Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lager“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 402405
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Lager. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 402–405. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lager (Version vom 07.10.2022)

[402] Lager (lat. Campus), Unterbringung einer Truppe außerhalb bewohnter Orte, im Gegensatz von Garnisonen und Kantonnements (s. d.). Man unterscheidet Biwaks (s. d.), Hütten-, Zelt- und Barackenlager. Marschlager werden auf Märschen für einen oder höchstens einige Tage, Standlager auf längere Zeit bezogen. Eine Erweiterung der letztern sind die stehenden oder Übungs- (Exerzier-) L. der neuesten Zeit. Über verschanzte L. s. Feste Stellungen. Die Zeltlager bedingen durch Mitführung der Zelte eine ganz erhebliche Vermehrung des Trains, und die hierdurch herbeigeführte Beschränkung der Beweglichkeit und Schlagfertigkeit der Truppe veranlaßte die Franzosen während der Revolutionskriege, die Zelte abzuschaffen und das Biwak an die Stelle des Zeltlagers treten zu lassen. In Deutschland geschah dies erst später, aber auf die Dauer, wogegen in Frankreich wieder kleine Zelte (tentes d’abri) angenommen und auch im Krieg 1870 mitgeführt wurden. Die Engländer haben die Zeltlager stets beibehalten. Muß ein L. für mehrere Tage bezogen werden, und ist es nöthig, sich gegen Witterungseinflüsse einen Schutz zu verschaffen, den das Biwak nicht gewährt, so werden Hüttenlager errichtet. Im Frieden, wo die Herbeischaffung aller Lagerbedürfnisse für den Hüttenbau etc. möglich ist und durch die Verpflegungsbeamten erfolgt, werden die Hütten (s. d.) nach darüber bestehenden Vorschriften erbaut. Bei den operierenden Feldtruppen dagegen reduziert sich die Hütte meist auf einen Windschirm aus Holzstöcken und Reisig oder Stroh, oder auf ganz kleine, in gleicher Weise hergerichtete Hütten zum Unterkriechen für 2–4 Mann, wozu man sich Material sucht. Je nachdem die Zelt- oder Hüttenreihen senkrecht zur Lagerfronte stehen oder ihr parallel laufen, unterscheidet man Gassen- und Linienlager. Bei jenen werden zwei Zeltreihen immer von demselben Truppenteil belegt und stehen mit den Zeltöffnungen sich gegenüber; der Zwischenraum von etwa 20 m bildet die Lagergasse. Die Rücken der Zelte zweier benachbarter Lagergassen haben nur einen Abstand von 2–3 m, die Brandgasse. Für die Pferde wird eskadron- und batterieweise in Verlängerung der Zeltreihe nach der Fronte zu mittels der Pikett- (Kampier-) pfähle, die durch eine Stall- (Kampier-) leine verbunden werden, der Stall aufgeschlagen. Die Pferde werden mit der Halfterkette an der Stallleine angebunden. Übungslager haben den Zweck, größere Truppenabteilungen in der Stärke von Divisionen oder Armeekorps auf längere Zeit zu gemeinschaftlichen taktischen Übungen und zur Gewöhnung der Truppen an das Feldleben zu vereinigen. Das erste derartige L. wurde von Napoleon I. 1804 bei Boulogne für etwa 100,000 Mann errichtet. Das nächste ist das L. von Châlons, welches zuerst 1857 bezogen wurde, und für das Napoleon III. sich besonders interessierte. Da die französische Armee lange Zeit für die beste galt, so ahmten alle Staaten, mit Ausnahme Preußens, diese Art der Truppenausbildung nach, wobei das L. von Châlons mit seinen Einrichtungen im allgemeinen als Muster diente. Der Lagerplatz liegt 30 km nordöstlich von Châlons, nimmt einen Flächenraum von 11,000 Hektar ein und wurde für 6 Mill. Frank angekauft. Die dort lagernden Truppen bestehen in der Regel aus 30,000 Mann aller Waffen. Eine Division liegt in Baracken, die andre in runden Zelten; die Pferde stehen im Freien. Eine besondere Lagerintendantur besorgt die Verwaltung und Verpflegung des Lagers. Was man sich von dem L. versprach, hat es nicht erfüllt; es wirkte im Gegenteil das Lagerleben in nicht geringem Grad entsittlichend auf Offiziere und Mannschaften, ohne sie an das Feldleben zu gewöhnen, und die Übungen wurden schließlich, weil das Terrain bekannt war, schematisch und geistlos, so daß selbst von französischen Offizieren das L. als ein Krebsschade der Armee bezeichnet ward. Daß die Regierung trotzdem an dieser Einrichtung noch festhält und L. ähnlicher Art bei St.-Maur, Satory, Sathonay, Lannemegan, St.-Medard, Calais etc. errichtete, scheint seinen Grund mehr in politischen als in militärischen Erwägungen zu haben. In großartigerer Weise finden, veranlaßt durch die Zersplitterung der Truppenteile auf viele Garnisonen, Zusammenziehungen von Truppenmassen in Übungslagern in Rußland statt. Das bedeutendste L. ist das bei Krassnoje Selo, 25 km südwestlich von Petersburg, wo zuzeiten 5 Infanterie- und 2 Kavalleriedivisionen nebst entsprechender Artillerie, also etwa 70,000 Mann, sich im L. befinden. Alle Fußtruppen lagern in viereckigen Zelten, die Kavallerie und reitende Artillerie kantonieren auf den umliegenden Ortschaften, weil das Klima für das Lagern der Pferde im Freien nicht günstig ist. Die L. bei Warschau, Moskau, Wilna, Kowno, Grodno, Kiew, Luzk, Bender, Tschugujew und Jelissawetgrad sind von ganz ähnlicher Einrichtung. Österreich hat ein Übungslager bei Bruck a. d. Leitha errichtet, in welchem ein Teil der Mannschaften in Holzbaracken, der andre Teil in Zelten von so außerordentlicher Größe untergebracht ist, daß 35 Mann in einem Zelt liegen und jede Kompanie nur vier Zelte hat. Die Pferde stehen im Freien an hölzernen Barrieren befestigt. In England sind Übungslager nach französischem Muster bei Aldershott [403] und Curragh angelegt, in welchen die Truppen teils in Baracken, teils in Zelten liegen, die Pferde unter freiem Himmel stehen. In Preußen, wo man dem Prinzip der fortschreitenden Manöver treu blieb, fanden deshalb die vorgenannten Übungslager keine Nachahmung. Indessen machen ökonomische Gründe bei Zusammenziehung der Artillerie zu den jährlichen Schießübungen auch hier die Einrichtung von Barackenlagern (s. Baracken) auf den Schießplätzen notwendig. Diese L. werden auch von andern Truppenteilen zu Schießübungszwecken benutzt, dienen aber niemals als Standquartier für Manövrierübungen mit gemischten Truppen, wie dies in andern Staaten der Fall ist.

