MKL1888:Mykēnä
[950] Mykēnä, uralte Stadt im innersten, nördlichsten Winkel der Ebene von Argos, angeblich von Perseus erbaut, in frühster Zeit als Residenz des Agamemnon zugleich Hauptstadt eines kleinen achäischen Reichs.
Plan von Mykenä. | |
Obgleich stark befestigt, wurde sie doch 463 v. Chr. von den Argeiern erobert und zerstört. Ruinen derselben [951] bei dem Dorf Charvati, unfern von Argos, Reste der kyklopischen Ringmauer mit dem berühmten Löwenthor (s. Tafel „Bildhauerkunst I“, Fig. 16, und Tafel „Baukunst IV“, Fig. 1 u. 2) und ein unterirdisches Kuppelgebäude von bienenkorbähnlicher Form, das ursprünglich als Grabkammer, später auch als Schatzkammer diente („Schatzhaus des Atreus“), waren schon seit der wissenschaftlichen Expedition der Franzosen nach dem Peloponnes (1822) genauer bekannt. Doch haben erst die 1876 und 1877 von Schliemann veranstalteten Ausgrabungen eine genügende Anschauung von der alten Königsburg und den zu ihr gehörigen Bauanlagen (Gräbern etc.) ermöglicht (s. Plan). Die Entdeckungen bestehen in der Ausgrabung eines zweiten Schatzhauses, von fünf Massengräbern, Mauern etc. und in einer großen Zahl von Architekturfragmenten, Grabstelen, Terrakotten, Thongefäßen, goldenen Masken (Abbildungen bei Art. „Masken“), Schmucksachen aus Goldblech, welche in den Gräbern gefunden worden sind. Die vergleichenden Untersuchungen von Milchhöfer und Newton haben ergeben, daß diese Gräberfunde einer Kunst angehören, welche von den alten Kulturländern Mesopotamiens ausgegangen, aber in Kleinasien und Phönikien mit neuen Formen und Typen bereichert und stilistisch beeinflußt worden ist. Nach Ulr. Köhler tragen die Funde durchaus orientalischen Charakter und zeigen keine Spur von griechischem Geist, Glauben oder Sitte. Sie gehören der Zeit vor der Dorischen Wanderung (1000 v. Chr.) an und sind nach Athen überführt worden. Vgl. Schliemann, Mykenä (Leipz. 1878); Furtwängler und Löschke, Mykenische Thongefäße (Berl. 1879); Steffen, Karten von M. (das. 1884).