologisch, und man muß es den Klöstern Dank wissen, daß die Hauptwerke der lateinischen Litteratur uns überhaupt erhalten sind. Die wenigen Kenner des Griechischen wurden als ein Wunder angestaunt.

Die Möglichkeit eines Wiederauflebens der P. wurde erst dann erreicht, als außer den Geistlichen auch die Laien sich dem Studium des Altertums zuwandten, zunächst im Interesse der Medizin und des Rechts, sodann auch der Philosophie, Poesie und Beredsamkeit. Dem Land, welches in ununterbrochener Tradition die Spuren des römischen Altertums in Sprache und Sitten bewahrt hatte, Italien, fiel die Aufgabe zu, die klassischen Studien neu zu beleben, als ein lebhaftes Interesse dafür nicht bloß an den neuentstandenen Universitäten, sondern auch unter den höhern Ständen überhaupt im 14. Jahrh. erwacht war. Den ersten Anstoß zu diesem Wiederaufblühen der Wissenschaften (Renaissance) gaben Francesco Petrarca (1304–74) und Giovanni Boccaccio (1313–75), welche sich zunächst nur der römischen Litteratur zuwendeten (die Anfänge des Griechischen durch Baarlamo und Leonzio Pilato sind geringfügig) und ihre Freude in dem Sammeln von Handschriften, ihren Stolz in der Nachahmung der schriftlichen Darstellung fanden. Die Schätze der alten Litteratur sollten zur Grundlage einer neuen Bildung gemacht werden, und schon Giovanni da Ravenna (gest. 1420) verwertete sie für den Unterricht. Weil aber diese neue, von dem Christentum und der Kirche unabhängige, nur aus dem Altertum geschöpfte Anschauung der Lebensaufgaben sich als die allgemein menschliche erkannte, gab sie sich den Namen Humanismus, und ihre Vertreter hießen Humanisten. Allgemeiner noch ist bei den scholastischen Gegnern dieser neuen Bildung für ihre Vertreter der Name Poeten, weil sie in der Ausübung lateinischer Poesie ihren Ruhm suchten und fanden. Petrarcas glanzvolle Dichterkrönung erfolgte nur als Anerkennung seiner lateinischen Dichtungen. Es im Lateinisch-Reden und -Schreiben den Alten gleichzuthun, galt als die höchste Aufgabe, der selbst die Diplomaten, welche damals noch nicht schrieben, sondern sprachen (oratores), die Staatssekretäre der Fürsten und Republiken, die apostolischen Schreiber der römischen Kurie zu genügen eifrigst bemüht waren.

Die Beschäftigung mit der römischen Litteratur mußte die Aufmerksamkeit auf die griechische lenken. Petrarca ermangelte dieser Kenntnis, bei Boccaccio war sie dürftig; aber zu den wenigen Griechen aus Unteritalien kamen bald andre aus Griechenland selbst, oder strebsame Italiener (Guarino und Filelfo) holten von dort ihre Kenntnisse und außerdem griechische Handschriften. Es ist herkömmlich, diese Pflege griechischer Litteratur mit der Eroberung Konstantinopels (1453) in Verbindung zu setzen, durch welche eine Anzahl griechischer Gelehrten gezwungen wurde, in Italien eine Zuflucht zu suchen und als Lehrer und Abschreiber zu wirken. Allein schon vorher hatten Griechen in Italien gelehrt, wie seit 1396 Chrysoloras, Gemistos Plethon, Th. Gaza, und das Konzil von Ferrara (1438) hatte besonders Geistliche dorthin [1010] geführt, welche für die alte Philosophie begeisterten und den leidenschaftlichen Streit über die Vorzüge des Platon oder des Aristoteles hervorriefen. Florenz und die Mediceer wurden der Mittelpunkt der humanistischen Bewegung, daneben Neapel und der Hof des Königs Alfons, Mailand und die Visconti und Sforza. Mantua und die Gonzaga, Ferrara und die Este, sogar die Kurie unter Papst Nikolaus V. (1447–55) und besonders unter Leo X. traten thätig hinzu, während die Republik Venedig mit ihren reichen Mitteln und Genua weniger thaten. Charakteristisch für diese Humanisten des 15. Jahrh. ist, daß sie lehrend von Ort zu Ort ziehen und einer für längere Zeit festen Anstellung entbehren, daß sie sich trotz mancher verwerflicher Eigenschaften der höchsten Verehrung bei ihren Zeitgenossen erfreuen, und daß sie selbst im Besitz kirchlicher Ämter Gleichgültigkeit gegen das Christentum zeigen. Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst, die sich in Italien seit 1464 rasch verbreitete, wurden die klassischen Schriftsteller leichter zugänglich (die Griechen zunächst nur in lateinischen Übersetzungen); ja, als die gelehrten Buchdrucker, die Manutius (bis 1597) in Venedig und die Giunta, seit 1480 daselbst, nachher in Florenz und Lyon, sogar ein handlicheres Oktavformat und saubere Lettern für ihre Ausgaben wählten, war die Benutzung derselben auch in den Schulen erleichtert, zumal die Preise keineswegs hoch waren. Mit der Herausgabe der alten Klassiker war die Notwendigkeit der Kritik des Textes, die Sammlung und Würdigung des handschriftlichen Apparats, die methodische Handhabung bei der Herstellung geboten; aber darin haben die Humanisten wenig geleistet, weil ihnen der Besitz der alten Schätze, gleichviel in welcher Gestalt, viel höher stand und die Bemühungen um die Reinheit und Eleganz lateinischer Darstellung überwogen. Auch fehlte es nicht an solchen, welche bereits auf Inschriften, Münzen, Gemmen, auf die erhaltenen Reste der Baukunst ihre Aufmerksamkeit richteten, wie Ciriaco aus Ancona (gestorben vor 1457) und Fra Giocondo aus Verona (geb. 1435), Franc. Poggio (1380–1459) und zahlreiche Dilettanten. Am meisten Beachtung verdienen: Leon. Bruni aus Arezzo (1369–1444), der Kamaldulenser Ambrogio Traversari (1386–1439), Franc. Filelfo (1398 bis 1481), Lorenzo della Valle (1407–57), der bereits Kritik nicht bloß bei der lateinischen Grammatik, sondern auch an dem Neuen Testament und an der Schenkungsurkunde Konstantins anwandte; als Lehrer Guarino von Verona (1370–1460), Vittorino von Feltre (um 1379–1447) und Pomponio Leto in Rom (1425–98) und als pädagogische Schriftsteller Pier Paolo Vergerio (1349–1428) und Maffeo Vegio (1406–58). Die Anfänge einer wirklich philologischen Thätigkeit bieten die „Miscellanea“ des Angelus Politianus (Angiolo de’ Ambrosini aus Montepulciano, 1454–94); er fand auch unter seinen Landsleuten eifrige Nachfolger, wie Pietro Vettori (1499–1584) für Kritik und Erklärung, Carlo Sigonio (1524 bis 1584) für antiquarische und geschichtliche Forschungen, sowie an den nach Rom übergesiedelten Ausländern, dem Franzosen Marc Antoine Muret (1526–1585), den Spaniern Don Antonio Agustin (1517–1586) und Pedro Chacon (Ciacconius, 1525–81) und dem Portugiesen Achille Estaço (Statius, 1524–81).

Während nicht bloß die Jugend, sondern auch gereifte Männer aus allen Ländern nach Italien zogen, um an der Quelle die neue Wissenschaft zu schöpfen, nahm dieselbe doch in den verschiedenen Ländern eine verschiedene Gestalt an; nur in dem einen stimmte sie überein, daß die heutige Sonderung zwischen Philologen einerseits und Theologen, Juristen, Medizinern, Philosophen, Historikern anderseits an den bedeutendsten Männern sich nicht durchführen läßt, und daß alle einen scharfen Gegensatz gegen die alte scholastische Latinität bilden. Daraus entwickelt sich für die P. der Begriff der Polyhistorie, die anfangs auf dem Grunde der klassischen Litteratur alle Wissenschaften umfaßt, weil man sie zur gründlichen Verbesserung u. Erklärung der Schriftsteller brauchte, dann als ein Teil der Polymathie etwa nur die mathematischen Disziplinen ausschließt; daneben geht im engsten Umfang die Sprachwissenschaft, welche in ihrer Anwendung auf die biblischen Schriften die philologia sacra ausmacht. Die Richtung auf Polyhistorie zeigt sich zunächst in Frankreich, wo bis zu der Zeit Ludwigs XIV. Männer aus den verschiedensten Berufskreisen sich an den philologischen Studien beteiligten, fast alle ausgezeichnet durch große Gelehrsamkeit. Zunächst sind es die Juristen, welche durch die Anwendung philologischer Exegese und durch Benutzung der erweiterten Kenntnis des römischen Altertums das römische Recht aus den Quellen herstellten und damit auch dem Verständnis der Schriftsteller großen Gewinn brachten, wie Guillaume Budé (1467–1540), Jacq. Cujas (1522–90), Franç. Hotman (1524–90), Barnabé Brisson (1531–91), Pierre Daniel (1530–1603), Pierre Pithou (1539–1596). Die enge Verbindung der P. mit der Jurisprudenz wurde die Grundlage der wahren Methode für beide Disziplinen; sie wurde in der Kritik und Erklärung sicher und scharf gehandhabt von Adrien Turnébe (1512–65), Denis Lambin (1520–72) und dem gelehrtesten Sprößling einer gelehrten Buchdruckerfamilie, Henri Estienne (Stephanus, 1528–1598), dem neben der Ausgabe zahlreicher Schriftsteller sein „Thesaurus graecae linguae“ ein dauerndes Andenken sichert. Auch fehlte es außerdem nicht an guten Kritikern, gründlichen Historikern und fleißigen Antiquaren; unter den Jesuiten sind Sirmond (1559–1651) und Petau (1583–1652) nicht zu vergessen. Aber die religiösen Streitigkeiten und Verfolgungen haben die ausgezeichnetsten Hugenotten veranlaßt, das Land zu verlassen, und die philologischen Studien schwer geschädigt. Isaac Casaubon (1559–1614) ging nach England, Jos. Just. Scaliger (1540–1609), der bedeutendste von allen, 1593 nach Leiden, ebendahin Claude de Saumaise (Salmasius, 1588–1653).

