Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 11 (1888), Seite 109113
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Mailand. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 109–113. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mailand (Version vom 23.11.2023)

[109] Mailand (Milāno, lat. Mediolanium), ital. Provinz in der Lombardei, grenzt im N. an die Provinz Como, im O. an Bergamo und Cremona, im S. an Piacenza und Parma, im W. an Novara und hat ein Areal von 2992 qkm (n. Strelbitsky 3143 qkm oder 57,1 QM.), wovon der überwiegende Teil der lombardischen Ebene und nur ein kleiner Teil dem den Alpen südlich vorgelagerten Hügelland angehört. Von größern Flüssen bilden Po, Ticino und Adda nur die Grenzen der Provinz, das Innere derselben wird von kleinern, im Sommer wasserarmen Flüssen, wie Olona, Lambro etc., außerdem aber von einem reichen Netz von Bewässerungs- und Schiffahrtskanälen erfüllt. Andre Verkehrswege, wie Straßen und Eisenbahnen, sind reichlich vorhanden. Die Haupterwerbszweige bilden eine außerordentlich ergiebige Wiesenkultur, welche oft siebenmalige Mahd im Jahr gestattet und mit bedeutender Viehzucht, Butter- und Käsebereitung im Zusammenhang steht, der Reisbau, welchem etwa 550 qkm gewidmet sind, die Maulbeerbaum- und Seidenzucht; außerdem Getreide-, Flachs-, Obst- und Weinbau, die weitere Verarbeitung der Seide, Baumwollmanufaktur, Papierfabrikation und andre Industriezweige. Die Provinz zerfällt in die fünf Kreise: Abbiategrasso, Gallarate, Lodi, M. und Monza. S. Karte „Oberitalien“.

Die Stadt Mailand.
(Vgl. beifolgenden Stadtplan.)

Die gleichnamige Hauptstadt liegt in weiter, fruchtbarer Ebene, 120 m ü. M., an dem Flüßchen Olona, welches durch den Kanal Naviglio grande mit dem Ticino und dem Lago Maggiore, durch den Kanal von Pavia gleichfalls mit dem Ticino, durch den Kanal Martesana mit der Adda und dem Comersee in Verbindung steht, und ist Knotenpunkt der oberitalienischen Eisenbahnen, welche von dem 1864 eröffneten Zentralbahnhof nach allen Richtungen ausgehen.

[Ξ]

MAILAND.
Maßstab 1 : 19 000

[110] Das Klima ist nicht ungesund, aber im Sommer oft drückend heiß, im Winter sehr kalt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt 12,8° C.; die Monatstemperaturen bewegen sich zwischen 23,8 und 0,7° C. Die Regenmenge beträgt 983 mm (62 Regentage); Schnee fällt an 18 Tagen. Durch seine geographische Lage als Mittelpunkt der Poebene,

Wappen von Mailand.

durch die Fruchtbarkeit seiner Umgebung und durch seine Industrie war M. schon im Altertum eine blühende Stadt. Von den Italienern „la grande“ genannt, charakterisiert sie sich unter den italienischen Städten durch das Walten modernen Lebens in seiner vollsten Bewegung. Sie übertrifft an Handel, Industrie, Verkehr, an Reichtum und Wohlthätigkeitsanstalten alle andern italienischen Städte.

[Stadtteile, Plätze etc.] M. bildet ein fast kreisförmiges Ganze von 12,348 m Umfang und ist von breiten, mit Bäumen bepflanzten Wällen umgeben, welche die Stadt von den Vororten, den Corpi Santi, trennen. Ein Kanal scheidet die eigentliche Stadt von den ehemaligen Vorstädten. Die Altstadt enthält neben engen, unregelmäßigen Gassen breite, mit schönem Pflaster und Fahrbahnen von starken Steinplatten versehene Straßen mit stattlichen Palästen und eleganten Läden. Das Zentrum der Stadt und des Verkehrs ist der 1870 nach dem Plan Mengonis erweiterte große Domplatz, welcher den Glanzpunkt der Stadt, den Dom, mit imposanten Gebäuden und an der Nord- und Südseite mit hoch gewölbten Arkaden umgibt. Der prächtige Bogengang der Galleria Vittorio Emmanuele (s. unten) führt von da zur Piazza della Scala (mit dem Denkmal Leonardo da Vincis). Westlich stößt an den Domplatz die Piazza dei Mercanti, der älteste Stadtmittelpunkt von M. Die schönsten Straßen sind der belebte Corso Vittorio Emmanuele mit seiner Fortsetzung, dem stattlichen Corso Venezia, dann die Via Torino, Corso di Porta Romana, die Via Alessandro Manzoni und die anschließenden Corsi di Porta Nuova und Principe Umberto. Unter den 14 Thoren ist das prachtvollste der Arco della Pace oder del Sempione, welcher 1807 zur Verherrlichung der Thaten Napoleons I. (von Cagnola) aufgeführt, dann 1814 dem Frieden geweiht wurde. Er ist nach dem Muster der römischen Triumphbogen in weißem Marmor ausgeführt, enthält zahlreiche Skulpturen und trägt auf der Plattform eine Friedensgöttin mit sechsspännigem Siegeswagen (von Sangiorgio). Schöne Thore sind auch die Porta Venezia mit Reliefs und Statuen (1828) und die 1861 restaurierte Porta Ticinese mit schönem Relief.

