MKL1888:Oströmisches Reich
[549] Oströmisches Reich (Byzantinisches Reich, Griechisches Kaisertum), das eine der beiden Reiche, in welche Theodosius d. Gr. 395 n. Chr. das römische Weltreich teilte, umfaßte alle asiatischen Provinzen, in Afrika die Provinzen Kyrenaika, Marmarica, Ägypten, in Europa Thrakien, Mösien, Dacien, Makedonien, Achaia mit der Residenz Konstantinopel, während die westlich davon gelegenen Länder mit der Residenz Rom das weströmische Reich (s. Rom, Staat) bildeten. Die Provinz Illyrien ward zwischen beiden Reichen geteilt, geriet aber bald in den Besitz der Westgoten unter Alarich. Weil das oströmische Reich für den bessern und gesichertern Teil des großen römischen Reichs galt, so erhielt es der ältere der beiden Söhne des Theodosius, Arcadius, während die andre Hälfte an den jüngern, Honorius, fiel. Jedem von beiden wurde wegen ihrer Jugend ein Vormund und Reichsverweser beigegeben, dem Honorius der Vandale Stilicho, dem Arcadius der Gallier Rufinus. Dieser war der eigentliche Regent, während Arcadius (395–408) nur den Namen eines solchen führte. Nachdem Rufinus noch in demselben Jahr (27. Nov.), wahrscheinlich im geheimen Auftrag Stilichos, von Gainas, dem Führer der gotischen Hilfsschar in den römischen Legionen, ermordet worden war, trat an seine Stelle Eutropius, das Haupt der Eunuchen. Der byzantinische Staat nahm mehr und mehr die Formen des Orients an; mit der Zeit wurde die griechische Sprache, im Verkehr die herrschende, auch zur Amtssprache erhoben und damit das letzte Band zerrissen. Statt vereint die Einbrüche der Barbaren abzuhalten, blickte jedes der Reiche mit Schadenfreude auf die Unfälle des andern und forderte die Barbaren zu Einfällen in das Gebiet desselben auf. Eutropius erlag nach vierjähriger schmachvoller Regierung den von Gainas angezettelten Ränken (399), der indes selbst schon im nächsten Jahr die Hauptstadt verlassen mußte und Arcadius unter dem Einfluß seiner ränkevollen Gemahlin Eudoxia zurückließ.
Ihm folgte in der Regierung sein siebenjähriger Sohn Theodosius II. (408–450), bis 414 unter der Leitung des Präfekten Anthemius, eines fähigen und kraftvollen Mannes, dann unter der seiner Schwester Pulcheria. Ein Krieg mit den Persern endigte (422) mit der Teilung Armeniens zwischen Persien und Ostrom; von dem Hunnenkönig Rugilas ward Ruhe und Friede für einen jährlichen Tribut von 350 Pfd. Goldes erkauft, der nach dem Tod Rugilas’ (433) seinen Neffen und Nachfolgern Attila und Bleda gegenüber auf das Doppelte erhöht wurde. So ruhmlos die Regierung des Theodosius in der Geschichte ist, so ist doch sein Name verewigt durch eine Gesetzsammlung, den Codex Theodosianus, eine Sammlung aller seit Konstantin in Kraft getretenen Verordnungen (438). Nach seinem Tod (450) wurde seine Schwester Pulcheria zur Kaiserin des Morgenlandes ausgerufen und wählte unter dem Vorbehalt ehelicher Getrenntheit den Marcianus, einen bejahrten, aber thatkräftigen und rechtschaffenen Senator, zu ihrem Gemahl und Mitregenten. Zwar starb Pulcheria schon 453, indessen hielt Marcian bis zu seinem 457 erfolgten Tode die Ehre und Würde des Reichs aufrecht. Dagegen erkaufte sein Nachfolger, der durch den Einfluß des mächtigen und reichen Patriziers Aspar auf den Thron erhobene Feldherr Leo I. aus Illyrien (457–474), von den damals die Küsten des Mittelmeers verwüstenden Vandalen um beträchtliche Summen Ruhe und Sicherheit seines Reichs und erlitt, als er 468 durch seinen Feldherrn Basiliscus einen Versuch machen ließ, den Vandalen mit bewaffneter Macht entgegenzutreten, eine blutige Niederlage. Ihm folgte sein Schwiegersohn Zeno der Isaurier (474–491), zuerst als Mitregent seines Sohns Leo II., dann nach dem verdächtigen raschen Hinsterben des letztern (November 474) im eignen Namen. Er wurde zwar 476 durch seine Schwiegermutter Verina vertrieben und an seiner Stelle deren Bruder Basiliscus auf den Thron erhoben, er kehrte aber schon im nächsten Jahr, nachdem Basiliscus einer Verschwörung zum Opfer gefallen war, zurück und rächte sich grausam an seinen Gegnern. Nur Verina entging seiner Hand und beharrte bis an ihr Ende in fruchtloser Empörung. Als Gemahl seiner Witwe Ariadne folgte Anastasius I. (491–518), diesem Justinus I. (518–527), ein alter Kriegsmann, der Sohn eines Bauern, von schwachem, ungebildetem Geist, welcher, selbst kinderlos, seinen Neffen Justinianus I. adoptierte und als Mitregenten annahm.