Was in den Niederlanden für diese Wissenschaft bis zu dem Ende des 16. Jahrh. geschehen ist, gehört Deutschland an. Erst als in der kleinen Republik Holland die Stadt Leiden als Lohn für ihre Tapferkeit 1575 eine Universität erhalten hatte und Scaliger 1593 dahin berufen worden war, begann von dort aus eine neue Blüte der P., die auch an den Universitäten zu Franeker, Groningen, Utrecht, Harderwijk und an einigen Athenäen sowie durch tüchtige Schulmänner und Buchdrucker (Plantin, die Elzevire, Wetstein) eifrige Pflege fand. Scaliger beherrschte alle Gebiete dieser Wissenschaft und eröffnete ihr neue Bahnen, wie für die Chronologie, für die geschichtliche Auffassung der lateinischen Sprache; er wußte mit Schärfe und Klarheit das Altertum, in genialster Weise nachschaffend, in seiner Totalität wiederzugewinnen. Nach seinem Plan sammelte Jan Gruytere den „Thesaurus inscriptionum latinarum“ (1601). Auch hier fehlt es nicht an Sammlerfleiß, wie bei Jan de Meurs (1579–1639), Gerh. Joh. Vossius (1577–1649), ebensowenig an der Pflege [1011] lateinischer Dichtung; aber im ganzen tritt die Kritik und Erklärung lateinischer Schriftsteller in den Vordergrund (Hugo Grotius, 1583–1645, wendete die Gesetze echter Interpretation zuerst auf die Bibel an), wie bei Joest Lips (1547–1606), den beiden Heinsius (Daniel 1581–1655 und Nikolaas 1620–81) und bei den aus Deutschland eingewanderten J. Fr. Gronov (1611–71) und J. G. Gräfe (1632–1703), und nur wenige denken an Geographie, wie Klüwer aus Danzig, oder an Geschichte, wie Jacob Vorbroek (Perizonius, 1651–1715); ja, die Antiquitäten wurden rein äußerlich in weitschichtigen Sammelwerken beachtet. Dieser Sammlerfleiß zeigte sich dann auch in den gewaltigen Bänden der Ausgaben „cum notis variorum“, unter deren Herausgebern die beiden Burman obenan stehen. Für das Griechische wurde zunächst von den Holländern wenig gethan; erst Tib. Hemsterhuis (1685–1766) verschaffte ihm gleiche Berechtigung, und ihm folgt eine große Anzahl tüchtiger Gräzisten, wie L. C. Valckenaer (1715–85), Dav. Ruhnken (1723–98), Dan. Wyttenbach (1746–1820), van Heusde (1778–1859) bis zu den noch lebenden Cobet und van Herwerden. Neben ihnen dürfen die Latinisten Hofman-Peerlkamp (1786–1865), J. Bake (1787–1864), Pluygers, Naber, Du Rieu nicht vergessen werden. Alle halten in nationalem Selbstgefühl die Traditionen ihrer großen Vorgänger bei der Kritik und Erklärung der Schriftsteller fest und versteigen sich nicht auf andre Gebiete der Altertumswissenschaft.

Seit dem Anfang des 18. Jahrh. ward auf die neue britische Richtung der Holländer von England aus der nachhaltigste Einfluß geübt. Zwar hatte es dort seit dem 16. Jahrh. nicht an Männern gefehlt, die, in Italien selbst gebildet, philologische Studien getrieben und auf den Universitäten und in großartigen Schulstiftungen eingeführt hatten (John Colet, Thomas Linacre, Rich. Crook); aber die schweren politischen und kirchlichen Kämpfe gestatteten denselben doch wenig Raum. Der kühne und geniale Richard Bentley (1662–1742), der es an Gelehrsamkeit mit seinen Zeitgenossen aufnahm, übertraf dieselben an Scharfsinn und durch strengere Methode. Sprache, Metrik, Fragen der Litteraturgeschichte behandelte er gleich eindringend, und in der Herstellung der Texte fand er nicht bloß die Fehler, sondern heilte sie auch mit seltener Divinationsgabe. Noch immer gilt er als princeps criticorum, und mehrere seiner Schriften sind als epochemachend zu betrachten. Eine Schule hat er nicht gebildet; aber sein Beispiel wirkte zunächst bei seinen Landsleuten, welche dieselbe kritische Richtung festhielten, wie Jer. Markland (1693 bis 1776), John Taylor (1703–66), Rich. Dawes (1708–66), John Toup (1713–85), Thomas Tyrwhitt (1730–86), Sam. Musgrave (1739–1780). Dem großen Meister am Anfang des Jahrhunderts steht am Ausgang desselben Rich. Porson (1759–1808) sehr nahe, der bei seinen Schülern und Anhängern die Pflege der griechischen Litteratur, besonders der szenischen Dichter, weckte und bei ihnen in Metrik und Sprache als unfehlbare Autorität galt. Peter Elmsley, Peter Paul Dobree, Thomas Gaisford, Blomfield, Monk, Paley, Blackie, Blaydes u. a. können hier angeführt werden. Die Verhältnisse des Landes veranlaßten die Reisen in die klassischen Länder (Stuart und Revelt, Chandler, Dodwell, Leake, Fellows) sowie die dilettantische Lust an dem Sammeln von Werken alter Kunst (Hamilton) und deren Aufstapelung in dem Britischen Museum (Newton); dieselben befähigten auch wie nirgends zur Behandlung der alten Geschichte (Gibbon, Grote, Thom. Arnold, Thirlwall, Lewis). Dagegen hat man erst in der neuesten Zeit angefangen, sich der kritischen Behandlung der römischen Schriftsteller mehr zuzuwenden (Connington, Munro, Ellis).