Von der Gestalt der griechischen L. ist wenig bekannt; selten wurden sie verschanzt, geschah es, so wurden Holz und Steine zur Herstellung der Befestigungen der Erde stets vorgezogen. Dagegen wurde der Lagerplatz in Bezug auf natürliche Verteidigungsfähigkeit mit Sorgfalt und großem Verständnis des Terrains gewählt. Das spartanische L. war kreisrund. Bei den Römern hatten die Taktik wie die täglichen Märsche ein befestigtes L. zur Basis. Sie unterschieden Winterlager (castra hiberna) u. Sommerlager (castra aestiva); letztere waren die beständigen Stützpunkte der Operationen und wurden am Abend jedes Marschtags neu errichtet. Über Lage und Form des Lagers sowie die in ihm zu beobachtende Lagerordnung bestanden sehr genaue Vorschriften. Das L. bildete nach Polybios (s. den Plan) ein Quadrat, die Fronte nach Osten, in derselben das Hauptthor (porta praetoria), durch welches eine Straße zum Feldherrnzelt (praetorium) und zum Thor in der Rückfronte (porta decumana) führte. Hinter dem Prätorium führte die via principalis parallel der Fronte quer durch das L. und Seitenthore (porta principalis dextra und sinistra). Die Zelte, aus Leder, waren gewöhnlich für 10 Mann und ihren Dekanus berechnet. Die Verschanzung bestand aus einem Graben, dem eigentlichen Hindernis, und dem dahinterliegenden Wall, welcher nicht Schutz, sondern erhöhte Stellung gewähren sollte; auf seiner Krone standen die Kämpfer sowie Geschütze (Katapulten) hinter einer Palissadenbrustwehr (torica). In den Winter- oder Standlagern wurden diese Brustwehren nicht nur widerstandsfähiger durch Erdvorlagen gemacht, sondern auch Türme, meist mit Geschützen armiert und durch Wachen besetzt, angelegt; statt der Zelte wurden Holz- oder Erdhütten gebaut. War es nötig, zur Sicherung der Herrschaft in dem besetzten Lande diesen Lagern größere Dauer zu geben, so wurden Brustwehr und Türme, das Prätorium etc., statt aus Holz, aus Steinen aufgeführt, und es entstanden so die festen L., welche die Anfänge vieler jetzt blühender Städte am Rhein bilden. – Die Marschlager der Germanen waren Wagenburgen, aus den Karren des Trosses hergestellt, die Rad an Rad nebeneinander mit aufgehobener Deichsel in einem oder zwei konzentrischen Ringen aufgestellt wurden; sie dienten als Schutzwall, der jedoch bei Standlagern durch Palissadierungen, auch Verschanzungen, verstärkt wurde. Ähnlich waren die L. zur Zeit der Kreuzzüge, rund oder viereckig, innerhalb in regelmäßigen Quartieren

