Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lykúrgos“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 67
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Lykúrgos. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 6–7. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lyk%C3%BArgos (Version vom 21.11.2023)

[6] Lykúrgos, 1) der berühmte Gesetzgeber Spartas, dessen Ordnungen es seine geschichtliche Größe zu danken hat. Die Überlieferung über die Zeit und die Ereignisse seines Lebens sind freilich so schwankend, seine als göttliches Wesen verehrte Gestalt so mit Legenden und symbolischen Ausschmückungen umwoben, daß wenig mehr festzustellen ist, als daß er in der zweiten Hälfte des 9. Jahrh. v. Chr. (um 820) gelebt, auf einer Reise nach Kreta die dortigen politischen Einrichtungen erforscht, danach als Vormund eines minderjährigen Königs (Leobotes aus dem Stamm der Agiaden, wie Herodot berichtet, oder des Eurypontiden Charilaos) den Staat geordnet hat und wahrscheinlich gar kein Dorier gewesen ist. Mit der Priesterschaft des delphischen Orakels stand er in engster Verbindung und bestellte sie auch zur authentischen Auslegerin seiner Gesetze. Sein Hauptverdienst war, zwischen den verschiedenen Parteien, deren erbitterter Streit den Staat zerrüttet hatte, den beiden Königsfamilien, den Doriern und den alten achäischen Einwohnern, eine Aussöhnung vermittelt und ein nach beiden Seiten vorteilhaftes Vertragsverhältnis hergestellt zu haben. Viele einzelne Gesetze und Anordnungen, die L. zugeschrieben werden, sind nachweislich spätern Ursprungs; L.’ Name ist so sehr zur typischen Bezeichnung der vielgerühmten spartanischen Verfassung geworden, daß man sogar die Existenz seiner Person geleugnet hat. Aber die Grundlagen des Staats hat er gelegt und die fruchtbringenden Keime gepflanzt, der spätern Entwickelung ihr Ziel vorgesteckt (s. Sparta). Um seiner Verfassung dauernde Geltung zu verschaffen (wird ferner berichtet), gab er vor, den Rat des delphischen Orakels einholen zu müssen, und ließ die Könige, die Geronten und die übrigen Spartiaten schwören, an der neuen Verfassung bis zu seiner Rückkehr nichts ändern zu wollen. Er ging darauf nach Delphi, erhielt von der Pythia den Bescheid, daß Sparta, wenn es bei den von ihm getroffenen Einrichtungen beharre, groß und glücklich werden würde, und machte, um seine Landsleute nicht von ihrem Eid zu lösen, seinem Leben durch freiwilligen Hungertod ein Ende. Ja, er soll befohlen haben, daß seine Asche ins Meer gestreut würde, damit nicht etwa seine sterblichen Überreste nach Sparta gebracht würden und die Spartaner dann glauben möchten, sie seien ihres Eides entbunden. Ein Heiligtum war ihm in Sparta errichtet, und jährlich erwies man ihm göttliche Ehre. Plutarchos hat sein Leben beschrieben. Vgl. Lachmann, Spartanische Staatsverfassung (Bresl. 1836); Trieber, Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte (Berl. 1871); Gilbert, Studien zur altspartanischen Geschichte (Götting. 1872).

2) Einer der zehn attischen Redner, um 396 v. Chr. zu Athen aus edlem Geschlecht geboren, Schüler des Platon und Isokrates, war neben Demosthenes und Hypereides einer der eifrigsten Vertreter der patriotischen Partei. Den Glanzpunkt seiner politischen Thätigkeit bildet seine ausgezeichnete Finanzverwaltung von 341 bis 329. Er starb 328. Von seinen 15 Reden hat sich nur die weniger durch die Form als edle und erhabene Darstellung ausgezeichnete gegen Leokrates erhalten. Sie wurde herausgegeben, außer in den Sammlungen der Redner, von Mätzner (Berl. 1836), Scheibe (zuletzt Leipz. 1871), Nicolai (2. Aufl., Berl. 1885), Rehdantz (Leipz. 1876), übersetzt von [7] Teuffel (Stuttg. 1865), Holzer (2. Aufl., das. 1883), Bender (das. 1870). Die Fragmente der übrigen Reden gab Kießling (Halle 1847) heraus. Vgl. Nissen, De Lycurgi vita et rebus gestis (Kiel 1833); Blaß, Die attische Beredsamkeit, Bd. 3, Abt. 2 (Leipz. 1880).

Lykúrgos, Logothetis, neugriech. Freiheitskämpfer, geb. 1772 auf Samos, erhielt seine Bildung zu Konstantinopel, ward sodann Sekretär des Fürsten der Walachei, Konstantin Ypsilanti, und bekleidete nach dessen Sturz bei seinem Nachfolger Alexander Sutsos das Amt eines Schatzmeisters und Logotheten (Kanzlers). 1802 nach Samos zurückgekehrt, bekämpfte er erfolgreich die Willkürherrschaft der griechischen Archonten und des türkischen Gouverneurs von Samos, bis er von diesem als Hochverräter gefänglich eingezogen wurde. Nach zwei Jahren begnadigt, floh er nach Smyrna. Nach dem Ausbruch des Freiheitskriegs erhob er 8. Mai 1821 in Samos die Fahne der Freiheit. Auf Veranlassung der Chioten und im Auftrag des Demetrios Ypsilanti unternahm er im März 1822 eine Expedition nach der Insel Chios zu deren Befreiung von dem türkischen Joch, welche aber zu der blutigen Katastrophe der Insel führte. Im Sommer 1824 war er die Seele des Widerstandes der Insel Samos gegen die Angriffe der Türken. Auch Kapo d’Istrias bestätigte ihn 1824 als Zivil- und Militärgouverneur der Insel mit diktatorischer Gewalt und berief ihn als Mitglied in das Panhellenion. Als durch das Protokoll vom 3. Febr. 1830 die Insel Samos von dem freien Griechenland ausgeschlossen wurde, bemühte sich L., die Rechte der Insel bei den Großmächten geltend zu machen, und erreichte wenigstens, daß man Samos zu einem besondern Fürstentum unter dem unmittelbaren Schutz der Großmächte erhob; die ihm angebotene Fürstenwürde schlug er aus. 1834 ging er nach Griechenland, wo er zum Generalleutnant und Senator ernannt wurde und 22. Mai 1851 starb. – Sein Sohn Alexander, gest. 1875 als Erzbischof von Syra, hatte in Halle studiert und später an dem Altkatholikenkongreß in Bonn teilgenommen.