Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Maskierung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 605
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Maskierung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 605. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Maskierung (Version vom 29.10.2023)

[605] Maskierung[WS 1] bei niedern Tieren. Man hatte bisher stillschweigend angenommen, daß die List, den eignen Körper mit allerhand fremden Organismen, wie Algen, Schwämmen, Polypen etc., zu bepflanzen, um sich besser zu verbergen, nur den höher stehenden Dekapoden unter den Krebsen, namentlich den Einsiedlerkrebsen und Krabben, eigen sei und ein Zeichen ihrer höhern Intelligenz abgäbe, obwohl man schon lange wußte, daß einige Insektenlarven (wie die der Chrysopen und mancher Schmetterlinge und Käfer), ferner die Seeigel und andre Stachelhäuter dieselbe Praxis befolgen. Nunmehr hat Walker diese instinktive List auch bei einigen Flohkrebsen beobachten können und zwar mit einigen besondern, der Mitteilung werten Umständen. Er hatte eine Anzahl Flohkrebse gefischt und in eine Schale mit Seewasser ausgeschüttet, um den Fang genauer zu untersuchen. Unter den Tieren fiel ihm ein Stück Alge auf, welches scheinbar eigenwillig in dem Wasser umherschwamm, sich gelegentlich zu Boden setzte und dann wieder zu schwimmen begann. Die Untersuchung mit der Lupe ergab, daß das Pflanzenstück von einer Amphipode (Atylus Swammerdamii) umhergeführt wurde, welche es mit den beiden ersten Paaren der Lauffüße festhielt und sich auf dem Boden unter demselben verbarg, da es viel größer war als das Tier selbst. Dieser kleine Krebs verhielt sich also den großen Krabben und Einsiedlerkrebsen ganz ähnlich, die mit großen Blättern über ihrem Rücken, wie mit Sonnenschirmen bewaffnet, am Strande spazieren gehen, wie dies Archer kürzlich wieder bei einer Dorippe am Strande von Singapur beobachtet hat. Es besteht dabei der Unterschied, daß die Krabben und Seespinnen die Fremdkörper mit den eigentümlich verkümmerten und nach dem Rücken emporgerückten, hintersten Beinpaaren sowohl auf den Rücken emporheben (wie Weiß bei Dromia vulgaris in Neapel beobachtete) als festhalten, während die Flohkrebse ihre Vorderfüße benutzen. Bei einer der obigen verwandten Art (Atylus falcatus) fand Walker das erste Beinpaar und seine mächtig entwickelten Klauen durch Dornen und Tuberkeln geradezu zum sichern Festhalten der Maskierungsstücke umgestaltet.

Garstang und Poulton haben vor kurzem darauf aufmerksam gemacht, daß man bei dieser Schutzgewohnheit zwei Gruppen unterscheiden müsse: solche Tiere, bei denen es sich bloß um ein Verbergen unter gleichgültigen Fremdkörpern handelt (allokryptische M.), und solche Tiere, bei denen die Fremdkörper wegen unangenehmer Eigenschaften bekannt und gemieden sind (allosematische M.). Im erstern Falle werden Fremdkörper benutzt, die in der Umgebung vielfach vorhanden sind und daher kein Aufsehen erregen, wie z. B. dort wachsende Algen, Hydroidpolypen u. dgl., oder Dinge, die überhaupt keine Beachtung finden, wie Scherben, Muschelschalen und Reste abgelegter Krebspanzer, wie sie namentlich viele Krabben über sich halten. Zu diesen bloß nach Versteck strebenden Tieren gehören unter den Dekapoden die Arten von Stenorhynchus, Hyas, Dorippe, Maja, Pagurus laevis und Pagurus Bernhardi in der Jugend. Die allosematische M. benutzt dagegen auffallende, mit Trutzfarben geschmückte Tiere, die ein Zeichen (sema) geben, daß es sich um ein „Rühr’ mich nicht an“ handelt. Hierher gehört die bekannte Freundschaft der Einsiedlerkrebse mit den Seerosen, die sie auf ihrem Wohngehäuse ansiedeln (vgl. Symbiose, Bd. 15), und die Gewohnheit der Wollkrabbe (Dromia vulgaris), ihren Rücken mit einem lebhaft orangerot gefärbten Schwamm (Suberites domuncula) zu bedecken, den auch manche Paguren als Schutzdach bevorzugen. Diese Tiere haben ihre Feinde namentlich unter den Sepien und gewissen Fischen, welche die Einsiedlerkrebse aus ihren Schalen herausziehen, aber nicht leicht wagen, ein von einer Seerose oder solchen Schwämmen beschütztes Tier anzugreifen. Garstang überzeugte sich durch Versuche, daß Meerfische nicht zu bewegen waren, Stückchen dieses Schwammes anzurühren; sie schienen vielmehr schon durch den bloßen Geruch desselben vertrieben zu werden. Er rechnet dahin auch gewisse Tunikaten und namentlich zusammengesetzte Tunikaten, wie Atopogaster, mit denen Dromia excavata, nach v. Lendenfelds Beobachtung, ihren Rücken zu bepflanzen pflegt. Auch Dromia vulgaris benutzt statt des roten Schwammes nach Beobachtungen von Waldow und Harder häufig zusammengesetzte Ascidien zu ihrer Bedeckung. Die letztern zeichnen sich vielfach durch lebhafte Farben und eigentümlichen Geruch aus, so daß auch sie geeignet sind, schon aus einiger Entfernung erkannt und vermieden zu werden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vgl. im Hauptteil (Band 11) den Abschnitt zur Biologie im Artikel Maskieren.