Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marmontel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 270271
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Marmontel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 270–271. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marmontel (Version vom 22.12.2023)

[270] Marmontel (spr. -mongtell), Jean François, franz. Schriftsteller, geb. 11. Juli 1723 zu Bort im Limousin, studierte zu Toulouse, nahm schon im 16. Jahr die Tonsur und erhielt hierauf die philosophische Lehrstelle an dem Seminar der Bernhardiner zu Toulouse. Empfehlungen Voltaires führten ihn 1745 [271] nach Paris und öffneten ihm die höhern litterarischen Zirkel daselbst. Der große Erfolg seiner beiden Tragödien: „Denys le Tyran“ (1748) und „Aristomène“ (1749) machte ihn schnell berühmt; er führte nun ein äußerst flottes und an galanten Abenteuern reiches Leben. Seine übrigen (vier) Tragödien fielen durch, ebenso seine ernsten Opern, während seine komischen viel Beifall fanden. Durch Vermittelung der Pompadour erhielt er 1753 das Sekretariat des Bauwesens und 1758 das Privilegium des „Mercure“, welches er aber infolge einer Satire gegen den Herzog von Aumont wieder verlor. Doch erhöhte dies nur seinen Ruhm, ebenso wie die Verdammung seines philosophischen Romans „Bélisaire“ (1767) durch die Sorbonne wegen einiger Sätze über die Toleranz. Seit 1763 Mitglied der Akademie, deren Sekretär er 1783 wurde, und seit 1771 Historiograph von Frankreich, zog er sich beim Beginn der Revolution in die Nähe von Evreux zurück, wo er 31. Dez. 1799 starb, nachdem ihn die Politik nur auf kurze Zeit seiner Einsamkeit entrissen hatte. Seine Hauptwerke sind die ziemlich unmoralischen „Contes moraux“, die er im „Mercure“ veröffentlichte, und welche einen großartigen Erfolg hatten; „Bélisaire“; der poetische Roman „Les Incas“ über die Zerstörung von Peru; die „Éléments de littérature“, eine Sammlung seiner für die Encyklopädie gelieferten Aufsätze, und besonders seine „Mémoires d’un père pour servir à l’instruction de ses enfants“ (1800, 2 Bde.), welche eine interessante und ausführliche Geschichte der berühmten „Salons“ des 18. Jahrh. enthalten, das einzige seiner Werke, welches auch heute noch lesbar ist. Ein Neuerer in der Theorie und nicht frei von romantischen Anwandlungen, übte er in der „Poétique française“ (1763, 3 Tle.) eine strenge Kritik an Racine und Boileau und machte auf eine Laune der Pompadour hin den unglücklichen Versuch, Rotrou u. a. in moderne Formen umzugießen. Zu erwähnen sind noch seine „Leçons d’un père à ses enfants sur la langue française“ (1806, 2 Bde.) und das frivole Gedicht „La Neuvaine de Cythère“ (1820). Seine gesamten Werke wurden herausgegeben von Verdière (Par. 1818–19, 19 Bde.), von Coste (1819, 18 Bde.), von Villenave (1819–20, 7 Bde.); seine „Œuvres choisies“ von Saint-Surin (1824–27, 12 Bde.).