[Bauwerke.] Von den 85 Kirchen ist die hervorragendste der Dom, die glänzendste gotische Kathedrale Italiens und nächst der Peterskirche die größte Kirche des Landes. In ihrem Plan weist sie große Verwandtschaft mit dem Kölner Dom auf, doch zeigen namentlich das Vorherrschen der wagerechten Linien und die Häufung des Ornamentalen die völlige Veränderung des gotischen Baustils durch die lombardischen Baumeister. Er wurde 1386 unter Johann Galeazzo Visconti begonnen. Als Baumeister werden sodann Hans v. Fernbach, Nikolaus Bonaventis, Heinrich v. Gmünd, Ulrich Füssinger, Johann Niesenberger, dann in der Zeit der Renaissance Dolcebuono Solari und Pellegrino Tibaldi, bis 1616, genannt. Napoleon I. endlich ließ 1805–13 den Dombau durch Ausführung der neuen Fassade und des Mittelturms vollenden. Gegenwärtig ist die Wiederherstellung der Fassade im alten gotischen Stil des Doms projektiert. Das Äußere des Doms übt durch das prachtvolle Material (weißer Marmor vom Lago Maggiore), durch die zahlreichen am Dach emporsteigenden Spitztürme und durch die verschwenderische Fülle von Bildwerken (6000) einen überwältigenden Eindruck aus. Das baulich bedeutendere Innere wirkt als mächtige, weite Halle. Es ist ein fünfschiffiges Langhaus, welches von einem dreischiffigen Querbau durchschnitten wird und 148 m in der Länge, 88 m in der Breite (des Querschiffs) und bis zur Turmspitze 108 m in der Höhe mißt. Die hohen Pfeiler (52) tragen schwere Tabernakel mit Statuen. Sehenswerte Kunstwerke im Innern sind: das Denkmal des Kanonikus Vimercati, die Grabmäler der Brüder Giovanni und Gabriele de’ Medici, das Standbild des geschundenen Bartholomäus, das Denkmal des Kardinals Caracciolo, Altarreliefs von Agostino Busti, die Statue Pius’ IV., der siebenarmige Bronzeleuchter, ein vollendetes spätmittelalterliches Dekorationsstück, etc. Von der obersten Galerie des Mittelturms genießt man eine köstliche Aussicht auf die Stadt, die lombardische Ebene und die Alpenkette. Vgl. Franchetti, Storia e descrizione del duomo di Milano (Mail. 1821); Rupp und Bramati, Descrizione storico-critica del duomo di Milano (das. 1823). Unter den übrigen Kirchen verdienen noch Erwähnung: die von San Lorenzo, ein altchristlicher Bau aus dem 4. Jahrh. mit kühner Pfeiler- und Kuppelkonstruktion, vor welcher ein altrömischer Portikus von 16 kannelierten korinthischen Marmorsäulen (wahrscheinlich Thermenreste) steht; die frühromanische Kirche Sant’ Ambrogio, an deren Hauptaltar neun Kaiser die Eiserne Krone empfingen, mit Vorhof, Mosaiken und Altarbekleidung aus dem 9. Jahrh., reicher Marmorkanzel und altem Sarkophag mit Reliefs; San Fedele, ein einfacher Bau Pellegrinis (von 1560); Monastero Maggiore (1503 bis 1519 erbaut und mit schönen Fresken von Bern. Luini und seiner Schule versehen); Santa Maria delle Grazie aus dem 15. Jahrh., nach Bramantes Plan ergänzt, mit weiter Kuppel und schöner Außendekoration (daneben im ehemaligen Refektorium das berühmte Abendmahl von Leonardo da Vinci); San Satiro mit herrlicher Sakristei von Bramante und die jüngste der Kirchen Mailands, San Carlo, eine runde Kuppelkirche mit stattlichem Säulenvorbau (1836–47 von Amati erbaut).