Die Maße sind Fuß.  
Plan eines römischen Lagers.

die Zelte der Ritter und Hütten der Knappen und Dienstmannen. – Einen eigentümlichen Charakter erhielt das Lagerwesen durch die Hussiten (Anfang des 15. Jahrh.), die mit ihren ganzen Familien auf Wagen ins Feld zogen. Auf der Verwendung dieses großen Wagentrosses mit verhältnismäßig zahlreichen Geschützen als Wagenburg (Tabor, daher Taboriten) beruhte die von Ziska ausgebildete Kampfweise der Hussiten. Die Wagen fuhren in vier Reihen hintereinander; die über die innern Reihen übergreifenden Flügel der äußern (ersten und vierten) Reihe wurden, um das L. oder den Tabor zu bilden, zusammengezogen. Diese Kampfweise wurde auch von den Deutschen im 15. Jahrh. angenommen, nur wurden von diesen besondere Heerwagen, mit 20–25 Streitern besetzte Streitwagen, oder mit dem zunehmenden Gebrauch der Feuerwaffen die vielgestalteten Büchsenwagen verwendet; diese Heerwagen bildeten die äußere, die Troßwagen die innere Reihe der Wagenburg, außerhalb der letztern wurde meist noch Graben und Wall, mit Thoren, [404] durch spanische Reiter gesperrt, angelegt. Innerhalb der Wagen wurde das L. nach bestimmter Ordnung abgesteckt. Die L. der Landsknechte waren ähnlich den römischen eingerichtet; innerhalb derselben waren die Nationen, wie Reiter und Fußvolk voneinander getrennt; letzteres zunächst dem Feinde, dahinter der Feldherr. Die Geschütze standen am Lärmplatz, die Troßwagen mit Fuhrleuten in besondern Quartieren oder außerhalb des Lagers. Die Wagenburgen hielten sich noch bis Mitte des 17. Jahrh. Der Lineartaktik (18. Jahrh.) waren die Zeltlager in Verbindung mit der Magazinverpflegung eigentümlich. Man unterschied Linien- und Gassenlager. Bei ersterm standen die Zelte in so viel Reihen, als der Truppenteil Glieder hat, parallel zur Fronte, bei letzterm die Zelte einer Kompanie oder Eskadron in zwei Reihen, zwischen sich die breite Kompaniegasse, bei der Kavallerie Stallgasse, senkrecht zur Fronte, zwischen den Zeltreihen zweier nebeneinander lagernder Kompanien die schmale Brandgasse. Der durch die Mitführung der Zelte bedingte große Troß machte die Bewegungen des Heeres sehr beschwerlich und entsprach nicht der Taktik und schnellen Operation der großen französischen Heere nach den Revolutionskriegen; die Zelte wurden abgeschafft und das Biwakieren oder Kantonieren Gebrauch. Vgl. Jähns, Geschichte des Kriegswesens (Leipz. 1880).