Justinianus’ I. Regierung (527–565), glänzend nach außen, bietet im Innern das Bild einer grenzenlosen Tyrannei, Bedrückung und Unsittlichkeit. Ein Staat, Eine Kirche, Ein Gesetz sollten die Welt beherrschen. Von diesen Ideen geleitet, vernichtete er 541 durch die Aufhebung des Konsulats die letzten Spuren republikanischer Einrichtungen und Erinnerungen, schloß 529 die Schule von Athen und zwang die letzten Bekenner und Anhänger des Heidentums und der Platonischen Philosophie zur Auswanderung, verhängte über alle Häretiker blutige Verfolgungen und gab dem Reich in dem Codex Justinianeus (529) und in den Pandekten oder Digesten und den Institutionen (533) ein einheitliches, weltbeherrschendes Rechtsbuch. Die innere Ruhe wurde durch eine Empörung der Zirkusparteien zu Konstantinopel (den sogen. „Nikaaufstand“, s. d.) gestört, welche endlich von Belisars Truppen nach Niedermetzelung von 30,000 Menschen unterdrückt wurde (19. Jan. 532). Nachdem Justinian die Grenzen des Reichs im Norden gegen die Bulgaren, Avaren und Slawen durch eine Reihe von mehr als 80 befestigten Plätzen an der Donau und im Innern der Balkanhalbinsel, im Osten teils durch Verschanzungen und Bündnisse, teils durch Beendigung eines Perserkriegs vermittelst Erkaufung des „ewigen“ Friedens gesichert glaubte, unternahm er die Wiederherstellung des alten römischen Reichs. Er ließ durch Belisar das Vandalenreich (533–534) und nach einem 20jährigen, durch Belisar [550] begonnenen, durch Narses beendeten Krieg das Ostgotenreich in Italien erobern (555). Diese Erfolge erregten die Furcht des Perserkönigs Chosru I. Nuschirwan, welcher 540 den Krieg erneuerte, in Syrien einfiel, Antiochia verbrannte und schon Palästina und die heilige Stadt Jerusalem bedrohte, als Belisars Erscheinen ihn zum Rückzug bewog. Nach langen Unterhandlungen, welche durch Streitigkeiten über den Besitz der östlichen Küstenländer am Schwarzen Meer (Lazica und Kolchis) unterbrochen wurden, kam endlich 561 ein neuer Friede zu stande, der die Grenzen beider Reiche im wesentlichen so ließ, wie sie vor dem Krieg bestanden hatten. Auch in die Verhältnisse des Westgotenreichs griff Justinian ein, indem er, von Athanagild, dem Anstifter einer Empörung, eingeladen, eine Flotte und ein Heer nach Spanien sandte (554), den Westgotenkönig schlug und ihm eine Anzahl von Seestädten abnahm, die indessen zum Teil schon unter Justinian selbst, zum Teil unter seinen Nachfolgern wieder verloren gingen.