Unter den Palästen ist in erster Reihe der Palazzo di Brera zu nennen, im 12. Jahrh. als Ordenshaus der Humiliaten errichtet und nach der Aufhebung dieses Ordens durch Pius V. (1571) in ein Jesuitenkollegium umgewandelt, jetzt der Kunstpalast von M., mit großem Säulenhof, welcher mit zahlreichen Statuen und in der Mitte mit dem Bronzestandbild Napoleons I., nach dem Modell Canovas 1810 gegossen, geschmückt ist. Der Palast enthält die berühmte Pinakothek, welche unter der Napoleonischen Herrschaft entstand und als Hauptschätze Raffaels Sposalizio, Leonardo da Vincis Christuskopf, die Fresken von Bernardino Luini und Gaudenzio Ferrari und Bilder von Mantegna, Gentile und Giovanni Bellini, Cima, Crivelli, Lorenzo Lotto, Guercino, Albani, Tizian, van Dyck u. a. enthält. Außerdem befindet sich hier das archäologische Museum (darin unter andern das schöne Grabdenkmal von Gaston de Foix von Ag. Busti), eine Sammlung von Gipsabgüssen, eine Münzsammlung, die Bibliothek mit 155,000 Bänden, das Observatorium und die Akademie der schönen Künste. [111] In dem ehemaligen Cistercienserkloster des heil. Ambrosius befindet sich die berühmte Biblioteca Ambrosiana, 1609 durch den Kardinal Federigo Borromeo gegründet, mit über 160,000 gedruckten Werken, 15,000 Manuskripten (darunter der Homerische Kodex aus dem 4. Jahrh.), einer Sammlung von Kupferstichen, Kartons, Handzeichnungen und Gemälden (darunter L. da Vincis Bildnis der Bianca Maria, Raffaels Studienkarton zur Schule von Athen). Von Palästen sind noch zu erwähnen: Palazzo reale, das 1771 umgebaute ehemalige Schloß der Visconti mit altem Turm und Fresken von Bern. Luini, Andrea Appiani u. a.; der erzbischöfliche Palast, unter Carlo Borromeo 1570 durch Pellegrini umgebaut, mit schönem Hof; der Munizipalpalast, ein 1558 von Galeazzo Alessi erbautes Meisterstück der Spätrenaissance; der Palazzo della Ragione, ehemals Gerichtshalle, jetzt das Notariatsarchiv enthaltend; Palazzo Poldi-Pezzoli mit sehenswertem Museum, welches namentlich vorzügliche Gemälde aus der Schule Leonardo da Vincis, dann Waffen und kunstgewerbliche Objekte enthält; Palazzo Serbelloni-Busca, 1794 von Cantoni erbaut; Palazzo Ciani mit Reliefs aus der modernen Befreiungsgeschichte Italiens; Villa reale, 1790 erbaut und Napoleon I. geschenkt, gegenwärtig Eigentum des Königs; Broletto, einst der Palast des Generals Carmagnola, später Munizipalpalast, seit 1860 Finanzgebäude; das Museo Civico (mit reicher naturgeschichtlicher Sammlung) und der Salone (mit der städtischen Kunstsammlung, namentlich Münzen u. Gemälde enthaltend); das neue Sparkassengebäude. Ein großartiges Bauwerk ist die Galleria Vittorio Emmanuele, ein 1865–67 von Mengoni erbauter Bogengang, welcher ein 14,5 m breites Kreuz mit kürzern Seitenarmen (195 m zu 105,5 m) bildet und vier Paläste auseinander hält, die im Erdgeschoß mit Cafés und Kaufläden ausgestattet sind. Die elektrisch beleuchtete Halle ist einer der beliebtesten Spaziergänge der Mailänder. Unter den Theatern ist am bedeutendsten das 1777 von Piermarini erbaute Opernhaus della Scala, nach San Carlo in Neapel das größte Theater Italiens. Andre Theater sind: Canobbiana, Alessandro Manzoni, Dal Verme; dann 7 kleinere Theater und die 1806 für Volksspiele erbaute Arena, welche 30,000 Zuschauer faßt. Südlich davon liegt das Kastell, aus dem 15. Jahrh., jetzt Kaserne. Der beliebteste Spaziergang sind die Giardini pubblici mit reicher Baum- und Wiesenanlage, kleinem See und zoologischem Garten. Nördlich von der Stadt liegt der von Maciacchini angelegte Friedhof mit schönen Grabmälern. In neuester Zeit sind auf den Plätzen der Stadt mehrere Denkmäler errichtet worden, so die Standbilder Cavours (1865), des Kardinals Borromeo (1865), des Rechtsgelehrten Beccaria (1871) und des Leonardo da Vinci (1872), das Denkmal für das Gefecht von Mentana auf der Piazza Santa Marta (1880) und das Monument Manzonis auf der Piazza San Fedele (1883).

