Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nachtigal“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 969970
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Nachtigal. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 969–970. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Nachtigal (Version vom 15.09.2022)

[969] Nachtigal, Gustav, Afrikareisender, geb. 23. Febr. 1834 zu Eichstedt bei Stendal, studierte Medizin in Berlin, Halle, Würzburg und Greifswald und fungierte als Militärarzt in Köln, bis eine schnell sich entwickelnde Brustkrankheit 1863 ihn zwang, nach Algerien zu gehen. Später siedelte er nach Tunis über und wurde Leibarzt des Chasnadar des Beis, in welcher Eigenschaft er mit der tunesischen Armee einen Feldzug gegen Aufständische mitmachte. Als 1868 Rohlfs in Tripolis die Geschenke des Königs von Preußen für den Sultan Omar von Bornu abzusenden hatte, wurde auf Rohlfs’ Veranlassung N. mit dieser Mission betraut. Er brach im Januar 1869 von Tripolis auf, erreichte Fezzan und machte von hier einen denkwürdigen und gefahrvollen Abstecher nach Tibesti, welches Land noch nie vorher von einem Europäer besucht worden war. Mit Mühe dem Tod entronnen, setzte er seine Reise fort und hielt im Juli 1870 seinen Einzug in Kuka, der Hauptstadt von Bornu. Von hier aus unternahm er eine äußerst wichtige Reise nach dem nordöstlich vom Tsadsee gelegenen Borgu sowie nach dem südlich vom Tsad gelegenen Bagirmi; ja, es gelang ihm, im März 1873 seinen Rückweg über Wadai, Dar Fur und Kordofan zu nehmen, und 22. Nov. 1874 langte er glücklich in Kairo an, von wo er 1875 nach Europa zurückkehrte. Diese lange Reise, auf welcher N. als erster Europäer die Länder Tibesti, Borgu und Wadai aus eigner Anschauung kennen lernte, und die uns höchst wichtige Aufschlüsse über Topographie, Ethnographie etc. dieser Gegenden gab, erhob N. zu einem Entdeckungsreisenden ersten Ranges. Die Pariser Geographische Gesellschaft erkannte ihm für seine Verdienste im Frühjahr 1876 die große goldene Medaille zu. Auf der Brüsseler Konferenz zum Zweck einer internationalen Association zur Zivilisierung Zentralafrikas (August [970] 1876) wurde er zum Komiteemitglied ernannt. Schon früher hatten die Deutsche Afrikanische Gesellschaft und die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ihn zu ihrem Präsidenten erwählt, welches Amt er niederlegte, als die deutsche Regierung ihn 1882 zum Generalkonsul in Tunis ernannte. Hier erhielt er 1884 den Auftrag, die Westküste Afrikas zu besuchen und die noch von keiner andern europäischen Macht beanspruchten Küstenstrecken, an welchen deutsche Interessen des Schutzes bedürftig waren, unter die deutsche Reichshoheit zu stellen. Nachdem er seine Aufgabe mit Erfolg gelöst hatte, wodurch Togoland, Camerun und Lüderitzland deutsches Kolonialgebiet wurden, machte er sich, schwer erkrankt, auf den Heimweg, starb aber schon 19. April 1885 auf der Höhe von Kap Palmas, wo man ihn bestattete. 1887 wurden seine Gebeine nach Camerun übergeführt. Sein großes Reisewerk „Sahara und Sudân“ (Berl. 1879–81, 2 Bde.; im Auszug bearb. von Fränkel, Leipz. 1886) ist unvollendet geblieben. Vgl. Dorothea Berlin, Erinnerungen an G. N. (Berl. 1887).