Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Malesherbes“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 159160
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Malesherbes. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 159–160. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Malesherbes (Version vom 04.12.2023)

[159] Malesherbes (spr. mall’sérb), Städtchen im franz. Departement Loiret, Arrondissement Pithiviers, an der Essonne und der Eisenbahn Paris-Montargis (mit Abzweigung nach Orléans), hat eine Kirche aus dem 13. Jahrh., ein unter Ludwig XIII. umgebautes Schloß und (1881) 1405 Einw.

Malesherbes (spr. mall’sérb), Chrétien Guillaume de Lamoignon de, franz. Minister, geb. 6. Dez. 1721 zu Paris, ward 1745 Parlamentsrat und 1750 Präsident bei der Steuerkammer, in welcher Stellung er Freimütigkeit und Gerechtigkeitsliebe bekundete. Da er 1771 in einem öffentlichen Sendschreiben an Ludwig XV. die Rechte des Parlaments verteidigte und um die Einberufung der Generalstaaten bat, wurde er auf seine Güter verbannt. 1774 von Ludwig XVI. mit dem Ministerium des Innern betraut, versuchte er mit dem Finanzminister Turgot die Reform des Staatswesens durch Einführung gleicher Besteuerung, freien Handels und freier Gewerbe, nahm jedoch, als infolge der Ränke der verletzten Privilegierten Turgot 12. Mai 1776 seine Entlassung erhielt, gleichfalls seinen Abschied und widmete nun seine Muße naturhistorischen Studien. 1787 ward er zwar wieder in den Staatsrat berufen, trat jedoch bald wieder aus demselben, da seine Vorschläge wenig Gehör fanden. Nach dem Ausbruch der Revolution ermahnte er die Nationalversammlung zur Mäßigung und den König zu Nationalsinn [160] und Festigkeit. In dem Prozeß des letztern erbot er sich unaufgefordert zu seinem Verteidiger und führte binnen acht Tagen mit zwei vom König gewählten Gehilfen die Arbeit aus, die sämtlichen Anklagepunkte und darauf bezüglichen Aktenstücke zu untersuchen und zu ordnen, sich mit dem Angeklagten darüber zu besprechen und darauf eine Verteidigung zu gründen, welche Desèze 26. Dez. 1792 im Konvent vortrug. Als der Konvent gleichwohl das Todesurteil aussprach, erschien M. 19. Jan. 1793 nochmals vor den Schranken des Konvents und beschwor die Versammlung unter Thränen, vor der Vollziehung des Urteils die Zustimmung der Nation einzuholen. Als alle Bemühung vergebens war, kehrte er auf seinen Landsitz zurück. Im Dezember 1793 wurde er mit seiner ganzen Familie angeklagt, sich in eine Verschwörung gegen die Republik eingelassen zu haben, und 22. April 1794 guillotiniert. Ludwig XVIII. ließ ihm 1826 im Justizpalast zu Paris ein Denkmal setzen; auch trägt der Boulevard M. in Paris seinen Namen. Von M.’ zahlreichen Schriften über Landbau, Botanik und Politik sind später mehrere herausgegeben worden: „Mémoires pour Louis XVI“; „Mémoires sur la librairie et la liberté de la presse“ (Par. 1809); „Œuvres choisies“ (das. 1809). Sein Leben beschrieben Dubois (3. Aufl., Par. 1806), Gaillard (das. 1805), Boissy d’Anglas (das. 1818, 2 Bde.), Dupin (das. 1841). Vgl. Vignaux, Mémoires sur Lamoignon de M. (Par. 1874).