[Bevölkerung und Erwerbszweige.] M. zählt (1881) 214,004, mit den Corpi Santi, der die Vororte von M. umfassenden Gemeinde, 321,839 Einw. und steht mit seiner Bevölkerungszahl unter den italienischen Städten nur hinter Neapel zurück. Die Stadt ist ein bedeutender Industrie- und Handelsplatz und bildet das wichtigste Emporium für den lombardischen Handel in roher Seide, außerdem in Baumwollstoffen, Getreide, Reis und Käse. Der Wert der Wareneinfuhr über das Zollamt M. betrug 1885: 922/3 Mill. Lire. Auf die in M. befindlichen drei Trockenanstalten entfielen 1886 fast 4 Mill. kg Seide (etwa 3/4 der gesamten Seidenbewegung Italiens). Hervorragende Gegenstände der Fabrikation sind Samt und Seidenstoffe, Bänder, Posamentierwaren, Hüte, Papier, Spielkarten, Gold-, Silber- und Bronzearbeiten, Eisenwaren, Maschinen, wissenschaftliche Instrumente, Tischler- und Drechslerarbeiten, Wagen, Leder, Fayence, Porzellan (Fabrik im Vorort San Cristoforo), chemische Produkte, Seife, Zündwaren; außerdem hat M. eine Tabaksfabrik, eine Münze und 36 Buchdruckereien, welche mit einem sehr ausgebreiteten Buchhandel in Verbindung stehen. Die Großindustrie, namentlich die Fabrikation von Garnen und Geweben in Baumwolle, Schafwolle und Leinen, hat ihre Produktionsstätten meist auf das Land verlegt, behielt aber in der Stadt ihren geschäftlichen Mittelpunkt. Den Interessen des Verkehrs dienen große Lagerhäuser, eine Handels- und Gewerbekammer, eine Börse, Hauptstellen der italienischen Notenbanken, mehrere Kredit- und Volksbanken, ein großes Leihhaus, eine bedeutende Sparkasse (mit 112 Filialen und Einlagen von über 300 Mill. Lire), zahlreiche gewerbliche Unterstützungsvereine, Versicherungsanstalten und Aktiengesellschaften, endlich als Verkehrsmittel das reichverzweigte Eisenbahnnetz mit Linien nach Lecce, Como, dem St. Gotthard, Arona, Turin, Alessandria, Genua, Piacenza, Venedig und Bergamo sowie die Dampftramways nach den benachbarten lombardischen Städten. Bei den meisten Neuerungen, welche der moderne Verkehr ins Leben gerufen hat, ist M. für Italien tonangebend geworden. So liefert es das größte Kontingent zum Postverkehr; Telephone, städtische Pferdebahnen und elektrische Beleuchtung haben in keiner andern Stadt Italiens so rasche Verbreitung gefunden wie hier. In der Feuerbestattungsfrage ist es allen Ländern vorangeeilt, indem es 1876 den ersten Verbrennungsofen aufstellte.

