Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 219220
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Marburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 219–220. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marburg (Version vom 14.04.2021)

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Wappen von Marburg.

Marburg, 1) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, zu beiden Seiten der Lahn und an der Linie Kassel-Frankfurt a. M. der Preußischen Staatsbahn, 182 m ü. M., liegt zum größern Teil auf den Terrassen eines bis zum Flußufer allmählich sich abdachenden, mit einem altertümlichen Schloß gekrönten Bergrückens am rechten, zum kleinern Teil (Vorstadt Weidenhausen und der Bahnhof) am linken Lahnufer. Beide Stadtteile sind durch zwei Brücken verbunden. Das Innere der Stadt trägt den Charakter einer altertümlichen Bergstadt. Zu den vorzüglichsten Gebäuden gehört das Schloß (in gotischem Stil). Der interessanteste Teil desselben ist der schöne, vom Landgrafen Heinrich I. 1277 begonnene und 1312 vollendete, 36 m lange Rittersaal, in welchem 1529 das Marburger Religionsgespräch (s. unten) abgehalten worden sein soll. Diesem schräg gegenüber befindet sich die jetzt außer Gebrauch gesetzte Schloßkapelle, welche, wie auch der Rittersaal, neuerdings restauriert worden ist. Das Schloß enthält seit 1867 das hessische Staatsarchiv. Eine große Zierde der Stadt ist die von 1235 bis 1283 vom Deutschen Ritterorden erbaute, 1850–67 durchaus restaurierte Elisabethkirche im reinsten frühgotischen Stil, mit dem prächtigen Grabdenkmal der heil. Elisabeth und zwei schlanken Türmen von 74,29 m Höhe; die lutherische Pfarrkirche im gotischen Stil (im 13. Jahrh. begonnen, aber erst im 15. vollendet), mit den Denkmälern der Landgrafen Ludwig IV. und V.; die Kugelkirche, ein spätgotischer, jetzt den Katholiken eingeräumter Bau; das Rathaus und das neue Universitätsgebäude gotischen Stils. Die Zahl der Einwohner betrug 1885 mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 80) 12,668, darunter 1082 Katholiken und 349 Juden. Die Industrie beschränkt sich auf Gerberei, Fabrikation von Maschinen, chirurgischen Instrumenten und Zinnwaren, Töpferwaren, Schuhwerk und Spielzeug, Kunsttischlerei und -Schlosserei und Bierbrauerei. Von Behörden befinden sich dort: ein Landgericht, ein Hauptsteueramt und eine Oberförsterei. Unter den Schulen nimmt die Universität den ersten Rang ein. Dieselbe besitzt eine Bibliothek von über 120,000 Bänden, ein mathematisch-physikalisches Institut mit Sternwarte, ein mineralogisches Kabinett, einen botanischen Garten etc. Die Zahl der Studierenden betrug im Sommersemester 1887: 1009. Sonst befinden sich in M. ein Gymnasium, ein Realprogymnasium, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein Landkrankenhaus, ein Waisenhaus etc. Unter den durch Naturschönheit ausgezeichneten Umgebungen verdienen namentlich der Frauenberg, der Dammelsberg, Augustenruhe, der St. Elisabethbrunnen bei Schröck und das Dorf Marbach mit einer vielbesuchten Kaltwasserheilanstalt sowie die schönen Anlagen der Spiegelslust Erwähnung. – Zum Landgerichtsbezirk M. gehören die 20 Amtsgerichte zu Amöneburg, Battenberg, Biedenkopf, Borken, Frankenberg, Fronhausen, Gladenbach, Homberg, Jesberg, Kirchhain, M., Neukirchen, Neustadt, Oberaula, Rauschenberg, Rosenthal, Treysa, Vöhl, Wetter und Ziegenhain.