Der Glanz, den Justinian dem oströmischen Reich verliehen, erlosch bald. Schon unter seinem nächsten Nachfolger, seinem Neffen Justinus II. (565–578), begannen die Eroberungen der Langobarden in Italien (568), erneuerte Chosru den Krieg mit der Eroberung von Dara, der wichtigsten Stadt Mesopotamiens (572), so daß der Kaiser, um eine Stütze zu haben, den Befehlshaber der Leibwache, Tiberius, zu seinem Mitregenten und Nachfolger ernannte. Dieser, ein edler Fürst von sittenreinem Leben, 578–582 regierend, kämpfte glücklich gegen Chosru, den sein Feldherr Justinian 579 bei Melitene in Syrien besiegte, worauf er ihn bis in das Innere seines Reichs verfolgte und sich schon seiner Hauptstadt näherte, als der greise König starb. Dem Tiberius folgte dessen auf seinem Sterbebett zum Nachfolger ernannter tapferer Feldherr und Schwiegersohn Maurikios (582–603); gegen ihn wurde auf einem Feldzug gegen die Avaren von den meuterischen Soldaten ein unbekannter Hauptmann, Namens Phokas, zum Kaiser ausgerufen (Oktober 602) und von der Bevölkerung der Hauptstadt mit Jubel begrüßt. Seine Regierung (603–610) ist erfüllt von Akten unmenschlicher Grausamkeit: 603 wurde Maurikios mit seinen fünf Söhnen ermordet, kurz darauf seine Gemahlin Konstantina nebst drei schuldlosen Töchtern; selbst der tapfere Feldherr Narses, welcher unter Maurikios glücklich gegen die Perser gekämpft hatte, mußte auf dem Markte der Hauptstadt den Feuertod erleiden. Als Phokas endlich das Leben seines eignen Schwiegersohns Crispus bedrohte, reizte dieser den Sohn des Statthalters von Afrika, Heraklios, zum Aufruhr. Derselbe segelte 610 nach Konstantinopel, Phokas wurde gefangen genommen und getötet, und Heraklios bestieg den byzantinischen Thron, den er bis 641 innehatte. Unter seiner Regierung beginnen von neuem die Perserkriege. Chosru II. eroberte 614 Jerusalem, unterwarf 616 Ägypten und schlug sein Lager der Hauptstadt gegenüber in Chalcedon auf. Schon wollte der bedrängte Kaiser nach Karthago fliehen, ließ sich jedoch vom Patriarchen überreden zu bleiben, erkaufte, um Zeit zu Rüstungen zu gewinnen, den Abzug der Perser gegen einen schweren Tribut und begann 622 den Krieg gegen sie von neuem, der am 1. Dez. 627 mit der siegreichen Schlacht auf den Ruinen von Ninive und nach dem Tod Chosrus II. (628) mit einem Frieden endigte, der beide Reiche in ihren alten Grenzen herstellte.
Jedoch verlor Heraklios darauf Syrien nebst Palästina und Phönikien (634–639) und Ägypten (640) an die Araber, nachdem ihm schon vorher (624) die letzten Besitzungen in Spanien von den Westgoten entrissen worden waren. Ihm folgte sein Sohn aus erster Ehe, Konstantin III., dem als Mitregent Herakleonas, der Sohn seiner zweiten Gemahlin, Martina, zur Seite gesetzt war; Konstantin starb bald darauf (22. Juni 641), Herakleonas und seine Mutter wurden vertrieben und Constans II. (641–668), der Sohn Konstantins, auf den Thron erhoben. Verschiedene von ihm verübte Frevel, wie die Ermordung seines Bruders Theodosius (660), reizten das Volk so gegen ihn auf, daß er 661 die Hauptstadt verließ und nach Sizilien ging, wo er in Syrakus (668) ermordet wurde. In die Regierung seines Sohns und Nachfolgers Konstantin IV. (668–685), mit dem Beinamen Pogonatos („der Bärtige“), fällt die erste Belagerung Konstantinopels durch die Araber (668 bis 675), das nur durch das griechische Feuer gerettet wurde. Zehn Jahre lang ertrugen die Unterthanen die Grausamkeiten seines Sohns Justinian II., dessen erste Regierungsperiode von 685 bis 695 reicht; da erregte Leontios, ein Feldherr von Ruf, einen Aufstand, Justinian wurde verstümmelt (davon sein Beiname „Rhinotmetos“) und verbannt und Leontios (695–698) auf den Thron erhoben. Er wurde gestürzt und verstümmelt von Apsimar, der an seine Stelle trat und unter dem Namen Tiberius III. regierte (698–705). Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrte Justinian II. an der Spitze eines bulgarischen Heers von 15,000 Reitern nach Konstantinopel zurück und nahm den Thron seiner Väter wieder ein. Diese zweite Regierungsperiode (705–711) ist eine sechsjährige Tyrannei, wie Rom und Byzanz noch keine erlebt, die erst mit der Ermordung des Kaisers endigte.