[Öffentliche Anstalten.] Unter den Wohlthätigkeitsanstalten (zusammen 360, welche über nahezu 170 Mill. Lire verfügen) sind die bedeutendsten: das allgemeine Krankenhaus (Ospedale maggiore), ein kolossaler Bau mit schöner Fassade (1448 gegründet), mit 2500 Betten, nebst einem Gebär- und Findelhaus; ein Spital der Barmherzigen Brüder, mit besonders schöner innerer Einrichtung, und ein solches der Barmherzigen Schwestern; ein königliches Taubstummeninstitut, Blindeninstitut, Irrenhaus, 2 Waisenhäuser und ein großes Armenversorgungshaus. An Unterrichts- und Bildungsanstalten besitzt es eine wissenschaftlich-litterarische Akademie, welche ihrem Wesen nach einer philosophischen Universitätsfakultät gleichsteht, aber schwach (von ca. 45 Hörern) besucht wird, ein höheres technisches Institut, eine Ackerbauschule, eine Tierarzneischule, eine Hebammenschule, ein Seminar, 2 Lycealgymnasien, ein städtisches Kollegium, ein Nationalkonvikt, 3 technische Schulen, die sehr zahlreich besuchte Akademie der schönen Künste, eine Kunstgewerbeschule, ein Gewerbeinstitut, ein Militärkollegium, 2 Kollegien für Mädchen, das Musikkonservatorium, zahlreiche Elementarschulen und viele Privatlehranstalten, mehrere öffentliche Bibliotheken (darunter die bereits erwähnte Biblioteca Ambrosiana und die Biblioteca Nazionale im Palast Brera), die beiden städtischen Museen, einen botanischen Garten, das königliche lombardische Institut der Wissenschaften und Künste, das Athenäum, die Italienische Gesellschaft der Naturwissenschaften, die physikalisch-medizinisch-statistische Akademie, die Patriotische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften und Künste und den Lombardischen Verein für politische Ökonomie. M. besitzt [112] mehrere Theateragenturen, welche den italienischen und vielen überseeischen Theatern den Bedarf an allem notwendigen Personal und Material liefern, eine Ballettschule, zahlreiche Musikalienhandlungen (darunter die berühmte Firma Ricordi). Es feiert mehrere, teilweise historische Volksfeste. Der Karneval schließt in M. eigentümlicherweise nicht am Aschermittwoch, sondern dauert als Carnevalone noch vier Tage darüber.

M. ist der Sitz eines Präfekten, Erzbischofs, eines Appellhofs, Zivil- und Korrektionstribunals, Assisenhofs, eines Generalkommandos, einer Sicherheitsquästur und zahlreicher andrer Zivil- und Militärbehörden sowie eines deutschen Berufskonsuls. Es ist der Geburtsort des Rechtsgelehrten Beccaria, des Dichters Manzoni (beiden Denkmäler errichtet, s. oben), der Päpste Pius IV. und Gregor XIV. u. a.

Geschichte.

