MKL1888:Metallfärbungen

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Metallfärbungen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 607608
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Metallfärbungen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 607–608. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Metallf%C3%A4rbungen (Version vom 13.03.2024)

[607] Metallfärbungen sind in neuester Zeit mit der Entwickelung der Kunstgewerbe außerordentlich in Aufnahme gekommen und daher auch Gegenstand eingehender Prüfungen und Untersuchungen, z. B. in der deutschen physikalisch-technischen Reichsanstalt, geworden. Sie haben in erster Linie den Zweck, den Metallen durch mannigfaltige Farbentönungen ein reiches und abwechselndes, dem Schönheitssinn dienendes Ansehen zu geben; daneben aber bilden sie Schutzmittel gegen äußere Einwirkungen des atmosphärischen Sauerstoffes sowie einer Anzahl von Gasen, z. B. Schwefelwasserstoff, schweflige Säure u. dgl., welche als Fäulnis- resp. Verbrennungsprodukte der Luft stets mehr oder weniger beigemengt sind. Man kann M. am dreierlei Weise hervorbringen: durch Überziehen mit Deckfarben, durch Bedecken mit Metall und durch Oberflächenveränderung infolge voll Einwirkung chemischer Substanzen. Während die erste Methode die Färbung durch Auftragen von Farbstoffen mittels Bindemittel (Firnis, Lack etc.) rein mechanisch (mechanische Metallfärbung), die dritte Methode rein chemisch wirkt, erfolgt die Färbung nach der zweiten Methode teils mechanisch (Plattieren, Auflegen von Blattmetall etc.), teils chemisch durch Ansieden, Eintauchen, Einreiben oder Kontakt mit gewissen Metallverbindungen, so daß streng genommen eine mechanische und eine chemische Metallfärbung zu unterscheiden sind. Doch versteht man unter Metallfärbung im engern Sinn immer nur die letztere, soweit es sich um eine Veränderung der Oberfläche mittels chemischer Einwirkungen handelt, weshalb hier ausschließlich nur diese zur Erörterung kommt.

Einen hervorragenden Platz nehmen hierbei die sogen. Anlauffarben ein, welche unter sehr verschiedenen Umständen und mit den mannigfaltigsten Wirkungen entstehen, aber ihren Höhepunkt in der antiken Patina erreichen, welche sich im Laufe der Zeit durch Einwirkung der Atmosphärilien auf Kupfer und Bronze bildet. Die gewöhnlichen Anlauffarben sind eine Folge der Oxydierung der Metalle und stehen in naher Beziehung zu den Newtonschen Farben, welche an einer Seifenblase, bei Ausbreitung eines Öltropfens auf Wasser, an alten Glasscheiben, namentlich aber zwischen aufeinander gelegten Spiegelglasplatten zum Vorschein kommen, wo die außerordentlich dünne Schicht die Farben veranlaßt, welche je nach der Dicke dieser Schicht verschieden sind. Bei den Metallen wird diese Schicht durch eine Oxydschicht ersetzt, welche eine gleichmäßige Farbe hervorruft, wenn sie überall gleich dick ist, und verschiedene Farben erzeugt, wenn sie verschiedene Dicken besitzt, wobei die Reihe der Farben bei den einzelnen Metallen nicht ganz gleich ist.

Zur Hervorbringung dieser Farben genügt ein Erwärmen der Metalle bis zu einer bestimmten Temperatur. Um die Bedingungen kennen zu lernen, unter welchen bestimmte Farben mit Sicherheit zu erzeugen sind, wurde in der physikalisch-technischen Reichsanstalt eine Reihe von Versuchen durchgeführt, die den erwünschten Erfolg hatten. Vgl. Anlauffarben (Bd. 18). Die Färbungen fallen um so reiner und schärfer aus, je sorgfältiger die Metalloberflächen bearbeitet sind, indem die Farben um so stumpfer werden, je gröber das Korn der Oberfläche ist. Jedes Vorkommnis, welches den Zutritt der Luft hemmt oder verhindert, erzeugt Flecke; daher muß die Oberfläche vollkommen frei von Fett, ausgetrockneten Wassertropfen u. dgl. sein; Drähte zum Aufhängen der Gegenstände dürfen nicht an den zu färbenden Flächen anliegen, letztere selbst nicht mit den Fingern berührt werden. Vor dem Einhängen der Gegenstände ist das Luftbad so stark zu erwärmen, daß dieselben sich nicht beschlagen. Eine genaue Bestimmung der Temperaturen, die zur Erzeugung der gewünschten Farben führen, ist um so weniger möglich und von Bedeutung, als fast jedes Metallstück eine andre Erwärmung verlangt. Jedenfalls bedarf ein Arbeitsstück, das eine gleichmäßige Färbung bekommen soll, auch einer möglichst gleichmäßigen Erwärmung, woraus wiederum folgt, daß auch die Gestalt des Körpers nicht ohne Einfluß sein kann, indem sich dünnere Teile desselben leichter erwärmen als dickere. Die genannten und noch andre Beobachtungen reichen indessen aus, um für die Praxis die zum Gelingen der M. erforderlichen Arbeiten nach gewissen Regeln durchzuführen, welche, mit einiger Umsicht befolgt, stets sichere und gute Resultate ergeben.