In rascher Reihenfolge regierten dann der Armenier Bardanes unter dem Namen Philippicus (711–713), Anastasius II. (713–716) und Theodosius II. (716–718), bis mit Leo III., dem Isaurier (718–741), ein neues Herrschergeschlecht auf den Thron kam. Nachdem dieser 718 einen neuen Angriff der Araber auf seine Hauptstadt glücklich abgeschlagen hatte, veranlaßte er durch das Verbot der abgöttischen Bilderverehrung 726 den langwierigen und verderblichen Bilderstreit, der das Volk in die zwei Parteien der Bilderdiener (Ikonodulen) und Bilderstürmer (Ikonoklasten) spaltete und über ein Jahrhundert Reich und Thron erschütterte. Eine Folge jenes Verbots war der Verlust des Landstrichs von Ravenna und Ancona, dessen Bewohner sich lieber unter die Herrschaft der Langobarden stellten (728), als dem Bilderdienst entsagten; vergeblich war der Versuch des Kaisers, das Land mit Waffengewalt zurückzuerobern (733). Ein ebenso heftiger Gegner des Bilderdienstes wie Leo war sein Sohn und Nachfolger Konstantin V. Kopronymos (741–775), der zwar von dem Vorwurf der Grausamkeit nicht freizusprechen ist, aber mit Ehren und Tapferkeit das Reich gegen innere und äußere Feinde schützte; so unterdrückte er mit kräftiger Hand einen Aufstand, den sein Schwager Artavasdes in Konstantinopel erregt hatte, als er selbst auf einem Feldzug gegen die Sarazenen begriffen war (742), und kämpfte glücklich gegen diese sowie gegen die Bulgaren. Ihm folgte sein Sohn Leo IV. (775–780), diesem dessen zehnjähriger Sohn Konstantin VI. Porphyrogennetos, bis 792 unter der Vormundschaft seiner herrschsüchtigen Mutter Irene, welche durch die zweite Synode von Nikäa (September und Oktober 787) auf kurze Zeit die Bilderverehrung [551] wiederherstellte, von da bis 797, wo er auf Befehl seiner Mutter geblendet wurde, selbständig. Als Wiederherstellerin des Bilderdienstes von den kirchlichen Schriftstellern gepriesen, regierte Irene noch fünf Jahre lang (797–802), bis sie durch den Großschatzmeister Nikephoros gestürzt wurde, der neun Jahre lang den Thron behauptete (802–811) und, nachdem er mehrere unglückliche Feldzüge gegen die Araber unternommen hatte (802–807), 811 in einem Kriege gegen die Bulgaren getötet wurde.