M. wurde als Mediolanium bald nach 400 v. Chr. von den unter Bellovesus in Italien einfallenden Kelten gegründet und war Hauptort der Insubrer. Nach der Eroberung dieser Landschaft durch die Römer 222 wurde es römische Provinzialstadt und blühte bald zu einer der bedeutendsten Städte Oberitaliens auf; berühmt waren namentlich seine Lehranstalten. Kaiser Hadrian machte es zur römischen Kolonie. Kaiser Maximianus erhob M. 303 n. Chr.[WS 1] zur kaiserlichen Residenz wegen ihrer größern Nähe an der stets von Kriegen bedrohten nördlichen Reichsgrenze, und es blieb ein Jahrhundert lang Hauptstadt der westlichen Kaiser. 539 wurde es von den Ostgoten zerstört. Im September 569 n. Chr. besetzten die Langobarden M. Karl d. Gr. vereinigte es samt ganz Oberitalien mit dem fränkischen Reich, und mehrere seiner Nachfolger ließen sich zu M. mit der Eisernen Krone krönen. Nachdem Otto I., der sich ebenfalls hier krönen ließ, Italien unterworfen hatte, wurde M., wie die andern lombardischen Städte, durch kaiserliche Statthalter regiert. Zu Ende des 11. Jahrh. bildeten sich besondere Vereinigungen (compagnie) der einzelnen Stände, deren Vorsteher (consules) die Gerichtsbarkeit an sich brachten. Als Haupt des Lombardischen Städtebundes stand M. den deutschen Kaisern stets feindlich gegenüber und gab hauptsächlich Veranlassung zu den wiederholten italienischen Feldzügen Friedrichs I. Barbarossas. Derselbe belagerte die Stadt, die damals über 60,000 Mann zu verfügen hatte, vom 6. Aug. bis 3. Sept. 1158 und zwang sie durch Hunger zur Übergabe. Als er hierauf in M. die Bestätigung der Konsuln und die Regalien für sich beanspruchte, fiel die Stadt von neuem von ihm ab, wurde aber nach langer Belagerung vom 29. März 1161 bis 1. März 1162 abermals zur Übergabe gezwungen. Der Kaiser gebot allen Bürgern auszuziehen, ließ die Stadt hierauf plündern und bis auf die Kirchen zerstören. Aber schon seit 1167 wurde sie wieder aufgebaut und blühte so rasch empor, daß sie bereits 1176 wieder an der Spitze der Lombarden dem Kaiser bei Legnano entgegentreten konnte. In dem Konstanzer Frieden 1183 erkannte M. als Freie Stadt den Kaiser als obersten Lehnsherrn an, gewährte ihm das Bestätigungsrecht der Konsuln, behielt aber die Einkünfte aus den Domänen für immer. Dann entbrannte im Innern der Kampf um die Herrschaft zwischen den beiden Geschlechtern der (ghibellinischen) de’ Visconti und (guelfischen) della Torre. Pagano della Torre wurde 1237 nach der unglücklichen Schlacht bei Corte Nuova von der guelfischen Partei zum Podesta von M. ernannt. Ihm folgten in derselben Würde seine Neffen Martino (1257–63) und Filippo (1263–65) und dann beider Neffe Napoleon. Dieser gewann Brescia und wurde 1274 von Rudolf von Habsburg zum kaiserlichen Reichsvikar in M. ernannt. Doch sein Hauptgegner, der Erzbischof Otto Visconti (seit 1263), besiegte ihn 1277 bei Desio, nahm ihn gefangen und beherrschte M., bis er 1287 seinen Neffen Matteo Visconti zum Capitano del popolo erwählen ließ. Matteo, 1294 von Adolf von Nassau zum Vikar ernannt, wurde 1302 von den Torre vertrieben, jedoch 1311 von Heinrich VII. wieder eingesetzt und ihm die Signorie übertragen. Er erweiterte sein Gebiet durch die Erwerbung von Como, Pavia, Bergamo, Piacenza, Parma, Verona, Mantua, Alessandria und Tortona. Sein Enkel Azzo (1328–39) bemächtigte sich bis 1337 der ganzen Lombardei mit Ausnahme von Cremona. Ihm folgte sein Oheim Lucchino, nach diesem 1349 dessen Bruder, Erzbischof Giovanni, der Bologna und Genua erwarb. Nach seinem Ableben (1354) teilten seine Neffen Matteo II., Bernabo und Galeazzo II. seine Staaten. Bernabo ließ sich nach Matteos (1355) und Galeazzos Tod (1378) das Vikariat über die ganze Lombardei vom Kaiser Wenzel 1380 übertragen; doch Galeazzos Sohn Giovangaleazzo nahm 1384 seinen Oheim gefangen, ließ ihn und seine Söhne im Kerker vergiften und wurde vom Großen Rat zum Signore von M. ausgerufen (1385). Er vertrieb Antonio della Scala aus Verona und Vicenza, dann Francesco Carrara aus der Mark Treviso und aus Padua und unterwarf später die Städte Pisa, Siena, Perugia und Bologna. Er begann den Bau des Doms zu M. und der Certosa bei Pavia und vollendete den fürstlichen Palast zu Pavia. Kaiser Wenzel verkaufte ihm 1395 für eine Summe von 100,000 Goldgulden den Titel eines Herzogs von M. Wenzels Nachfolger, Kaiser Ruprecht, gedachte zwar M. dem Reich wieder unmittelbar zu unterwerfen; doch wurden seine Truppen bei Brescia von Alberico da Barbiano, Giovangaleazzos Feldherrn, zerstreut (21. Okt. 1401). Sterbend (1402) hatte dieser eine Teilung seiner Länder unter seine noch unmündigen Söhne Gian Maria und Filippo Maria angeordnet, an ihrer Statt herrschte ein Regentschaftsrat. Gian Maria wurde 1412 wegen seiner Grausamkeit ermordet, und Filippo Maria war nun Alleinherrscher. Er gewann durch List und durch die Tapferkeit seines Feldherrn Francesco da Carmagnola viele Städte wieder, die während seiner Minderjährigkeit verloren gegangen waren, und selbst Genua begab sich unter seine Oberhoheit; als sich aber 1425 