Lager, in der Botanik s. v. w. Thallus. In der Geologie sind L. von ihrer Umgebung abweichende Gesteins- oder Erzmassen, welche innerhalb mächtiger geschichteter Gesteine auftreten und zwar in ganz oder annähernd gleicher Erstreckung mit denselben. Oft sind es nur Schichtenkomplexe dieser Gesteine selbst, imprägniert durch fremdartige Mineralien und Erze, wie z. B. das Kupferschieferflöz (s. Dyasformation); meist sind es besondere Schichten. So kommen im Gneis und Glimmerschiefer, parallel der Schichtung derselben, sogen. Urkalk- und Dolomit-, Kupferkies- und Magnetkieslager vor. Im Sedimentgebirge nennt man solche L. Flöze. Die L., insonderheit die Erzlagerstätten (s. d.), stehen demnach im Gegensatz zu den Gängen (s. Gang). Lagerstöcke sind L. von geringer Ausdehnung nach Länge und Breite, Linsen solche, die sich bei geringer oder doch mäßiger Ausdehnung allmählich auskeilen.

Im Maschinenwesen versteht man unter L. diejenigen Maschinenteile, welche dazu dienen, die Zapfen von Wellen, Achsen etc. sicher zu unterstützen und ihnen dabei nur eine Drehung um ihre geometrische Achse zu gestatten. Je nach der Richtung der Achse unterscheidet man L. für liegende (Traglager) und für stehende Wellen (Stützlager) und, je nachdem die Welle durch das L. hindurchläuft oder in demselben endet, Halslager und Stirnlager. Das einfachste Traglager besteht aus einer cylindrischen Bohrung in einem zur Maschine gehörigen Metallkörper. Diese L. werden Augen genannt und erscheinen bei Winden, Kränen und ähnlichen nur geringer Abnutzung ausgesetzten Maschinen. Die nächst bessere Ausführung ist die Büchse, nämlich ein Rohrstück aus passendem Material (Bronze, Stahl), welches, in das Auge eingepreßt, dem Zapfen eine bessere Führung gibt als das weiter umgebende Metall. In Uhren werden die L. mit Glas oder Edelsteinen ausgebüchst. Für schwerer belastete Maschinenzapfen werden stets L. angewendet, welche aus mehreren Teilen bestehen und zwar (Fig. 1–4) aus den Schalen a, dem Lagerkörper (Lagergerüst) L und dem Lagerdeckel D. Die Schalen sind meist aus Lagermetall (s. d.) oder von mit Weißmetall ausgegossenem Gußeisen, jetzt auch vielfach aus bloßem Gußeisen. Die Schale hat den

Fig. 1. Fig. 2.
Seitenansicht und Längsschnitt Querschnitt
Stehlager.

Zweck, eine möglichst geringe Reibung und die Schonung des Zapfens zu gewähren, aber auch entweder durch Nachstellen oder durch Auswechselung jene Abnutzung ausgleichen zu lassen, welche durch die Drehung des Zapfens bewirkt wird und die sichere und stoßfreie Führung aufheben würde. Das Lagergerüst wird fast ausnahmslos aus Gußeisen, aber je nach dem Zweck und der Befestigung mit den übrigen Maschinenteilen oder einem festen Mauerwerk verschieden geformt.

Fig. 3. Fig. 4.
Wandlager. Hängelager.

Das normale, am häufigsten vorkommende Lagergerüst besteht bei dem sogen. Stehlager (Fig. 1 u. 2) aus einer horizontalen Platte, an welcher zwei seitlich aufragende Angüsse die Schalen aufnehmen, welche, außen entweder mit runden oder mit eckigen Auflageflächen versehen, fest eingepaßt sind. Zur Erleichterung der Montierung und Verteilung des Druckes wird eine Fundamentplatte F unter das L. gelegt, welche zuerst mit dem Grundmauerwerk etc. durch lange Ankerschrauben GG verbunden, während das eigentliche L. später darauf geschraubt wird. Der Deckel des Lagers, welcher die obere Schalenhälfte aufnimmt, ist gleichfalls aus Gußeisen und durch Deckelschrauben an den Lagerkörper gebunden. Er ist in der Mitte durchbohrt, um die Schmierung des Zapfens durch direktes Ölaufgießen oder vermittelst sparsamer und gleichmäßiger wirkender Schmiergefäße [405] zuzulassen. Ist das Lagergerüst nicht auf eine horizontale, sondern auf eine vertikale Fläche geschraubt, so nennt man es Seiten- oder Wandlager (Fig. 3) und, ist nur die Grundplatte seitlich befestigt, welche aber ein Normallager mit der obern, horizontal gerichteten Fläche trägt, Konsollager. Letztere Arten benutzt man für die Transmissionswellen der Fabriken, welche meist an den Mauern oder einer Säulenreihe entlang geführt werden. An der Decke befestigte L. heißen Hängelager (Deckenlager, Fig. 4). In neuerer Zeit finden die Sellersschen L. (Fig. 5 u. 6) eine immer größere

