Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lichtenau“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 766
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Lichtenau. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 766. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lichtenau (Version vom 16.04.2021)

[766] Lichtenau, 1) Stadt im bad. Kreis Offenburg, an der Acher, hat Seidenzeugweberei, Hanf-, Zichorien- und Tabaksbau und (1885) 1207 meist evang. Einwohner. – 2) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Witzenhausen, an der Linie Kassel-Waldkappel der Preußischen Staatsbahn, 455 m ü. M., hat ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Zigarren- und Zementfabrikation, eine Braunkohlengrube und (1885) 1342 evang. Einwohner. Am 25. Okt. 1886 wurde L. von einer Feuersbrunst fast gänzlich zerstört. Die Stadt ist im 13. Jahrh. von Landgraf Heinrich I. gegründet. – 3) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Minden, Kreis Büren, an der Altenau, 288 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Kalkbrennereien und (1885) 1369 Einw.

Lichtenau, Wilhelmine, Gräfin von, Geliebte Friedrich Wilhelms II. von Preußen, geb. 29. Dez. 1752 zu Potsdam, war die Tochter des Musikers Enke. Der damalige Prinz von Preußen, nachmalige König Friedrich Wilhelm II., lernte sie im Haus ihrer ältern Schwester, welche Figurantin bei der Italienischen Oper in Berlin war, in ihrem 13. Jahr kennen, ließ sie in Potsdam und Paris geistig ausbilden und trat in ein vertrautes Verhältnis zu ihr. Nachdem sie ihm fünf Kinder, die Grafen und Gräfinnen von der Mark, geboren, wurde sie mit einem Kammerdiener, Rietz (Ritz), vermählt, der nach der Thronbesteigung von Friedrich Wilhelm zum Geheimkämmerer ernannt wurde. Obwohl die Rietz in der Gunst des Königs von der Gräfin Voß, dann von der Dönhoff verdrängt wurde, gelang es ihr doch, dessen Freundschaft sich zu erhalten und 1796 sogar zur Gräfin von L. ernannt und bei Hof eingeführt zu werden; auch schenkte ihr der König 500,000 Thlr. sowie mehrere Güter und stattete ihre Tochter, Gräfin Marianne von der Mark (ein Sohn, Graf von der Mark, starb neun Jahre alt), bei ihrer Heirat mit dem Grafen Stolberg mit 200,000 Thlr. aus. Sie besaß des Königs Neigung, die sie übrigens nicht mißbrauchte, bis zu dessen Tod (1797). König Friedrich Wilhelm III. ließ sie sofort verhaften und einen Prozeß gegen sie einleiten; derselbe ergab nichts Belastendes. Dennoch wurde sie in Glogau interniert und erhielt ihre Freiheit erst gegen eine unbedingte Verzichtleistung auf ihr gesamtes Vermögen, wogegen ihr eine jährliche Pension von 4000 Thlr. verwilligt wurde. Eine Ehe, die sie mit dem Theaterunternehmer v. Holbein 1802 einging, wurde 1806 wieder getrennt. 1811 erhielt sie einen Teil ihrer Güter zurück. Sie starb 9. Juni 1820 in Berlin. Ihre Memoiren erschienen 1808. Vgl. „Der Gräfin L. Apologie“, herausgegeben von Schummel (Bresl. 1808, 2 Bde.).