Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marschland“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 285
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Marschland. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 285. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marschland (Version vom 16.01.2024)

[285] Marschland (vom niederd. Marsch, s. v. w. Niederung), in Nordwestdeutschland das niedrige fruchtbare, meist durch Dämme oder Deiche gegen Überschwemmung geschützte und durch Kanäle, deren Öffnungen durch Schleusen geschlossen sind, entwässerte Land längs der Flüsse und der Meeresküste. Es findet sich nur da, wo der Wechsel von Ebbe und Flut vorhanden ist, und die Schleusen (Siele) dienen dazu, dem in den Marschen sich sammelnden Wasser zur Zeit der Ebbe den Ausfluß zu gestatten, zur Zeit der Flut aber dem andringenden Außenwasser den Eingang zu verwehren; denn die niedern eingedeichten Marschen liegen zur Flutzeit unter dem Spiegel des Meers oder der angrenzenden Flüsse. Der Boden, der aus dem feinsten Thonschlamm (Schlick) und Sand besteht und meist reich ist an Resten mikroskopischer Organismen (nicht bloß kieselschaliger Diatomeen, sondern auch kalkschaliger Polythalamien, welch letztere im Binnenland fehlen), ist von fast unerschöpflicher Fruchtbarkeit, ermöglicht vor allem in seinem hohen, massigen Graswuchs die ergiebigste Zucht von Milch- und Mastvieh, welche den Reichtum aller Marschländer von dem Mündungsland der Schelde bis nach Nordschleswig längs der Küste der Nordsee begründet. Die Ortschaften liegen entweder an der Grenze dieses Marschlandes gegen das angrenzende Sandland, die Geest (s. d.), oder es werden die einstöckigen Häuser innerhalb der Marsch selbst auf künstlichen Sanderhöhungen (Warften) gebaut. Kanäle und Dämme bilden die Verkehrswege im von Gräben durchschnittenen M. Diese Marschländer sind noch in täglicher, wenngleich sehr langsamer Fortbildung begriffen, indem die Flut, mit Schlick beladen, eine dünne Schicht desselben auf dem von ihr überschwemmten Land absetzt. An den Küsten von Schleswig-Holstein erfolgt die Bildung des Marschlandes hinter der äußern Dünenreihe, welche von Südjütland bis Texel die Inselreihe parallel der Küste bildet; dort ist der Meeresboden so seicht, daß zur Zeit der Ebbe große teils thonige, teils sandige Strecken desselben über das Wasser treten, die sogen. Watten, die dann eine Verbindung zu Land zwischen mehreren Inseln, z. B. zwischen Föhr und Amrum, gestatten. Während hier der Meeresboden selbst das Material zur Erhöhung bildet, ist es vor der Mündung der Ströme der von diesen mitgebrachte und aus dem durch die Flut aufgestauten Wasser niederfallende Schlick, der vorzugsweise an der Fortbildung des Marschlandes arbeitet und bewirkt, daß sich vor den Dämmen Marschvorland absetzt. Was der Mensch von solchem Lande durch Damm- und Schleusenbau mit jahrhundertelangem Fleiße sich zu eigen gemacht, entreißt ihm freilich oft eine einzige mit Sturm verbundene Springflut wieder. Vgl. Allmers, Marschenbuch (2. Aufl., Oldenb. 1875).