Nach der Regierung des schwachen Michael I. Rhangabe (811–813) folgte Leo V., der Armenier (813–820), ein tapferer Kriegsmann. Nachdem er die Bulgaren, welche unter ihrem König Krum schon bis Konstantinopel vorgedrungen waren und die Vorstädte geplündert und zerstört hatten, durch eine Niederlage im April 814 zum Abschluß eines 30jährigen Friedens gezwungen hatte, hob er die Beschlüsse der zweiten Synode von Nikäa auf (815), wurde aber schon 820 durch die erbitterte Priesterschaft aus dem Wege geräumt. An der Spitze der Verschwörung hatte einer seiner Feldherren gestanden, Michael II., der Stammler, der nun sein Nachfolger wurde. Er unterdrückte in dreijährigem wechselvollen Krieg (821–823) einen Aufstand eines frühern Feldherrn des Nikephoros, Thomas aus Kappadokien, konnte aber nicht verhindern, daß die Sarazenen auf der Insel Kreta einen Piratenstaat errichteten (826) und sich in Sizilien festsetzten (827). Als Michael nach fast neunjähriger Regierung im Oktober 829 starb, folgte sein Sohn Theophilos (829–842); nach außen hin erlitt dieser zwar trotz seiner Tapferkeit verschiedene Unfälle durch die Araber, dagegen blühten im Innern Handel, Gewerbsamkeit, Künste und Wissenschaften, letztere besonders durch den Lehrer des Kaisers, Johannes Grammatikos, ausgezeichnet als Staatsmann und Gelehrter, und den Mathematiker, Architekten und Astronomen Leo gefördert. Nach Theophilos’ Tod führte seine Gemahlin Theodora über 13 Jahre lang (842–856) unter dem Beistand ihres tapfern Oheims Manuel und ihres Kanzlers Theoktistos mit Geschick die Herrschaft über das Reich und ihren unmündigen Sohn Michael; 856 wurde sie von ihrem Bruder Bardas gestürzt, und dieser führte nun die Regierung für Michael III., welcher sich ganz dem Sinnengenuß überließ. Die Araber bedrohten das Reich von neuem und drangen tief in Kleinasien vor, und ein neuer Feind entstand dem Reich in den Russen, deren Flotte 865 im Hafen der Hauptstadt ankerte, die nur durch einen Sturm gerettet wurde, der die feindlichen Schiffe zerstreute oder versenkte. Michael wurde 24. Sept. 867 von Basilius dem Makedonier, seinem Günstling seit dem Sturz des Bardas (866), ermordet, und Basilius bestieg nun den Thron als der Stifter der makedonischen Dynastie, die mit geringen Unterbrechung gegen zwei Jahrhunderte regierte (bis 1056).
Basilius I. (867–886) regierte mit Kraft und Weisheit; kämpfte glücklich gegen die Araber und die Paulicianer, eine religiöse, mit jenen im Bund stehende Sekte in Armenien (873), und vererbte den Thron auf seinen Sohn Leo VI. (886–911), der die von seinem Vater begonnenen Basiliken, eine Umarbeitung des Codex Justinianeus, vollendete. Er erwarb sich durch seine Liebe zu den Wissenschaften den Beinamen des Philosophen, konnte aber, in Unthätigkeit und Weichlichkeit versunken, die Angriffe der Bulgaren unter ihrem König Simeon und der Araber nicht abwehren, welch letztere 904 Thessalonich, die zweite Stadt des Reichs, eroberten und plünderten. Sein Sohn Konstantin VII. Porphyrogennetos stand anfangs unter der Vormundschaft seines Oheims Alexander, dann seiner Mutter Zoe, darauf des Romanos Lakapenos (919–944), welcher ihm nur den kaiserlichen Namen ließ, stürzte 945 die Söhne des Romanos, welche ihren Vater entthront hatten, und regierte darauf selbständig bis 959. Ihm folgte sein Sohn Romanos II. (959–963). Nach dessen Tod vermählte sich seine herrschsüchtige Witwe Theophano mit dem vom Heer zum Kaiser ausgerufenen tapfern Nikephoros II. (963–969), der bisher in Gemeinschaft mit seinem Bruder Leo Phokas über die Hamadaniden in Syrien und Mesopotamien eine Reihe glänzender Siege erfochten, Kreta 961 erobert, Aleppo sowie zahlreiche andre Städte und Burgen eingenommen hatte, auch als Kaiser nach außen und innen große Energie bewies. Verhaßt durch Strenge und Abgabendruck, fiel er durch eine von seiner Gemahlin veranlaßte Verschwörung (11. Dez. 969), deren Haupt, der tapfere Johannes Tzimisces, nun den Thron bestieg, aber schon nach siebenjähriger, von glücklichen Kämpfen gegen Araber, Bulgaren und Russen erfüllter Regierung 10. Jan. 976 mit starken Zeichen der Vergiftung starb. Ihm folgte des Kaisers Romanos II. Sohn Basilius II. (bis 1025), welcher mit seinem Bruder Konstantin VIII. (gest. 1028) den Kaisertitel teilte, bis 988 unter Leitung des Oberkammerherrn Basilius, dann selbständig. Unter seine Regierung fällt die Unterwerfung Bulgariens (1018), die dem Kaiser wegen der dabei verübten Grausamkeiten den Namen des „Bulgarentöters“ verschaffte. Konstantins Tochter Zoe erhob durch Vermählung und Adoption vier Kaiser auf den Thron: Romanos III. (1025–34), Michael IV. (1034–41), Michael V. Kalaphates (1041–42), Konstantin IX. Monomachos (1042–54), unter denen das Reich von den Petschenegen, Seldschukken und Normannen hart bedrängt wurde.
