Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Magenentzündung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 6364
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Magenentzündung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 63–64. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Magenentz%C3%BCndung (Version vom 20.11.2023)

[63] Magenentzündung (Gastritis) bezeichnet gegenüber dem Magenkatarrh (s. d.) einen gewissen Gegensatz, welcher darin besteht, daß der letztere nur eine Oberflächenerkrankung mit vermehrter Absonderung darstellt, während die M. in einer Veränderung des Gewebes der Magenwand selbst beruht. Der leichteste Grad ist die parenchymatöse M., bei welcher die Magendrüsen eine körnige Trübung und in hohen Graden eine Fettmetamorphose erleiden; dieser Zustand begleitet oft den Katarrh und in der Regel die intensivern Formen der M., die kruppöse oder besser fibrinöse und die diphtherische M. Diese letztern sind selten und beruhen auf Ausscheidung eines faserstoffigen Exsudats oder diphtherischer Schorfbildung durch Absterben der Schleimhaut wie bei Säuglingen durch Überhandnehmen eines bloßen Magenkatarrhs; in andern Fällen ist die M. eine sekundäre Erscheinung bei akuten Infektionskrankheiten, z. B. bei Typhus, Pocken und Blutzersetzungskrankheiten. Am häufigsten entsteht die M., wenn giftige Substanzen, wie z. B. konzentrierte Mineralsäuren, ätzende Alkalien und manche Metallsalze, in den Magen gelangten (Gastritis toxica). Wenig konzentrierte Mineralsäure verwandelt nur die Epithelien und die oberflächlichen Schleimhautschichten in einen weichen bräunlichen oder schwarzen Schorf; durch größere Mengen konzentrierter Säure werden dagegen alle Schichten des Magens in eine derbe, brüchige nekrotische [64] Masse verwandelt, welche später breiige Konsistenz annimmt. Sofern durch die Resorption des Gifts nicht der Tod erfolgt, können selbst die schwersten Ätzungen und Zerstörungen der Magenwand heilen, wobei die extremsten Grade der Schrumpfung, Wandverdickung und Narbenbildung eintreten. Ist die Ätzung sehr tief, so kann Durchbruch des Mageninhalts in die Bauchhöhle erfolgen, oder es kann auch ohne direkten Durchbruch Bauchfellentzündung nachfolgen und den Tod bedingen. Die schwerste Form der M., die phlegmonöse Gastritis, ist in ihren Ursachen noch wenig erforscht; sie stellt sich dar als enorme Schwellung der ganzen Magenwand und Infiltration aller Wandschichten mit trübem wässerigen oder eiterigen Exsudat. Eine Heilung derselben ist nicht wahrscheinlich. Die Symptome der leichtern Grade von M. fallen zusammen mit denen des heftigern Magenkatarrhs; die Symptome der M. durch Vergiftung sind verschieden, je nach dem eingeführten Gifte. Doch gilt allgemein, daß auch Gifte, die nicht direkt lähmend auf das Nervensystem wirken, neben örtlichen Erscheinungen schnell eine allgemeine Depression und namentlich ein fast völliges Daniederliegen der Blutzirkulation herbeiführen. Wird ein bisher gesunder Mensch plötzlich von heftigem Schmerz in der Magengegend und im Unterleib befallen; werden schleimige und schleimig-blutige Massen erbrochen und unter heftigen Kolikschmerzen und Afterzwang entleert; werden Hände und Füße kalt, der Puls klein, die Haut mit klebrigem, kaltem Schweiß bedeckt: so liegt der Verdacht einer M. durch Vergiftung vor. In den schwersten Fällen treten zwar Brechbewegungen ein, aber der schon gelähmte Magen vermag seinen Inhalt nicht zu entleeren; der ganze Körper wird eisig kalt, es tritt allgemeine Lähmung ein, und der Kranke stirbt nach wenigen Stunden. In leichtern Fällen tritt der Tod erst später ein, oder es verschwinden, besonders wenn das Gift durch Erbrechen größtenteils wieder entleert wurde, die Lähmungserscheinungen wieder, und die Zirkulation stellt sich wieder her. Die Genesung pflegt eine sehr langsame und fast nie eine vollständige zu sein. Die Gegengifte, welche in den einzelnen Fällen anzuwenden sind, dürfen nur kurze Zeit (1–2 Stunden) nach stattgehabter Einführung der Gifte noch angewendet werden. Wurden jene Stoffe schon erbrochen, oder haben sie die Magenwand schon zerstört, so können Gegengifte durch neue Reizung des Magens nur schaden. Nur Arsenik und scharfe tierische und vegetabilische Gifte machen eine Ausnahme. Fehlt das Erbrechen, oder ist es zu schwach, um den Magen gehörig zu entleeren, so kann in einzelnen Fällen ein Brechmittel von Nutzen sein. Außerdem bedecke man den Leib mit kalten Umschlägen und lasse den Kranken, wenn er es vermag, kleine Mengen Eiswasser oder kleine Eisstückchen verschlucken.