In Deutschland dauerte es lange, bis sich der Humanismus Bahn brach. Italiener kamen dorthin an die Universitäten, wie Publicius in Erfurt; Deutsche, wie Peter Luder, zogen von Universität zu Universität. Obgleich Äneas Sylvius und Antonio Campano an der Befähigung unsrer Landsleute zweifelten, fanden diese Studien doch einen guten Boden vor. Das war das Verdienst der in Norddeutschland bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. entstandenen Genossenschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben, die einen lebendigen Eifer für die Bildung der Jugend und des Volkes überhaupt bethätigte. Der Stifter Geert Groot (1340–84) sah nur die Anfänge; aber die rasche Entwickelung der Fraterhäuser von Deventer aus in den Niederlanden, weiter in Norddeutschland bis Rostock und Kulm brachte auch den höhern Unterricht in die Hände der Brüder. Es ist zunächst eine theologisierende Richtung, auf die R. Agricola (Huysman), der selbst in Italien gewesen war und dann an verschiedenen Orten ohne eigentliches Lehramt lebte, Einfluß übte, indem er zugleich auf die Einrichtung von Schulen hinwirkte. Deventer unter Alexander Hegius (gest. 1498) erzog die Männer, die unter Rud. v. Langens Leitung die Münstersche Humanistenschule bildeten. Aber es galt zunächst, die mittelalterlichen Lehrbücher zu beseitigen und neue zu schaffen. Den Reigen führt der große Gelehrte, welcher allen zivilisierten Ländern gleichmäßig angehört und durch Ermunterung und Schriften die klassische Bildung für die Gelehrten wie für den Unterricht überall hingetragen hat, Desiderius Erasmus (1467–1536). Joh. Reuchlin (1455–1522) ward der Mittelpunkt für die neuen Bestrebungen in Württemberg, der erste Lehrer im Griechischen und im Hebräischen, um den sich in dem Kampf gegen die Kölner Obskuranten alle erleuchteten deutschen Männer scharten. Konrad Celtes (Pickel, 1459–1508) wanderte als fahrender Humanist von Ort zu Ort, auch nach Italien, und vereinigte die Freunde seiner Wissenschaft in verschiedenen sodalitates litterariae, z. B. in der Weichselgegend, an der Donau und vornehmlich am Mittel- und Oberrhein. Dort hatte Dringenberg, ein Zögling der Hieronymianer, die Schule in Schlettstadt zur Blüte gebracht, und sein bester Schüler, J. Wimpheling (1450–1528), sorgte durch Unterricht und Lehrbücher für weite Kreise. In Basel, Straßburg, Tübingen, Heidelberg, Ingolstadt, Wien, Erfurt finden sich Humanisten; Leipzig, Rostock und Greifswald waren noch in den Banden des Scholastizismus. Im Süden ersetzte man am fleißigsten die alten Lehrbücher durch neue; Württemberg allein hat eine ganze Reihe von Verfassern lateinischer Grammatiken aufzuweisen, im Norden und Westen Cäsarius, Murmellius und die feurigen Apostel der neuen Lehre, Herm. von dem Busche und Mosellanus (Schade). Aber auch an wirklichen Philologen, wie Gelenius, Rhenanus, Grynäus, fehlte es nicht; andre waren Sammler und Bearbeiter zugleich, wie Konrad Peutinger und Apianus (Bienewitz). Seit der Reformation wurde der Einfluß der klassischen P. zunächst darin sichtbar, daß man dieselbe für die Theologie verwertete und im Dienste der Kirche zahlreiche Schulen und Universitäten gründete. Freilich herrschte in diesen Schulen die zum Teil, besonders in Sachsen und Württemberg, [1012] aus den eingezogenen Klöstern hervorgingen, das Latein vor, welches durch künstliche Nachbildung praktisch sich anzueignen die vorzüglichste Aufgabe war. Ph. Melanchthon (1497–1560) hat in seinen Einrichtungen das Muster fast für Jahrhunderte und in Straßburg Johann Sturm (1507–89) für den Südwesten in gleicher, aber schon weniger auf die Kirche beschränkter Weise gegeben. Ausgezeichnete Schulmänner finden wir auch im Dienste der Wissenschaft, wie Joach. Camerarius (1500–1574), Jak. Micyllus (Moltzer), G. Fabricius (Goldschmied), Hieron. Wolf, Mich. Neander, Wilh. Xylander (Holtzmann), L. Rhodomann bis auf Nikodemus Frischlin (1547–90), der auch in seinem Lebensgang vielfach an die italienischen Humanisten erinnert. Neben ihnen nehmen die gelehrten Buchdrucker, besonders in Basel (Amerbach, Froben, Cratander), Frankfurt (Wechel) und Heidelberg (Commelin), und die Korrektoren ihrer Druckereien (Fr. Sylburg, Dav. Höschel) einen ehrenvollen Platz ein. Das überhandnehmende Interesse für die theologischen Zänkereien, der furchtbare Dreißigjährige Krieg drängten die klassischen Studien zurück, obwohl in den festen Schuleinrichtungen sich einiges erhielt und auch der Gegensatz zu den Jesuiten, welche Sturms Ansichten besonders in betreff der Alleinherrschaft des Lateins dem Charakter der Zeit gemäß klug benutzt hatten, zur Aufmerksamkeit nötigte. Außer mancherlei