Ihre Schwester Theodora (1054–56), mit der das makedonische Kaiserhaus erlosch, ernannte einen bejahrten Feldherrn, Michael VI. Stratiotikos (1056–57), zum Nachfolger; allein an dessen Stelle erhob das östliche Heer einen ausgezeichneten Feldherrn aus der angesehenen Familie der Komnenen, Isaak I., auf den Thron, welcher des Reiches Wohlfahrt und Sicherheit kräftig förderte, aber wegen Kränklichkeit schon 1059 abdankte. Unter seinen Nachfolgern Konstantin X. Dukas (1059–1067), Romanos IV. Diogenes (1067–71), Michael VII. Dukas (Parapinakes, 1071–78), Nikephoros III. Botoniates (1078–81) gingen fast alle asiatischen Besitzungen an die Seldschukken verloren, und auch im Innern verfiel das Reich; erst der von dem Heer ausgerufene Neffe Isaaks, Alexios I. Komnenos (1081–1118), stellte Kriegszucht und Ordnung in der Verwaltung wieder her, besiegte Petschenegen (1091) und Kumanen und entfaltete den Kreuzfahrern gegenüber eine kluge, überlegene Politik. Sein Sohn Johannes (Kalojohannes, 1118–43), ein Herrscher von fleckenlosem Charakter, eroberte den größten Teil von Kleinasien und beteiligte sich an den Kämpfen der Lateiner in Syrien gegen Sultan Zenki.
Zu noch größerer Macht stieg das Reich unter seinem Sohn Manuel I. (1143–80), dessen Person wegen seiner ritterlichen Tapferkeit mit ähnlichem Glanz der Romantik umgossen ist wie die seines Zeitgenossen Richard Löwenherz. Doch schon in seinen letzten Jahren verließ ihn das Glück, und mit seinem Tod (24. Sept. 1180) begann für das Reich eine Periode von Verwirrung und Greueln, wie die Weltgeschichte [552] kaum eine zweite aufzuweisen hat. Manuels unmündiger Sohn Alexios II. wurde nach einer kurzen Regierung (1180–83) von seinem ruchlosen Vormund Andronikos ermordet, welcher nach einem Leben voll mannigfaltiger Abenteuer selbst den Thron bestieg, aber schon 1185 nach grausamer Herrschaft durch die Empörung des Isaak Angelos vom Thron gestürzt wurde, den dieser nun selbst als Isaak II. bestieg. Er war ein charakterloser Schwächling, der den Abfall der Bulgaren und den Verlust Cyperns nicht verhindern konnte, und wurde 1195 von seinem Bruder Alexios III. entsetzt, geblendet und ins Gefängnis geworfen. Zwar ließen sich die Kreuzfahrer und die Venezianer in dem sogen. vierten Kreuzzug bewegen, den gestürzten Kaiser, den Schwiegervater des deutschen Königs Philipp, mit seinem Sohn Alexios IV. als Mitregenten wieder auf den Thron zu setzen (1203); da er jedoch die gemachten Versprechungen nicht erfüllen konnte, sein Sohn Alexios auf Anstiften eines frühern Günstlings, des Alexios Dukas Murtzuphlos, von seinen eignen Unterthanen getötet wurde, er selbst aber aus Gram und Schrecken starb (Februar 1204), so setzten die Franken und Venezianer den Krieg gegen die Griechen fort. Konstantinopel wurde 12. April 1204 zum erstenmal, seit der Sitz des Reichs dahin verlegt worden war, durch Sturm genommen, mehr als zur Hälfte verbrannt, die zahllosen Kunstwerke zertrümmert oder, wie die vier herrlichen Bronzepferde und das Thor der Sophienkirche, nach Venedig geschleppt. Die Eroberer wählten aus ihrer Mitte den Grafen Balduin von Flandern zum Kaiser und gründeten so das Lateinische Kaisertum, welches