Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mühler“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 853854
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Mühler. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 853–854. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:M%C3%BChler (Version vom 23.02.2024)

[853] Mühler, 1) Heinrich Gottlob von, preuß. Staatsmann, geb. 23. Juni 1780 zu Luisenhof bei Pleß in Schlesien, studierte zu Halle die Rechte, ward 1804 Assessor am Oberlandesgericht in Brieg, 1810 Oberlandesgerichtsrat, 1815 Kammergerichtsrat in Berlin, 1819 Geheimer Oberrevisionsrat bei dem rheinischen Kassationshof daselbst, 1822 Vizepräsident des Oberlandesgerichts zu Halberstadt, 1824 zu Breslau, 1832 Justizminister für die östlichen Provinzen und erhielt 1838 die gesamte vereinigte Justizverwaltung. Er führte in Zivilsachen Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein und trennte die Justiz von der Verwaltung. Im August 1846 trat er vom Justizministerium zurück und ward zum Chefpräsidenten des Obertribunals ernannt, auch behielt er bis 1848 Sitz und Stimme im Ministerium. Er trat 1854 in den Ruhestand und starb 15. Jan. 1857 in Berlin.

2) Heinrich von, preuß. Kultusminister, Sohn des vorigen, geb. 4. Nov. 1813 zu Brieg, studierte 1830–35 in Berlin die Rechte und wurde, nachdem er an verschiedenen Gerichten der Provinz als Auskultator und Referendar gearbeitet hatte, 1840 von Eichhorn als Hilfsarbeiter ins Kultusministerium berufen. Seitdem wurde er besonders bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung der evangelischen Kirche beschäftigt und 1846 der Generalsynode als [854] Sekretär beigegeben; damals gab er auch eine „Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg“ (Weim. 1846) heraus. 1842 wurde er Regierungsrat, 1846 vortragender Rat im Kultusministerium, 1849 Mitglied des Oberkirchenrats. An der Begründung des Geschäftskreises und der Wirksamkeit dieser neuen Behörde nahm er eifrigen Anteil. Zugleich bildete sich aber in ihm unter dem Einfluß seiner ehrgeizigen, frömmelnden Gattin Adelheid, geborne v. Goßler, eine Hinneigung zum Pietismus aus, welche seine liebenswürdigen Eigenschaften, Geist, Gemüt und gesellige Talente, wie sie seine „Gedichte“ (Berl. 1842; 2. Aufl., Jena 1879) bekunden, unterdrückte, ohne ihm Selbständigkeit u. energische Thatkraft zu verleihen. Als er daher 18. März 1862 im Ministerium Hohenlohe das Ministerium der geistlichen Unterrichts- u. Medizinalangelegenheiten übernahm, das er auch unter Bismarck (September 1862) behielt, zeigte er sich seiner Stellung nicht gewachsen. Zwar fehlte es ihm, als gewandtem Juristen, nicht an der Gabe, mit wohlgebildeten Phrasen über die Pflichten der von Gott eingesetzten Regierung den ebenfalls vagen Angriffen der Opposition entgegenzutreten; aber in der eigentlichen Verwaltung seines Amtes that er im wesentlichen nichts, ging der Entscheidung aller Prinzipienfragen aus dem Weg, kam den Anforderungen der kirchlichen Behörden in geradezu verderblicher Weise entgegen und gestattete seiner Frau in wichtigen Dingen entscheidenden Einfluß. So wirkte seine Amtsführung in vielen Beziehungen schädlich. Weder die evangelische Kirchenverfassung noch ein Unterrichtsgesetz wurden in den zehn Jahren seines Ministeriums zu stande gebracht. Immer größer wurde die Mißstimmung gegen ihn, die durch seine schwächlichen Versuche, nach dem Vatikanum der katholischen Hierarchie entgegenzutreten, nicht beschwichtigt wurde. Endlich (im Januar 1872) wurde seine Entlassung vom König genehmigt. Nachdem derselbe in der Zeit seiner Muße noch ein System seiner pietistischen Anschauungen zusammengestellt („Grundlinien einer Philosophie der Staats- und Rechtslehre nach evangelischen Prinzipien“, Berl. 1873) hatte, starb er plötzlich 2. April 1874 in Potsdam.