Der Name der Stadt M. kommt urkundlich zu Anfang des 13. Jahrh. vor. Landgraf Ludwig der Heilige von Thüringen erteilte ihr 1227 Stadtrechte, und nach dem Tode dieses Fürsten wurde M. zum Wittum für seine Witwe Elisabeth bestimmt, die nächst der Lahn, am nordöstlichen Fuß des Schloßbergs, ein Hospital erbaute (s. Elisabeth 14). Ihr Grab, über dem der Deutsche Orden 1235–83 eine schöne Kirche erbaute, ward bald ein vielbesuchter Wallfahrtsort. Schon beim Erlöschen des thüringischen Mannsstammes (1247) war M. die zweite Stadt Hessens, die Burg aber wurde seitdem die mit Kassel wechselnde Residenz der hessischen Landgrafen. Hier schloß König Ruprecht 4. März 1410 mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg und dem Landgrafen von Hessen einen Bund gegen den Erzbischof Johann von Mainz. Landgraf Philipp der Großmütige stiftete 1527 die Hochschule, die erste protestantische, und berief die bedeutendsten Reformatoren der lutherischen und reformierten Kirche, Luther und Melanchthon, Zwingli und Ökolampadius, 1529 zu einem Religionsgespräch nach M. Man disputierte vom 1.–4. Okt. über die Lehre vom Abendmahl, gelangte zwar nicht zur Einigung, doch unterschrieben auch die reformierten Theologen die von Luther formulierten 15 Artikel (Marburger Artikel) über die gemeinsamen reformatorischen Grundanschauungen (vgl. Schmitt, Das Religionsgespräch zu M., Marb. 1840; Schirrmacher, Briefe und Akten zu der Geschichte des Marburger Religionsgesprächs, Gotha 1876). Unter dem Landgrafen Ludwig IV. (1567–1604) war M. der Sitz einer hessischen Seitenlinie; nach längerm Streit zwischen den beiden hessischen Hauptlinien ging es 1648 durch den Vergleich von Kassel an Hessen-Kassel über. Im Dreißigjährigen Krieg ward das Schloß 1647 durch den hessen-kasselschen Oberstleutnant Stauf gegen die Kaiserlichen unter dem Grafen Holzapfel erfolgreich verteidigt. Im Siebenjährigen Krieg wurde die Stadt im Juli 1758 von den Franzosen besetzt. Zwar mußte die Besatzung sich einem Belagerungsheer der Verbündeten 11. Sept. 1759 ergeben, aber schon 30. Juni 1760 fiel M. von neuem in die Hände der Franzosen. Vergeblich versuchten die Verbündeten in der Nacht vom 14.–15. Febr. 1761 eine Überrumpelung, ebensowenig glückten zwei Belagerungen, die im nächsten Monat und Ende August 1762 vorgenommen wurden. Ende Dezember 1806 war M. Schauplatz einer Erhebung der hessischen Bauern gegen die Franzosen, doch wurden jene bald zerstreut. Ein neuer, von dem greisen Oberst Emmerich 24. Juni 1809 geleiteter Aufstand hatte denselben Erfolg; Emmerich selbst ward in Kassel erschossen. Schon unter Landgraf Friedrich II. waren die städtischen Befestigungen von M. geschleift worden; 1810 und 1811 wurden nun auch die Befestigungen des Schlosses von den [220] Franzosen gesprengt. Vgl. Kolbe, Die Einführung der Reformation in M. (Marb. 1871); Derselbe, Die Kirche der heil. Elisabeth zu M. (2. Aufl., das. 1882); Justi, Geschichte der Universität M. (das. 1827); Dithmar, Aus der Vorzeit Marburgs und seiner Umgegend (das. 1872); Kolbe, Die Sehenswürdigkeiten Marburgs (das. 1884).

2) Stadt in Steiermark, 274 m ü. M., am linken Ufer der schiffbaren Drau und an der Südbahnlinie Wien-Triest, von welcher hier die Linie nach Kärnten und Tirol abzweigt, ist freundlich gebaut, hat mehrere Plätze, 2 Brücken, eine 1548 erbaute Kathedrale, ein Kasino mit Theater, einen Stadtpark mit den Denkmälern Kaiser Josephs II., des Erzherzogs Johann und des in M. gebornen Vizeadmirals Tegetthoff und 1880 mit Militär (1604 Mann) 17,628 Einw. vorwiegend deutscher Nationalität (die Umgebung hat meist slowenische Bewohner). An Industrieetablissements besitzt die lebhaft aufblühende Stadt mehrere Leder- und Schuhwarenfabriken, Dampfmühlen, Bindereien, Kaffeesurrogat- und Likörfabriken, Bierbrauereien, eine Champagnerfabrik, eine Gasanstalt und große Werkstätten der Südbahn. In der Umgebung befinden sich mehrere Glasfabriken. Von großer Bedeutung ist auch der Handel, namentlich mit dem in der Umgegend stark angebauten Wein, mit Holz und den Industrieprodukten. An Kreditinstituten besitzt M. eine Eskomptebank und eine Sparkasse (6 Mill. Gulden Einlagen). M. ist der Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung; M. selbst ist Stadt mit eignem Statut), zweier Bezirksgerichte, einer Finanzbezirksdirektion sowie des Fürstbischofs von Lavant und hat ein Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine theologische Diözesanlehranstalt, Lehrerbildungsanstalt, Wein- und Obstbauschule, ein öffentliches Krankenhaus, ein Militärspital und ein Bürgerversorgungshaus. Das Schloß Obermarburg, welches nördlich der Stadt auf einem Bergkegel stand, ist ganz zerstört. Westlich von M. liegt das Dorf Maria Rast, mit besuchter Wallfahrtskirche, Fundort bedeutender römischer Altertümer. 1480 und 1481 wurde M. von Matthias Corvinus vergeblich belagert. Vgl. Puff, M. (Graz 1847, 2. Bde.).