Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lymphgefäße“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 89
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Lymphgefäße. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 8–9. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lymphgef%C3%A4%C3%9Fe (Version vom 21.11.2023)

[8] Lymphgefäße (Saugadern, Vasa lymphatica s. resorbentia), dünne, zartwandige Röhren, welche, zu dem weitverbreiteten sogen. lymphatischen System vereinigt, bei den Wirbeltieren (mit Ausnahme mancher Fische) fast in allen Organen des Körpers vorhanden sind, das überschüssige Ernährungsmaterial, welches die Blutgefäße an die Organe abgeben, aufsaugen und zugleich mit den Nährsäften aus den Verdauungsorganen (Chylus) in den Blutstrom zurückführen (s. Gefäße). Sie haben ähnlich den Venen äußerst dünne, aber feste Wände, an deren Innenfläche sich oft Klappen zur Verhütung des Rückströmens der Lymphe befinden. Wahrscheinlich sind die feinsten Anfänge der L. Lücken in dem Gewebe der einzelnen Organe, welche erst weiterhin eine häutige Auskleidung bekommen und dann als Lymphkapillaren (s. Kapillaren) auftreten. Die letztern vereinigen sich nach und nach zu größern Ästen, diese zu großen Lymphgefäßstämmen. Solche schließen namentlich bei niedern Wirbeltieren vielfach als sogen. Lymphräume die großen Adern in sich ein, folgen beim Menschen fast ausschließlich in ihrem Verlauf den Venen, treten aber an gewissen Körperstellen als zuführende L. (vasa afferentia) in Lymphdrüsen (s. d.) ein und verlassen dieselben wiederum als abführende L. (vasa efferentia). Stets münden sie zuletzt in eine Vene ein und sind vielfach kurz vorher noch mit einer kontraktilen Erweiterung versehen. Solche Lymphherzen (s. auch Herz) finden sich in allen Wirbeltierklassen mit Ausnahme der Säugetiere. Die Stämme, zu welchen sich die L. vereinigen, bevor sie ihren Inhalt in den Blutstrom ergießen, sind beim Menschen folgende: Der Milchbrust- oder kurzweg Brustgang (ductus thoracicus), eine rabenkielstarke Röhre mit wenig Klappen nimmt die L. der ganzen untern Körperhälfte, der ganzen linken und des untern Teils der rechten Brusthälfte, der linken Hals- und Kopfhälfte und des linken Arms auf. Er entspringt vor dem ersten oder zweiten Lendenwirbel durch den Zusammenfluß von drei kurzen, ansehnlichen Stämmchen (von denen der mittlere die Chylusgefäße des Darms aufnimmt), läuft dann zusammen mit der Aorta durch das Zwerchfell und mündet in die Vena anonyma der linken Seite ein. Hier befindet sich gegen den Eintritt des Bluts in ihn eine Klappe. Die übrigen L. treten zu dem ansehnlichen rechten Saugaderstamm (truncus lymphaticus dexter) zusammen, welcher sich in den Winkel, den die rechte innere Drosselvene mit der rechten Armvene bildet, ergießt. – Selbständige Erkrankungen der L. sind sehr selten; es kommen vor Erweiterungen (Lymphangiektasis) als Folgezustände bei behindertem Abfluß der Lymphe, zuweilen in Form von Geschwülsten Lymphangioma, in der Zunge als sogen. Makroglossie. Ferner kennt man Erweiterung der L. durch Anfüllung derselben mit Geschwulstzellen, wie sie nicht selten im Netz, am Bauchfell, Zwerchfell und der Lungenoberfläche bei Magenkrebs angetroffen wird. In den ganz großen L., namentlich [9] im Ductus thoracicus, ist auch Tuberkulose beobachtet worden. Die Entzündung der L. (Lymphangitis) tritt als gesonderte Erscheinung nur an größern Ästen der L. auf, namentlich wenn man diese als rote Streifen am Vorderarm durch die Haut durchschimmern sieht. Solche rote Linien deuten stets auf eine Verwundung hin, durch welche schädliche, reizende Substanzen, besonders eitererregende Keime, in die Gewebe eingedrungen sind, welche dann jene Blutfülle in der Scheide der L. bedingen. Diese Lymphgefäßentzündung kann bei Entfernung der schädlichen Stoffe und Heilung der Wunde ohne weiteres verschwinden, zuweilen ist sie der Vorbote einer Blutvergiftung. – Die Entzündung der Anfänge der L. fällt zusammen mit der Bindegewebsentzündung (s. Phlegmone). Chronische Verdickung und Entzündung der L. begleitet die Elefantiasis.