[608] Die zu färbenden Metallflächen sind sauber durch Abfeilen, Schleifen und selbst Polieren vorzubereiten und aufs sorgfältigste von Fett u. dgl. zu reinigen. Gegenstände aus Kupfer oder Kupferlegierungen sind unmittelbar vor dem Färben mit verdünnter Schwefelsäure abzubeizen und in reinem (Regen-) Wasser zu waschen, damit die sich etwa gebildete Oxydschicht entfernt wird, welche sonst Flecke hervorbringt. Die Erwärmung findet nicht, wie bisher allgemein üblich, über freiem Feuer oder erhitzten Eisenplatten, sondern in einem Luftbad statt, das sich in eisernen Gefäßen befindet, deren Größe und Form sich den zu färbenden Gegenständen anpassen können, und deren Erhitzung durch eine beliebige Wärmequelle, Kohlenfeuer, Gasflammen u. dgl., hervorgebracht wird. Das Einbringen der Arbeitsstücke ist erst vorzunehmen, wenn die Luft erheblich vorgewärmt ist; darauf erfolgt eine allmähliche Steigerung der Lufttemperatur, bis die Oberflächen die gewünschte Farbe angenommen haben. Zum Festhalten der letztern ist schnelle Abkühlung der Arbeitsstücke notwendig, die bei Kupfer, Messing u. dgl. durch Eintauchen in kaltes Wasser, bei Stahl durch Auflegen auf eine genügend starke, kalte Metallplatte vorgenommen wird. Nur durch schnelles Abkühlen läßt sich ein Nachfärben vermeiden. Erhitzt man die Gegenstände in einem Luftbade, dem Kohlensäure zugeführt ist, so gewinnen auch stark mit der Hand begriffene Stellen eine gleichmäßige Färbung durch Nachlaufen, wenn man sie stark erhitzt aus dem Bade nimmt. Die Oxydationsfarben verändern sich im allgemeinen sehr wenig; namentlich auf Stahl bleiben sie in trockner Luft Jahrzehnte hindurch gleich; auf Kupfer und dessen Legierungen dunkeln sie im Laufe der Zeit unter der Einwirkung von Kohlensäure und Schwefelwasserstoff bald nach und erhalten den wohlthuenden Glanz der antiken Patina. Zum Schutze gegen letztere Einflüsse und mechanische Verletzung überzieht man sie mittels des unter dem Namen Zapon (s. d., Bd. 18) bekannten Lackes, der vollständig durchsichtig ist und die Flächen bedeckt, ohne deren Charakter zu ändern. Wenn auch die Verwendung der Anlauffarben namentlich auf Stahl und Bronze uralt ist, so blieb sie doch bis in die neueste Zeit sehr beschränkt. Erst nach der Feststellung der Entstehungsbedingungen, welche nach einiger Übung die Sicherheit des Gelingens verbürgen, fängt auch die Herstellung solcher Farben auf allerhand Metallwaren (Lampenarme, Ornamente, Figuren, Schloßschilder, Statuetten, Schmucksachen etc.) an, wichtig für das Kunstgewerbe zu werden.

Statt durch Erwärmen an der Luft können die Oxydationsfarben auch auf einzelnen Metallen durch Behandlung mit Sauerstoff abgebenden Körpern hervorgebracht werden. Hierauf beruht z. B. das Braunmachen des Kupfers mit rotem Eisenoxyd, welches demselben schon durch anhaltendes Reiben, besser jedoch dadurch eine hochbraune Farbe gibt, daß man 5 Teile Blutstein und 8 Teile Graphit aufs feinste mit Weingeist verreibt und auf die Metallfläche aufträgt. Nach 24stündigem Verweilen abgebürstet, kommt die braune Farbe zum Vorschein. Durch Erwärmen in einem Ofen wird der Vorgang beschleunigt sowie der Farbenton nach Wunsch heller oder dunkler, je nach dem Grade und der Dauer der Erwärmung. Vgl. G. Buchner, Die Metallfärbung und deren Ausübung (Berl. 1891).