Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Magenkrampf“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 68
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Magenkrampf. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 68. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Magenkrampf (Version vom 20.11.2023)

[68] Magenkrampf (Gastralgia, Cardialgia), eine schmerzhafte Affektion des Magens, welche nicht von wahrnehmbaren Strukturveränderungen des Organs abhängt. Der M. ist also eine reine Neuralgie und wird deshalb auch als nervöse Kardialgie bezeichnet. Man beobachtet den M. wie auch andre Formen der Neuralgie häufig bei blutarmen Individuen. So gehören leichtere und schwerere Anfälle von M. bei bleichsüchtigen Mädchen zu den gewöhnlichsten Erscheinungen, welche verschwinden, sobald die Bleichsucht gehoben wird. Krankheiten der Gebärmutter und der Eierstöcke gehen sehr häufig mit M. einher, und dieser ist eins der häufigsten Symptome der Hysterie (s. d.). In andern Fällen hängt der M. von gewissen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks sowie von substantiellen Veränderungen des Lungenmagennervs und des sympathischen Nervs ab, welche bekanntlich den Magen mit Nervenfäden versorgen. Der M. kann auch von Vergiftung des Bluts mit Malariagift sowie von der gichtigen Dyskrasie des Bluts abhängen. Oft ist man auch nicht im stande, irgend einen Grund für heftige und langwierige Magenkrämpfe zu finden. Der M. hat einen typischen Verlauf, indem auf schmerzfreie Zeiträume Anfälle der heftigsten Schmerzen folgen. Zuweilen wird der Typus regelmäßig, so daß die Schmerzanfälle sich täglich zu derselben Stunde oder alle zwei oder drei Tage wiederholen. Bei dem Anfall befällt entweder plötzlich oder nach vorangegangenem Gefühl von Druck den Patienten ein heftiger zusammenziehender Schmerz in der Magengrube, welcher sich bis zum Rücken verbreitet und mit Ohnmachtsgefühl, verfallenem Gesicht, Kälte der Hände und Füße und kleinem, aussetzendem Puls einhergeht. Der Schmerz steigt so, daß der Kranke laut aufschreit. Die Magengegend ist selten vorgetrieben, häufiger eingezogen; die Bauchdecken sind gespannt. Der Anfall dauert einige Minuten bis eine halbe Stunde. Dann nimmt der Schmerz allmählich ab und läßt große Erschöpfung zurück, oder er hört plötzlich auf mit Aufstoßen, Erbrechen, Ausbruch eines gelinden Schweißes und mit Entleerung eines rötlich gefärbten Harns. Ein Druck von außen auf den Magen oder Zufuhr von Speise erleichtert den M., während der Schmerz beim Magengeschwür dadurch gesteigert wird. In den schmerzfreien Intervallen fehlen beim M. die Zeichen einer gestörten Verdauung, wie solche bei andern schmerzhaften Magenkrankheiten vorkommen. Ebenso leidet die Ernährung bei M. wenig, und wo nicht Blutarmut die Ursache des Magenkrampfs ist, können die davon Befallenen kräftig und blühend erscheinen. Die Anfälle beim M. werden durch unbekannte Veranlassung hervorgerufen und treten oft bei leerem Magen ein, während die Schmerzanfälle beim Magengeschwür fast immer auf eine Mahlzeit folgen. Die Prognose des Magenkrampfs ist eine günstige, wenn dieser auf Blutarmut, Gebärmutterleiden, Malariainfektion und Gicht beruht, sobald nur die Grundkrankheiten einer erfolgreichen Behandlung zugänglich sind. Schlechte Aussichten dagegen geben diejenigen Formen, welche auf Krankheiten des Gehirns und Rückenmarks beruhen, und diejenigen, welche unbekannten Ursachen ihre Entstehung verdanken. Die Behandlung des Magenkrampfs besteht in Beseitigung der genannten Grundkrankheiten (s. Bleichsucht). Von Medikamenten sind besonders im Anfall Belladonna oder Morphium zu benutzen.