indes nur 57 Jahre (1204–61) bestand. Der zum Kaiser gewählte Graf Balduin von Flandern erhielt jedoch nur den vierten Teil des Reichs, die Venezianer nahmen Küsten und Inseln, Bonifacius von Montferrat wurde König von Thessalonich, Gottfried Villehardouin gründete das Fürstentum Morea; andre Landschaften, wie Epirus unter Michael Angelos, behaupteten sich unabhängig, im griechischen Kleinasien entstand ein Kaisertum Nikäa unter Theodor Laskaris (gest. 1222) und ein andres zu Trapezunt unter Alexios Komnenos. Die innere Einrichtung des lateinischen Kaisertums war nach dem Vorbild der früher im Königreich Jerusalem eingeführten Lehnsverfassung geordnet, die Macht der Kaiser durch die Vasallen sehr beschränkt. Balduins Regierung war eine sehr kurze: er verlor 1205 bei Adrianopel gegen die Bulgaren, die furchtbarsten Feinde des neuen Reichs, Schlacht und Freiheit, und seine immer ohnmächtigern Nachfolger (Heinrich 1206–16, Peter von Courtenay 1216–19, Robert bis 1221 unter Vormundschaft seiner Mutter Jolanthe, bis 1228 selbständig, Johann von Brienne 1228–37, Balduin II. 1237–61) wurden von dem kräftigen und einsichtsvollen Johannes Vatatzes, Kaiser von Nikäa (1222–54), der auch dem Königreich Thessalonich ein Ende machte (1246), fast auf die Hauptstadt beschränkt. Michael Paläologos, aus einem alten, dem Kaiserhaus verwandten Geschlecht, welcher sich 1259 der Vormundschaft über den jungen Sohn des Vatatzes, Theodor II., bemächtigt hatte, machte, mit den auf Venedig eifersüchtigen Genuesen verbündet, durch die Eroberung Konstantinopels 1261 dem lateinischen Kaisertum ein Ende.
Michael VIII. (1261–82) regierte mit Kraft und Umsicht, vermochte aber nicht alle Länder des griechischen Kaisertums wieder zu vereinigen, indem sich nicht allein der Fürst von Epirus gegen ihn behauptete, sondern auch viele abendländische Herrschaften im eigentlichen Griechenland fortbestanden. Die Verbindung der griechischen Kirche mit Rom, welche Michael aus Haß gegen den feindlich gesinnten Patriarchen Arsenius, den Vormund und Beschützer des gestürzten und geblendeten Theodor II., angestrebt und 1274 auf dem Konzil von Lyon zu stande gebracht hatte, wurde durch den Widerstand des byzantinischen Klerus und den Fanatismus der Bevölkerung wieder zerrissen und veranlaßte nur verderbliche innere Spaltungen und Zerrüttungen. Im Norden bedrängten Bulgaren und Serben das Reich, im Osten die Osmanen, deren erster Schwarm sich 1282 zu Karahissar in Kleinasien niederließ, während es im Innern durch Hofintrigen und Bürgerkriege geschwächt wurde, die Erschöpfung der Finanzen aufs höchste stieg, zumal der Handel fast ganz in den Händen der Genuesen war. Michaels Sohn und Nachfolger Andronikos II. wurde 1328 von seinem eignen gleichnamigen Enkel gestürzt (gest. 1332), der nun selbst als Andronikos III. den Thron bestieg. Er ernannte vor seinem Tod (1341) seinen erprobten Freund Johannes Kantakuzenos zum Reichsverweser und Vormund seines 19jährigen Sohns Johannes. Ihn suchten der Großadmiral Apokaukos und die Kaiserin-Mutter Anna zu verdrängen, und dies veranlaßte ihn, den Purpur anzunehmen (1341); indes hatte sein Unternehmen keinen Fortgang, er erlitt bei