Versuchen für die Verbesserung der Schulpraxis haben die Gelehrten an der Polyhistorie festgehalten oder im Gegensatz dazu die Sprachwissenschaft allein betont in der Ausdehnung, daß sie durch die Grammatik das Verständnis, durch Rhetorik und Poetik die Imitation der Darstellung, durch Hermeneutik und Kritik die praktische Anwendung jener Disziplinen auf die Litteratur umfassen sollte. Das Griechische wurde sehr vernachlässigt und fand erst durch Gesner wieder eine anfangs sehr spärliche Pflege. Die lateinische Stilistik trat mehr zurück, seitdem die Diplomatie allmählich aufhörte, sich der lateinischen Sprache zu bedienen, und die Universitäten die Muttersprache anwendeten. Auch die Auffassung der P. als Kritik, besonders bei den Holländern, oder als Historie, wie bei Heyne und Heeren, blieb eng und unklar. Als Polyhistoren müssen die gelehrten Sammler gelten, wie J. Alb. Fabricius (1668–1736), vor ihm Kasp. v. Barth, Thomas Reines, nach ihm die aus der Schule hervorgegangenen akademischen Lehrer Christoph Cellarius (1638–1707), Joh. Matth. Gesner (1691–1761) und J. A. Ernesti (1707–81), neben welchen J. Jak. Reiske (1716–74) und Fr. Wolfg. Reiz (1733–90) mehr unter dem Einfluß der kritischen Schule der Niederländer standen. Als der letzte Vertreter dieser Polymathie steht Chr. Dan. Beck (1757–1832) in Leipzig da.

Das Aufblühen der nationalen Litteratur, zunächst herbeigeführt durch den Anschluß an das Altertum (Klopstock und Lessing, Wieland, Herder und Voß), erweckte den Sinn für das Schöne; J. J. Winckelmann (1717–68) wurde der begeisterte Erklärer antiker Kunst und versuchte sich zuerst (schwache Vorgänge bei Christ) nicht bloß in der geschichtlichen Entwickelung derselben, sondern auch in ihrer kritischen Würdigung. Die von Lessing gegebene Theorie für Kunst und Poesie kam der P. ebensosehr wie der Dichtkunst zu gute. Auch die Philosophie begann eine mächtige Wirksamkeit zu entfalten, und die politische Bewegung (Nordamerika, französische Revolution) ließ die alte Geschichte in einem ganz neuen Licht erscheinen. Manches davon hat Chr. Gottl. Heyne (1729–1812) in Göttingen mit Talent verwertet für die ästhetische Erklärung der Schriftsteller, für mythologische, antiquarische und kulturhistorische Forschungen (nur in der Grammatik und Kritik tritt er zurück); ja, er wünschte bereits für die P. und Ästhetik an den Universitäten eine besondere Fakultät, die das Altertum als ein Ganzes umfassen sollte. Unter seinen Schülern ist Fr. Jacobs (1764–1847) der bedeutendste; Mitscherlich (1760–1854) und Dissen (1784–1837) sind außerdem zu erwähnen; auch Joh. Gottl. Schneider (1750–1822), Aug. Matthiä (1769–1835), G. Friedr. Grotefend (1775 bis 1853) sind in Göttingen gebildet worden.

Das philologische Studium gleichsam zu emanzipieren von der dienstbaren Beziehung zu andern Wissenschaften, alle Verflüchtigung in Polyhistorie, alle Bevorzugung formaler Fertigkeiten zu beseitigen und ihr eine klar bestimmte, praktische Aufgabe und damit eine selbständige Stellung gegeben zu haben, ist das Verdienst von Fr. A. Wolf (1759–1824), und man kann dies von dem Tag an rechnen, an welchem er in Göttingen darauf bestand, als studiosus philologiae inskribiert zu werden. Die Kenntnis der altertümlichen Menschheit wurde das Ziel dieser Altertumswissenschaft; das Leben des klassischen Altertums sollte reproduziert werden. Die 24 Disziplinen, deren lange Reihe nach Wolf das Gebiet der P. darstellen soll, sind freilich weder durch ein geistiges Band verbunden, noch auf natürliche Weise aus ihrem Mittelpunkt, dem klassischen Altertum, hervorgegangen. Aber Wolf hat nicht bloß, durch einen glücklichen Instinkt geleitet, einzelne Disziplinen viel besser behandelt, z. B. die Litteraturgeschichte, sondern auch durch seine kritische Methode, namentlich bei den Untersuchungen über die Entstehung der Homerischen Gedichte (1795), ein unübertreffliches Muster für andre Wissenschaften gegeben. Nicht minder hoch ist sein Einfluß als Lehrer in Halle (bis 1806) anzuschlagen, denn seinen Schülern ist die rasche Entwickelung der Gymnasialstudien in Preußen und anderwärts zu danken, und dabei maßgebende Männer, wie W. v. Humboldt und Süvern, benutzten seinen Rat. Die Sprache behandelte Wolf nur als ein Organ, das den Realien gegenüber eine untergeordnete Stelle einnahm, und deshalb wurden Grammatik, Kritik und Hermeneutik nur als Hilfswissenschaften betrachtet. Dadurch trat die Ansicht, welche die P. als Sprachwissenschaft allein auffaßte, in Gegensatz zu Wolf, doch mehr zu dessen Schülern als zu dem Meister selbst. Gottfr. Hermann (1772–1848) hat keine vollständige Darstellung seines Systems gegeben, aber