Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mycorhīza“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 949950
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Mycorhīza. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 949–950. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mycorh%C4%ABza (Version vom 15.09.2022)

[949] Mycorhīza (griech., Pilzwurzel), die Verbindung von Saugwurzeln höherer Gewächse mit dem Mycelium gewisser Pilze zu einem wachstumsfähigen und für die Ernährung der verbundenen Pflanzen vorteilhaften Organ. Diese als eine Form von Symbiose aufzufassende Verbindung tritt regelmäßig ein, sobald frei im Boden wachsende Hauptwurzeln gewisser Baumarten, wie besonders der Kupuliferen, z. B. der Buche, Hainbuche, Eiche, Hasel, aber auch unter Umständen gewisser andrer Holzpflanzen, besonders der Kiefer, Fichte, Tanne, Weide, Erle, Birke u. a., nach der Keimung einige Seitenwurzeln getrieben haben und sich mit Saugwurzeln zu bekleiden anfangen. An derartigen Wurzeln läßt sich die schrittweise von außen eintretende Verpilzung verfolgen, welche mit dem Anlegen einzelner Pilzfäden an die Wurzeloberfläche beginnt und mit der Bildung eines die ganze Saugwurzel bis zur Spitze gleichmäßig umhüllenden Pilzfasermantels endet. Derselbe besteht aus mehr oder weniger verzweigten, braun gefärbten Zellsträngen verschiedener Dicke, welche im Erdboden von Wurzel zu Wurzel miteinander in Verbindung treten und ein die humösen Bestandteile desselben durchziehendes Netzwerk bilden. Mit dem Wachstum der Wurzel schreitet das des Pilzmantels gleichmäßig fort, und auch an der jungen Wurzelspitze schieben sich fortgesetzt neue Pilzfäden zwischen die alten ein; ein organisches Verwachsen zwischen Pilz und Wurzel tritt jedoch an der Wurzelspitze nicht ein, sondern erst in denjenigen Partien der Wurzel, die kein Längenwachstum mehr besitzen; hier dringen die Fäden des Pilzes auch zwischen die Zellen der Wurzel ein. Durch die Pilzhülle wird die Bildung von Wurzelhaaren unmöglich gemacht; sie ersetzt letztere vielmehr dadurch, daß auch zahlreiche Pilzfäden von der Wurzel aus zwischen die umgebenden Bodenpartikelchen eindringen. Durch die Verpilzung wird das Wachstum der Wurzeln verlangsamt, und diese werden zu korallenähnlich geformten [950] Wucherungen veranlaßt, ein Nachteil wird jedoch durch die Wurzelpilze wenigstens im Mycelzustand derselben den Bäumen nicht zugefügt. Die mit der Pilzhülle besetzten Saugwurzeln sterben nach derselben Zeit ab wie pilzfreie derartige Wurzeln, die überhaupt nur eine beschränkte Lebensdauer haben. Von besonderer Bedeutung erscheint es, daß alle bisher untersuchten, aus den verschiedensten Gegenden und Bodenlagen Deutschlands stammenden Kupuliferen an ihren Saugwurzeln den Pilzmantel in gleicher Weise entwickelt zeigten. Auch an den Wurzeln der echten Kastanie in Italien wurde die M. beobachtet. Welcher Pilzspezies die M. angehört, bleibt noch zu ermitteln, da die Mycelien bisher immer nur steril gefunden wurden; jedoch ist die Zugehörigkeit derselben zu den Tuberaceen wahrscheinlich. Da der mit einem Pilzmantel bedeckten Baumwurzel die Wurzelhaare fehlen, so kann die Pflanze das Wasser und die darin gelösten Nährstoffe des Bodens nur vermittelst der umhüllenden Pilzfäden aufnehmen. Letztere erscheinen demnach als Ersatz der sonst vorhandenen Aufsaugungsorgane, wenn auch anderseits gewisse organische Stoffe der Wurzel als Nährmaterial des Pilzes verbraucht werden. Versetzt man junge Buchenpflanzen, deren Wurzeln im Boden sich nachweislich verpilzt zeigen, in Nährstofflösung, so werden neue Wurzeln gebildet, welche sich ihres Pilzmantels allmählich entkleiden, woraus hervorgeht, daß die M. die besten Bedingungen ihres Gedeihens im Boden findet, in welchem die Mycelien dieser wurzelbewohnenden Pilze allgemein verbreitet sind. Auch die Wurzeln eines krautartigen Humusbewohners, des Fichtenspargels (Monotropa Hypopitys), unterliegen der Pilzwurzelbildung, indem bei dieser Pflanze die Ernährung aus Humus wegen Chlorophyllmangels zur Notwendigkeit wurde. Vgl. Frank, Über die auf Wurzelsymbiose beruhende Ernährung gewisser Bäume durch unterirdische Pilze (in den „Berichten der Deutschen Botanischen Gesellschaft“, Bd. 3, 1885).