Thessalonich eine Niederlage und floh zuerst zu den Serben, dann zu dem Türkenfürsten Umurbeg. Es kam zu neuen Bürgerkriegs, die endlich, nach der Ermordung des Apokaukos (1345), im Januar 1347 mit einem Vertrag endigten, wonach Johannes Kantakuzenos als Mitkaiser anerkannt wurde. Indessen wurde er schon 1355 gestürzt, und es folgte Johannes V. Paläologos (bis 1391). Unter seiner Regierung besetzten die Osmanen 1356 die erste europäische Stadt, Gallipoli, 1361 Adrianopel, 1362 Philippopel und machten 1365 Serbien und Bulgarien zinspflichtig; vergebens suchte Johannes durch eine Reise nach Italien und Frankreich die abendländische Christenheit zu kriegerischen Anstrengungen wider den gemeinsamen Feind zu bewegen und mußte sich am Ende seiner Regierung zu einem jährlichen Tribut an die Osmanen verstehen. Sein Nachfolger Manuel II. (1391–1425) wurde von den Osmanen mehrere Jahre in seiner Hauptstadt eingeschlossen, hatte dann aber infolge der Besiegung Sultan Bajesids durch den Mongolenfürsten Timur (1403) einige Jahre Ruhe. Doch schon in seiner letzten Zeit erneuten sich die Kämpfe. Sein Nachfolger Johannes VII. Paläologos (1425–48) versuchte vergeblich durch die Union der griechischen mit der römischen Kirche, zu deren Abschließung er sich selbst 1439 auf dem Konzil von Florenz einfand, die Hilfe des Abendlandes zu erhalten. Unter seinem Nachfolger Konstantin XI. Dragades Paläologos erreichte das Reich durch die Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mohammed II. (29. Mai 1453), bei welcher der letzte Kaiser tapfer kämpfend fiel, sein Ende. Das Kaisertum Trapezunt hatte 1461 dasselbe Schicksal.
Vgl. „Corpus historiae byzantinae“ (Par. 1648 ff.; Vened. 1728 ff., 27 Bde.); „Corpus scriptorum historiae byzantinae“ (Bonn 1828–55, 48 Bde.); Gibbon, History of the decline and the fall of the Roman Empire (Lond. 1782 ff.; neue Ausg. 1884 ff., 8 Bde.; deutsch, 4. Aufl., Lpz. 1862, 12 Bde.); Du Cange, Historia byzantina (Par. 1688, 2 Bde); Le Beau, Histoire du Bas-Empire en commençant à Constantin le Grand (fortgesetzt von J. Ameilhon, das. 1757– [553] 1811, 27 Bde.; 1863, 5 Bde.); Keri, Imperatores Orientis compendio exhibiti a Constantino Magno ad Constantinum ultimum (Tyrnau 1744); Royou, Histoire du Bas-Empire depuis Constantin jusqu’à la prise de Constantinople (Par. 1804–14, 4 Bde.); Schlosser, Geschichte der bilderstürmenden Kaiser des oströmischen Reichs (Frankf. 1812); Finlay, History of the Byzantin and Greek Empires (Lond. 1853–54, 2 Bde.); Zinkeisen, Geschichte des osmanischen Reichs in Europa (Hamb. u. Gotha 1840 bis 1863, 7 Bde.); Hopf, Geschichte Griechenlands im Mittelalter und in der Neuzeit (in Ersch u. Grubers „Encyklopädie“; separat, Leipz. 1870); Hertzberg, Geschichte Griechenlands seit dem Absterben des antiken Lebens bis zur Gegenwart (Gotha 1876–80, 4 Bde.); Derselbe, Geschichte der Byzantiner und des osmanischen Reichs (Berl. 1883); Gfrörer, Byzantinische Geschichten (Graz 1872–74, 2 Bde.); Krug, Aufklärung der byzantinischen Chronologie (Petersb. 1840); Muralt, Essai de chronographie byzantine 395–1057 (das. 1855) u. 1057–1453 (das. 1873, 2 Bde.); F. Hirsch, Byzantinische Studien (Leipz. 1876).