er beschränkte sich wesentlich auf Kritik und Grammatik. Genial wie Bentley, fein und scharf, begründete er die rationale Auffassung der Grammatik nach Kantschen Prinzipien, schuf die Metrik, leistete Glänzendes in der Kritik und wurde der Gründer einer Schule, in der auch des Lehrers edle Persönlichkeit wirkte. Seine Schüler, hauptsächlich der griechischen Litteratur zugewendet, sind: Chr. A. Lobeck (1781–1860), der in Königsberg eine durch K. Lehrs fortgesetzte eigne Schule bildete, A. Seidler in Halle (1779–1851), Fr. Thiersch (1784–1860), der in Bayern die Gründung dieser Studien besonders gefördert und ihre Blüte an den Universitäten (Döderlein, Nägelsbach, Halm, Urlichs, Christ, Bursian) gesichert hat, Fr. Passow, A. Ferd. Näke, K. Fr. Hermann (1804–55), A. Meineke, K. Reisig (1792–1829), Fr. Poppo, die Gebrüder Dindorf, Westermann, Sauppe, Bergk, Nipperdey, M. Haupt (1808–74), der dann in Verbindung mit K. Lachmann [1013] (1793–1851) diese philologische Methode auch auf die germanischen Studien anwandte. Kurze Zeit war auch Fr. Ritschl (1806–76) Hermanns Zuhörer gewesen, hatte sich aber dann nach Halle gewendet, wo K. Reisig leider nur zu kurze Zeit durch Anregung eine Anzahl tüchtiger Philologen (Fr. Haase) gebildet hat. Ihm ist die Richtung auf die historische Entwickelung der lateinischen Sprache, die genaue Feststellung ihrer Metrik und die diplomatische Kritik des Plautus als Muster für ähnliche Behandlung zu verdanken.

Der feindliche Gegensatz zwischen realer und verbaler P. hat sich eine Zeitlang zwischen den Schülern Hermanns und A. Böckhs (1785–1867) mit Unrecht gezeigt. Denn obgleich bei letzterm nicht jene Beschränkung auf die Werke antiker Litteratur sich geltend machte und er das Altertum in seiner zusammenhängenden Entwickelung nach allen Richtungen menschlicher Thätigkeit auffaßte, so wurde dabei doch die kritische Thätigkeit nicht vernachlässigt. Die neugegründete Universität Berlin ward für einige Zeit der Mittelpunkt. Neben Wolf, Imm. Bekker (1785–1871) und Böckh lehrten Buttmann (1764–1829) und Heindorf, später auch Bernhardy und Zumpt daselbst; auf neue Bahnen lenkten B. G. Niebuhr (1776–1831), indem er an der römischen Geschichte die verschiedene Natur der geschichtlichen Überlieferung und der Sagenbildung nachwies, Fr. Schleiermacher (1768–1834), der Theolog, der die Philosophie der Griechen geschichtlich und dialektisch entwickelte, Fr. K. v. Savigny (1779–1861), der, Jurist und Meister der historischen Schule, nicht nur selbst zur Kenntnis des römischen Altertums beitrug, sondern auch seine Schüler (Dirksen, Bethmann-Hollweg, Bluhme, Huschke, Böcking, Puchta) dazu anleitete. Von Berlin aus hat sich dann die Epigraphik ganz neu gestaltet, und der dortigen Akademie gebührt das Verdienst der kritischen Sammlung sowohl der griechischen (Böckh, Kirchhoff) als der lateinischen Inschriften (Theodor Mommsen) und der Heranbildung gut geschulter Jünger. In Berlin hat man auch neuerdings die Reisen in die klassischen Länder unterstützt, und die ergebnisreichen Ausgrabungen in Rom, Olympia und Pergamon gingen vom Deutschen Reich aus. Nicht minder haben die archäologischen Studien an Umfang gewonnen. Die alte Kunst als ein wesentliches Glied in dem Leben der klassischen Völker zu betrachten und für die Behandlung ihrer Werke dieselbe strenge Methode wie bei den Schriftwerken anzuwenden, haben Fr. G. Welcker (1784–1868), Ed. Gerhard (1795–1867), Otfried Müller (1797–1840), Fr. Thiersch (1784–1860) und O. Jahn (1813–69) mit Erfolg versucht. Die Archäologie hat auf allen Universitäten ihre besondern Lehrer und angemessene Lehrmittel; in ihrem Interesse ist das Institut für archäologische Korrespondenz in Rom durch eine gleiche Anstalt in Athen erweitert, und beide sind zu einer förmlichen Schule geworden. Am meisten schwankt man in der Mythologie, denn K. A. Böttiger, G. Fr. Creuzer (1771–1858), Welcker, Gerhard, Otfr. Müller, Preller (1809 bis 1861), Forchhammer bezeichnen ganz verschiedene Richtungen. J. H. Voß drang auf eine chronologische Ordnung der Zeugnisse schon aus Widerspruch gegen die verworrenen Sammlungen der Heynianer; Creuzer suchte in gewissen allgemeinen Grundvorstellungen aller Sagen einen Grundstock ursprünglicher Offenbarung nachzuweisen; Welcker hat den Anfang gemacht, alle Elemente in dem Charakter des Volkes und der es umgebenden Natur zu erfassen und dadurch der Entwickelung der Sage zu folgen. Es ist unmöglich, alle die Namen der Männer aufzuzeichnen, welche jetzt in Deutschland alle Disziplinen der Altertumswissenschaft gleichmäßig zu bearbeiten bemüht sind; das Gedeihen unsrer höhern Schulen ist dadurch bedingt.

