Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marienburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 245246
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Marienburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 245–246. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marienburg (Version vom 30.01.2024)

[245] Marienburg, 1) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Danzig, liegt in fruchtbarer Gegend an der Nogat, über welche hier eine mit schönen Portalbauten ausgestattete eiserne Gitterbrücke auf betürmten

Wappen von Marienburg.

Pfeilern und eine Pontonbrücke führen, im Knotenpunkt der Linien Dirschau-Seepothen und Thorn-M. der Preußischen Staatsbahn wie der Eisenbahn M.-Mlawka, 15 m ü. M. Sehenswert ist der Markt, dessen Häuser an ihren schmalen Giebelfassaden nach italienischer Art mit bedeckten Gängen (Lauben) versehen sind. Am Markt steht auch das Rathaus, ein würdiger Bau aus dem 15. Jahrh. Gottesdienstlichen Zwecken dienen eine evangelische und 2 kath. Kirchen (unter letztern die Schloßkirche). Ein ganz besonderes Interesse gewährt das Schloß M. (s. unten). Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) 10,136, darunter 5956 Evangelische, 3701 Katholiken und 278 Juden. Die Industrie beschränkt sich auf Maschinen-, Thonwaren- und Wattefabrikation, Müllerei, Wollwäscherei und Ziegelbrennerei, der Handel, unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle und eine Gewerbebank, auf Getreide, Holz, Leinwand. M. hat ein Amtsgericht, ein Gymnasium, eine Landwirtschaftsschule, ein Schullehrerseminar und eine Taubstummenanstalt. Zur Stadt gehört Schloß-Caldowe, westlich von der Nogat gelegen.

Das Schloß M. wurde durch den Landmeister des Deutschen Ritterordens, Konrad von Thierberg, um 1274 (1276 wird es bereits urkundlich erwähnt) gegründet und vielleicht noch gegen Ende des 13. Jahrh. der Massivbau des heutigen Hochschlosses und zwar zunächst der Nordflügel mit der Kirche und dem Kapitelsaal begonnen. 1309 wurde die Marienburg Ordenshaupthaus und Sitz des Hochmeisters, und nun wurde, besonders unter den Hochmeistern Werner von Orseln (1324–30) und Dietrich von Altenburg (1335–41), an dem weitern Ausbau des Hochschlosses eifrig gearbeitet. Es bestand schließlich aus vier einen quadratischen Hof umschließenden, drei Stockwerke hohen Flügeln, in welchen außer den genannten Räumen die gemeinsamen Schlaf- und Speisesäle der Ritter, die Vorratsräume etc. sich befanden. Alles war in einem edlen Baustil aus Ziegelsteinen erbaut und künstlerisch reich ausgebildet. Um das Schloß zogen sich Gräben, Mauern und feste Türme. Nördlich von der Burg selbst lag die Vorburg mit den Pferde- und Viehställen und den Gebäuden zur Aufnahme der Vorräte und des Kriegsmaterials. Als um die Mitte [246] des 14. Jahrh. die Burg, besonders auch für den Hofstaat des Hochmeisters, eines der mächtigsten und angesehensten Fürsten seiner Zeit, sich zu klein erwies, wurde auf der Stelle der alten Vorburg das Mittelschloß vorzugsweise als Residenz des Hochmeisters erbaut, die neue Vorburg weiter nach N. verlegt und dieses Mittelschloß dann unter der Regierung des Hochmeisters Winrich von Kniprode (1351–82) mit großem Kunstsinn ausgeführt. 1457 wurde die Ordensburg von den Söldnern an den König von Polen verkauft, auch die Stadt mußte sich ergeben, und der Bürgermeister Bartholomäus Blume endete auf dem Schafott. Fast ganz Westpreußen, und mit ihm M., wurde 1466 polnische Provinz und M. auf lange Zeit Sitz polnischer Starosten. Während des schwedisch-polnischen Kriegs schloß hier der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm mit dem König Karl X. Gustav von Schweden 25. Juni 1656 einen Vertrag, durch welchen jener vier polnische Woiwodschaften als souveränen Besitz erhielt und beide sich zu gegenseitiger Unterstützung gegen Polen verpflichteten (s. Labiau). 1708 hielt König Stanislaus Leszczynski mit großem Gefolge vier Monate lang in M. Hof, später August II. mit der Gräfin Cosel. Während des Siebenjährigen Kriegs hausten die Russen in M. 1772 fiel M. an die Krone Preußen. Das Schloß hatte durch Mißbrauch und Vernachlässigung arg gelitten und war sehr verunstaltet worden; schließlich sollte es 1803 ganz abgebrochen werden. Da machte ein Zeitungsartikel des Dichters Max v. Schenkendorf auf den hohen historischen und künstlerischen Wert des Schlosses aufmerksam und veranlaßte schließlich eine in den Jahren 1817–42 gründlich ausgeführte und im allgemeinen würdige Restauration desselben, deren Seele der Oberpräsident v. Schön war. Im Hochschloß ist nur die Kirche restauriert, die andern Räume dienen als Magazine. Unter der Schloß- oder Marienkirche befindet sich die Annakapelle mit der Gruft der Hochmeister. In einer Nische der Kirche steht die 6,50 m hohe Statue der Mutter Gottes mit dem Kind, in Hochrelief mit Glasmosaik auf Goldgrund farbig ausgeführt, ein Meisterwerk musivischer Auslegung plastischer Form aus dem J. 1340. Neben der Kirche steht der hohe Glockenturm, der zugleich zur Ausschau in die Umgebung der Burg diente. Im Mittelschloß sind besonders sehenswert der Konventsremter, der große und der kleine Remter und die Kapelle. In diesen herrlichen gotischen Palasträumen feierte die Provinz Westpreußen 12. und 13. Sept. 1872 in Gegenwart Kaiser Wilhelms I. das 100jährige Jubelfest ihrer Wiedervereinigung mit Preußen. Damals legte auch der Kaiser den Grundstein zu dem auf der Esplanade zwischen Schloß und Eisenbahn zu errichtenden Denkmal Friedrichs II., welches von Siemering in Erz ausgeführt und 1877 enthüllt wurde. Den Sockel umgeben die Statuen der vier Hochmeister: Hermann von Salza, Siegfried von Feuchtwangen, Winrich von Kniprode und Albrecht von Hohenzollern. Die besten Abbildungen des Schlosses M. enthält das Kupferwerk von Frick: „Schloß M.“ (Berl. 1803); eine kritische Untersuchung in betreff der Baugeschichte lieferte v. Quast in den „Preußischen Provinzialblättern“ (1851); eine genaue Beschreibung des Vorhandenen Büsching („Schloß der Deutschen Ritter zu M.“, Berl. 1828) und Witt („M.“, Königsb. 1854). Vgl. außerdem J. Voigt, Geschichte Marienburgs (Königsb. 1824); v. Eichendorff, Wiederherstellung des Schlosses M. (das. 1841); Bergau, Das Ordenshaupthaus M. (Berl. 1871).

2) Schloß im preuß. Regierungsbezirk Hannover, Kreis Springe, an der Leine und unweit des Bahnhofs Nordstemmen (an der Linie Hannover-Kassel der Preußischen Staatsbahn), erbaut von Hase und Oppler. – 3) Schloß im preuß. Regierungsbezirk Hildesheim, 4 km südöstlich von Hildesheim, nach welchem der Kreis M. benannt ist.