MKL1888:Milzkrankheiten

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Milzkrankheiten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 638
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Milzkrankheiten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 638. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Milzkrankheiten (Version vom 22.05.2024)

[638] Milzkrankheiten. Als primäre und selbständige M. sind eigentlich nur gewisse Formen der Leukämie (s. d.) zu nennen. Höchst selten kommen Echinokokkussäcke von verschiedener Größe und Anzahl in der Milz vor und fast nur bei gleichzeitiger Anwesenheit von Echinokokken in der Leber. Eine physiologische Stauung des Bluts in der Milz kommt einige Stunden nach jeder Mahlzeit zu stande. Zu abnormen Stauungen führen Verengerungen und Verschließungen der Pfortader, wie sie bei manchen Leberkrankheiten vorkommen. Wenn die Milzkapsel nachgiebig ist, so kann sich das Organ in seinem Umfang wie in seinem Gewicht um das Vier- bis Sechsfache vergrößern. Krankhafte Schwellungen (Milztumoren) hängen davon ab, daß die Milz wie ein Filter in den Blutkreislauf eingeschaltet ist, so daß alle schädlichen körperlichen Bestandteile des Bluts hier abfiltriert werden. So wird körniges Pigment bei der Melanämie und chronischer Malaria in der Milz aufgespeichert, so nimmt die Milz die bei akuten Infektionskrankheiten im Blut kreisenden Bakterien auf, und bei chronischen Bakterienkrankheiten, z. B. der Tuberkulose, wird sie mit sehr großer Häufigkeit an der Allgemeinkrankheit beteiligt. In einem Teil der Fälle bewirken die vom Blut her in die Milz übergeführten Bakterien nur eine Vermehrung der Zellen (Hyperplasie), welche gemeinsam mit der größern Blutfülle die Schwellung des Organs bedingt, z. B. beim Typhus abdominalis, petechialis und recurrens, bei Scharlach, Pocken und Wechselfieber. Bei andern Bakterienkrankheiten siedeln sich die Spaltpilze in der Milz an und bewirken lokale Entzündungen, wie beim Milzbrand, oder Abscesse oder die sogen. Infarkte; bei Tuberkulose z. B. enthält die Milz Tuberkeln, bei Wundfiebern, Herzklappenentzündung, Venenthrombose kommt es nicht selten zur embolischen Verschleppung gröberer bakterienhaltiger Partikeln, u. diese bedingen herdeweises Absterben des Milzgewebes mit späterer Vernarbung der Abscesse, welche leicht durch Bauchfellentzündung tödlich werden. Die amyloide Degeneration der Milz (Speckmilz, Schinkenmilz) beruht auf amyloider Entartung der Milzfollikel (Sagomilz) oder der Pulpa (Schinkenmilz); sie kommt bei chronischer Abmagerung und Auszehrung vor und ist gewöhnlich eine der frühsten Lokalisationen des Amyloids. Die Ursache der Amyloidentartung (s. d.) ist nicht aufgeklärt, ebensowenig ist der nähere Zusammenhang bekannt, welcher zwischen chronischer Nierenentzündung, alter Malariakrankheit, Syphilis etc. und der Ausbildung großer Milztumoren besteht. Wahrscheinlich handelt es sich bei allen diesen Ernährungsstörungen um eine Schädigung der Blutbildung, welche durch reichlichere Zellenwucherung der Milz ausgeglichen wird. Milzschwellungen kommen namentlich in südlichen Klimaten vor, in welchen die schweren Formen der Malaria herrschen. Die M. machen selten Beschwerden; zuweilen klagen hysterische Personen über Schmerzen, welche auf eine Lageveränderung der Milz (Wandermilz) bezogen werden, allein anatomisch lassen sich wirklich frei bewegliche Milzen nur ganz ausnahmsweise nachweisen. Meist liegen bei den sogen. Wandermilzen Verwechselungen vor. Die Behandlung der M. muß ebenso wie bei Krankheiten der Lymphdrüsen auf das Grundleiden (Typhus, Malaria, Syphilis) gerichtet sein; wenn diese unheilbar sind, wie Leberschrumpfung, schwere Nierenentzündung, Herzklappenfehler, so sind natürlich auch die davon abhängigen M. unheilbar.