Mit der P. ist jetzt noch vielfach verbunden die vergleichende Sprachwissenschaft, deren Ursprung von der Gründung der Asiatischen Gesellschaft in Kalkutta 1751 zu datieren ist, welche das im Sanskrit vorhandene Sprachmaterial zuerst zugänglich machte. Fr. Schlegel lenkte die Aufmerksamkeit darauf; aber erst als Franz Bopp (1791–1867) die grammatische Zergliederung 1816 begann und 1833 den ersten Band seiner vergleichenden Grammatik folgen ließ, umfaßte die Sprachforschung das den stammverwandten Sprachen Gemeinsame und stellte die Grundzüge der organischen Aus- und Umbildung der Sprache dar. W. v. Humboldt (1767–1835) faßte die Sprachen des Erdkreises als verschiedene Stufen gelungener Sprachbildung in ein großes Gemälde zusammen. Jak. Grimm (1785–1863) konzentrierte seine Kräfte auf die germanischen Sprachen. Seinem Beispiel folgten Zeuß (1806–56) und Ebel (1820–75) in der „Grammatica celtica“, Miklosich und Aug. Schleicher (1821 bis 1868) für die slawischen Dialekte, Wilh. Corssen (1820–75) für die italischen, G. Curtius (1820–85) für das Griechische, Fr. Diez (1794–1876) für die romanischen Sprachen. England, Frankreich, sogar Italien beteiligen sich eifrigst; namentlich hat in England Max Müller die Ergebnisse dieser Studien durch geschickte Popularisierung in die weitesten Kreise getragen. Jetzt entbehrt keine Universität eines besondern Lehrstuhls für diese Wissenschaft, zumal die Erkenntnis, daß man die sichern Ergebnisse derselben auch für die Schule mittels rationellerer Behandlung der lateinischen und besonders der griechischen Grammatik verwerten müsse, immer allgemeiner wird. Aber man sollte den Namen aufgeben, weil die Vergleichung nur Mittel, nicht Zweck ist, und sie als Linguistik geltend machen, welche die Thatsachen für die historische Grammatik erklärt.

Schließlich noch einige Worte über den Anteil der romanischen und der nordischen Länder an der Entwickelung der P. in der Neuzeit. Italien hat seit dem 16. Jahrh. fast nur Archäologen und Epigraphiker (besonders Borghesi, 1781–1860, und de Rossi) gestellt, Kritiker nur vereinzelt, wie Lagomarsini (gest. 1773), Garatoni (gest. 1817), Angelo Mai (1782 bis 1854); das Werk der lateinischen Lexikographen Facciolati (gest. 1769) und Forcellini (gest. 1768) wird noch immer neu aufgelegt, und Furlanetto (gest. 1848) hat für Ergänzung des Altertümlichen gesorgt. In Frankreich fehlte es im vorigen Jahrhundert nicht an glänzenden Namen, wie für die Kritik: Brunck (gest. 1803), Villoison (gest. 1805), Courier (gest. 1825), und für archäologische und historische Disziplinen: d’Anville (gest. 1782), Larcher, Millin, Mionnet, Letronne, Rochette (gest. 1854), Le Clerc, Naudet, Nisard, um das jüngere Geschlecht zu übergehen, dessen ernste Bemühungen alle Gebiete umfassen. Auch in Belgien finden wir Archäologen, wie Roulez, de Witte, Schuermann, und selbst philologische Akribie findet ihre Pfleger, wie Gantrelle. Spanien nahm die humanistischen Studien bereits im 15. Jahrh. auf: Älius Antonius Nebrissensis (gest. 1522), Vives (gest. 1540) und besonders der Grammatiker Francisco Sanchez de las Brozas (Sanctius Brocensis, gest. 1601) verdienen Erwähnung; nachher wurden Münzen und Inschriften gesammelt, [1014] wozu der Boden des Landes noch immer reiches Material bietet. Unter den nordischen Ländern hat Rußland seine Philologen meist aus Deutschland berufen. In Schweden und Norwegen blieb man immer im Zusammenhang mit den Richtungen deutscher Philologen; Dänemark besaß in Nikolai Madvig (1804–86) einen der bedeutendsten Philologen dieses Jahrhunderts, der auch unter keineswegs günstigen Verhältnissen vortreffliche Schüler gebildet hat. Griechenland ist durch seine Vergangenheit auf antiquarische Untersuchungen angewiesen; es fehlt denselben nicht an tüchtigen Pflegern, besonders in Athen selbst.