Florenz und Venedig gegen ihn verbanden, sah er sich genötigt, einen Frieden einzugehen, in welchem Venedig Bergamo und Brescia erhielt (1428). Im Vertrauen auf das Glück der beiden berühmtesten Condottieri seiner Zeit, des Francesco Sforza und Niccolò Piccinino, ergriff er bald die Waffen von neuem. Doch während er eine große venezianische Flotte auf dem Po besiegte, wurde eine Flotte der ihm verbündeten Genuesen von den Venezianern an der ligurischen Küste geschlagen (1431), und Filippo mußte, nachdem er Brescia jahrelang vergeblich belagert, den Venezianern ihre Besitzungen in der Lombardei lassen (1441). Er starb 1447, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Als eine republikanische Regierung von 24 Capitani sich als unfähig erwies, zwang das Volk den Großen Rat, Franz Sforza, Filippo Marias Schwiegersohn, zum Herzog zu wählen (1450). Sein Sohn Galeazzo Sforza (seit 1466) veranlaßte durch Grausamkeit und Verschwendung seine Ermordung [113] (1476), worauf dessen Sohn Giovanni Galeazzo Maria, erst acht Jahre alt, als der rechtmäßige Nachfolger anerkannt wurde. Aber dessen Oheim Lodovico Sforza, mit dem Beinamen il Moro, hielt den jungen Herzog fast in förmlicher Haft und ließ ihn endlich 1494 vergiften, worauf er vom Kaiser Maximilian I. die Belehnung mit dem Herzogtum erhielt. Ludwig XII. von Frankreich, durch seine Großmutter Valentine mit den Visconti verwandt, erhob nun Ansprüche auf M. und besetzte, als man ihm Genua und Neapel nicht als Entschädigung geben wollte, 1499 M. Lodovico bemächtigte sich 1500 mit Hilfe eines Schweizerheers noch einmal der Stadt, ward dann aber von den Söldnern verraten, gefangen und nach Frankreich gebracht. 1504 erteilte Maximilian der französischen Krone die kaiserliche Belehnung mit M. Durch die Niederlage bei Novara ging es aber den Franzosen verloren (1512) und kam an Moros Sohn Maximilian Sforza, wurde jedoch 1515 von Franz I. durch die Schlacht bei Marignano wiedererobert. Der deutsche Kaiser Karl V. entriß es 1521 den Franzosen von neuem und setzte Franz II. Sforza als Herzog ein. Da aber der Kanzler des Herzogs, Morone, ein Bündnis zwischen italienischen Staaten gegen den Kaiser anzettelte, wurde die Stadt von einem kaiserlichen Heer eingeschlossen und nach langer Belagerung eingenommen (1525). 1529 gab der Kaiser das Herzogtum wieder an Franz Sforza; nachdem dieser aber 1535 kinderlos gestorben war, zog Karl V. sein Land ein und übertrug es 1555 seinem Sohn Philipp II. von Spanien, bei welcher Krone es bis zum spanischen Erbfolgekrieg blieb, infolge dessen es 1713 an Österreich kam und mit Mantua die österreichische Lombardei bildete. In dem Wiener Frieden von 1738 und in dem Wormser Vertrag von 1743 wurden Teile davon an Sardinien abgetreten. Nachdem am 13. Mai 1796 die Franzosen das Land besetzt hatten, wurde M. 1797 die Hauptstadt des Cisalpinischen, 1802 der sogen. Italienischen Republik mit Napoleon I. als Präsidenten und 1805 die Hauptstadt des Königreichs Italien. Bei der Auflösung desselben (1814) erhielt Sardinien den früher besessenen Anteil zurück; das übrige vereinigte Österreich unter dem Namen eines Gouvernements mit dem neugebildeten Lombardisch-Venezianischen Königreich. Eine heillose Polizeiwirtschaft (Zensur, Spionendienst) entfremdete der Regierung die Herzen der Bevölkerung. Unruhen und Aufläufe, die seit 2. Jan. 1848 stattfanden, hatten 22. Febr. die Verkündigung des Standrechts für M. und die Lombardei zur Folge; gleichwohl kam es 18. März zu einem blutigen Straßenkampf, und die Österreicher mußten in der Nacht vom 21. zum 22. März die Stadt verlassen. Nach der Niederlage bei Custozza warf sich Karl Albert nach M., mußte es aber nach vergeblichem Kampf 5. Aug. an Radetzky ausliefern. Am 6. Aug. 1849 ward hier der Friede zwischen Sardinien und Österreich geschlossen. Die Beschlagnahme der Güter der Emigrierten, zahlreiche Hinrichtungen und ein unerträglicher Steuerdruck machten die Österreicher noch mehr verhaßt; doch wurde der von Mazzini vorbereitete Aufstand 6. Febr. 1853 leicht unterdrückt. In den italienischen Verwickelungen von 1859 offenbarte M. von Anfang an eine Österreich feindselige Haltung. Nach der verlornen Schlacht von Magenta (4. Juni) verließ die österreichische Besatzung die Stadt, in welche 8. Juni Napoleon III. und König Viktor Emanuel unter dem Jubel der Bevölkerung einzogen. Im Frieden von Villafranca (12. Juli) wurde M., wie die übrige Lombardei, an Napoleon und unmittelbar darauf an Piemont abgetreten. Vgl. Romussi, Milano e suoi monumenti (Mail. 1875); Paravicini, Guida artistico di Milano (das. 1882), „Milano tecnica dal 1859 al 1884“ (hrsg. vom Collegio degli Ingegneri ed Architetti, mit 104 Tafeln, das. 1884); Verri, Storia di Milano (das. 1783, 2 Bde.; neue Ausg., hrsg. von Custodi, das. 1830–1837, 8 Bde.); Rosmini, Istoria di Milano (das. 1820, 4 Bde.); Cantù, Milano e il suo territorio (das. 1844, 2 Bde.); Cusani, Storia di Milano (das. 1862–67, 7 Bde.).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 546
korrigiert
Indexseite