Der große Umfang des Gebiets der P. hat Teilung der Arbeit notwendig gemacht: die Archäologie hat sich bereits isoliert, die Epigraphik wird es thun müssen und ebenso die Linguistik; aber gedeihen können alle einzelnen Zweige nur, wenn jeder Forscher sich des Zusammenhanges bewußt bleibt und das, was auf andern Gebieten erreicht wird, nicht unbeachtet läßt.

An Zeitschriften, welche teils die gesamte Wissenschaft umfassen, teils einzelne Zweige derselben behandeln, ist kein Mangel. Sie haben in Holland mit den „Observationes miscellaneae“ 1732 von d’Orville begonnen und sind von diesem mit dem ältern Burman noch von 1740 bis 1751 fortgesetzt; Wyttenbach gab 1779–1809 die „Bibliotheca critica“ heraus, auf welche Bake, Geel u. a. 1825–30 die „Bibliotheca critica nova“ folgen ließen. In den Jahren 1852–62 und in neuer Reihe seit 1863 haben die Leidener die „Mnemosyne“ herausgegeben, die hauptsächlich durch Cobets kritische Arbeiten gefüllt wird. In Deutschland wurden die (Göttinger) „Bibliothek der alten Litteratur und Kunst“ (1786 in 3 Bdn.) und die Sammlungen von Ruperti und Schlichthorst (seit 1794) von F. A. Wolfs „Museum der Altertumswissenschaft“ (1807–1809) und den „Litterarischen Analekten“ desselben (1816–20, 2 Bde.), vor allen aber von dem von Niebuhr 1827 begründeten „Rheinischen Museum“ überragt, das durch Ritschl und Welcker (zuletzt Klette) seit 1833 fortgeführt und 1877 in die Hände von Ribbeck und Bücheler übergegangen ist. In Göttingen begannen Schneidewin und v. Leutsch 1846 den „Philologus“, zu dessen Ergänzung der „Philologische Anzeiger“ (seit 1869) dient; in Berlin Hübner 1866 den „Hermes“, in München Bursian 1873 die „Jahresberichte über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft“. Während diese vier fortbestehen, sind andre, z. B. das „Athenäum“ (1816), das „Archiv von Seebode“, die „Zeitschrift für die Altertumswissenschaft“ (1834–54), das „Schweizerische Museum“ und die „Eos“ (2 Bde.), wieder eingegangen. Die dem höhern Schulwesen gewidmeten Zeitschriften: die „Jahrbücher für P. und Pädagogik“ (bestehend seit 1826), die Berliner „Zeitschrift für das Gymnasialwesen“ (seit 1847), die „Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien“ (seit 1850), das „Gymnasium“ (Paderb., seit 1883), beachten auch die P. als Wissenschaft, die „Blätter für das bayrische Gymnasialwesen“ (seit 1865) dagegen fast nur die Zwecke der höhern Schulen. In der neuesten Zeit sind die „Philologische Rundschau“ (Brem., seit 1880), die Berliner „Philologische Wochenschrift“ (seit 1881) und die „Wochenschrift für klassische P.“ (Berl., seit 1884) entstanden. Daneben bestehen archäologische Zeitungen (in Berlin seit 1843, in Athen und Wien seit 1876, in den Rheinlanden seit 1842) sowie epigraphische und numismatische. Die vergleichende Sprachforschung hat seit 1851 in der Kuhnschen Zeitschrift ein ausgezeichnetes Organ. England hat erst 1809 mit „The classical Journal“ begonnen, welches sich bis 1829 hielt; daneben erschienen einige Jahre (bis 1833) ähnliche Zeitschriften in Cambridge und London („The classical Museum“); jetzt finden diese Arbeiten in dem „Journal of philology“ (seit 1868) oder in den allgemeinen Wochenschriften Platz. Frankreich hatte von 1845 bis 1847 eine „Revue de philologie“, die 1877 wieder aufgenommen worden ist; zahlreicher sind dort die linguistischen Zeitschriften und besonders die archäologischen (die „Revue archéologique“ seit 1844) und numismatischen. Dieselbe Richtung zeigt sich in Italien, wo jedoch 1873 auch eine „Rivista di filologia“ begonnen hat. In Kopenhagen erscheint seit 1860 eine „Nordisk Tidskrift for Philologi og Paedagogik“, ebenso in Petersburg seit 1872 eine Zeitschrift für P., deren größter Teil leider in russischer Sprache geschrieben wird. Für Griechenland gibt es archäologische und philologische Zeitschriften in griechische Sprache, eine derselben erscheint seit 1860 in Konstantinopel. Die in Nordamerika ihrem Titel nach hierher gehörenden Zeitschriften sind wesentlich linguistischen Inhalts. Vgl. Böckh, Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften (2. Aufl. von Klußmann, Leipz. 1886); Hirzel, Grundzüge zu einer Geschichte der klassischen P. (Tübing. 1873); Hübner, Grundriß zu Vorlesungen über die Geschichte und Encyklopädie der klassischen P. (Berl. 1876); Bursian, Geschichte der klassischen P. in Deutschland (Münch. 1883).