[546] Mailand. Die wirtschaftliche Bedeutung Mailands ist in den letzten Jahren dank dem neuerwachten Unternehmungsgeist der Bevölkerung und einer Reihe fördernder Ereignisse weiter gewachsen. Die Bevölkerung der Stadt, welche 1881: 321,839 Einw. zählte, wird jetzt auf 360,000 angegeben. An industriellen Arbeitern besitzt M. 90,000. Der Handel von M. hat namentlich durch die Herstellung der Gotthardbahn einen großen Impuls erhalten, indem der Wert der Güterbewegung an der Mailänder Zollstelle, welcher vor Eröffnung dieser Bahn 771/2 Mill. Lire darstellte, seither auf 116 Mill. Lire und darüber gestiegen ist. Der Verkehr auf den Mailänder Bahnhöfen umfaßt jährlich ca. 850,000 Ton. Güter, 105,000 Stück Vieh und 3 Mill. Reisende. Die gegenwärtig projektierte Durchbohrung des Simplon und die Herstellung der geplanten Splügenbahn wird der Bedeutung Mailands für den Transithandel weitere Förderung verleihen. Außer dem in M. zusammenlaufenden Bahnnetz (die Stadt ist auch Direktionssitz der großen Mittelländischen Eisenbahngesellschaft Italiens) trägt auch die Entwickelung des lombardischen Kanalnetzes (6600 km) dazu bei, den Verkehr Mailands mit seinem reichen Hinterland intensiver zu gestalten. Ein neues Projekt geht dahin, eine oberitalienische Binnenschiffahrtslinie von Venedig auf dem Po bis Pavia, dann über M. nach dem Lago Maggiore zu organisieren. Zur Belebung des Ausfuhrhandels trägt auch das trefflich geleitet Mailänder Handelsmuseum bei. Überwiegende Bedeutung für ganz Italien hat M. ferner als Finanz- und Bankplatz; so ist z. B. der Umsatz im Mailänder Clearing-house von 2565 Mill. Lire (1884) auf 7972 Mill. Lire (1888) gestiegen. Endlich aber steht die Industrie der Lombardei, welche ihren Mittelpunkt in M. findet, in Bezug auf Umfang und Vielseitigkeit allen andern Landschaften Italiens voran. Den Mailänder Trockenanstalten wurden 1888: 45,747 Doppelztr. Seide überwiesen. Erwähnenswert ist noch die Verbreitung der elektrischen Beleuchtung, welche in M. bereits 10,700 Glühlichter und 200 Bogenlampen unterhält.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 303 v. Chr.