Fig. 5. Fig. 6.
Vorderansicht Längsschnitt
Sellerssches Deckenlager.

Verbreitung zur Lagerung von Transmissionswellen. Die Schalen dieser L. bestehen aus Gußeisen und sind mit einem Kugelgelenk im Lagerkörper drehbar, so daß bei dem unvermeidlichen Durchbiegen der Wellen sich die Schalen genau einstellen können. Es ist deshalb gestattet, hier beliebig lange Schalen anzuwenden, ohne der Gefahr eines Zwängens oder Eckens der Welle ausgesetzt zu sein. Durch die Verlängerung der Schalen und die daraus erwachsende Vergrößerung der Zapfenauflagerfläche wird der Druck auf die Flächeneinheit so gering, daß sich bei hinreichender Ölung die Metallflächen überhaupt nicht mehr berühren, sondern gleichsam der Zapfen von der zwischen ihm und der Schale befindlichen Ölschicht frei getragen wird. Eine Eigentümlichkeit der Sellerslager sind zwei große Talglöcher an den Enden der obern Schale. Der in dieselben hineingedrückte Talg soll als Schmiermittel für den Fall dienen, daß die Schmierung mit Öl vom Arbeiter vernachlässigt worden ist, so daß beim Warmwerden der Welle der Talg in die Schalen hineinschmilzt und einer weitern Erhitzung vorbeugt. Für die Unterstützung solcher Wellen, welche ihren Hauptdruck in der Richtung ihrer Längsachse ausüben, verwendet man, wenn die Welle in einem Stützzapfen (Spurzapfen) endigt, dessen Endfläche den Druck aufnimmt, entweder einfache

Fig. 7.
Fußlager.

Vertiefungen in einem Metallkörper (Spuren) oder ein Fußlager (Fig. 7). Dieses kommt unter anderm bei allen vertikal stehenden Wellen (Königswellen) vor, und die Lagerschalen a werden hier noch durch eine eingelegte Platte (Spurplatte) P aus Hartbronze oder Stahl vervollständigt, auf welcher die Drehung stattfindet. Bei den Schraubenwellen der Dampfschiffe, bei vielen Turbinen etc., wo man kein Fußlager anwenden kann oder des großen Druckes halber anwenden will, benutzt man Kammlager, bei denen der Zapfen mit 4–8 Ringen (Kämmen) in die Schalen greift, welche erst ihrerseits mit dem Lagergerüst gegen die Längsverschiebung gesichert sind. Bei allen Lagern ist auf die Abnutzung Bedacht zu nehmen. Der Zapfendruck soll daher nicht in die Fuge der Schalen, sondern senkrecht darauf gerichtet sein, damit eine stattgefundene Abnutzung durch Anziehen der Deckelschrauben zu beheben ist. Geht dies nicht an, so werden Stelllager verwendet, wobei die meist mehrteiligen Schalen einzeln durch Stellschrauben oder Keile immer wieder an den Zapfen angedrückt werden können. Ein einfaches Nachstellen kann man durch Unterlegen von dünnen Papier- oder Blechstreifen zwischen Schale und Lagerkörper bewirken, sonst muß es aber auch durch Auswechseln der abgenutzten Schalen geschehen, wie schon oben bemerkt wurde. Vgl. Reuleaux, Der Konstrukteur (4. Aufl., Braunschw. 1882); v. Reiche, Die Maschinenfabrikation (2. Aufl., Leipz. 1876).

Im kaufmännischen Sinn ist L. der vorhandene Warenvorrat, daher auf L. arbeiten als Gegensatz zur Produktion auf Bestellung. Zur Aufnahme der L. dienen die Lagerräume, Speicher, Niederlagen oder Entrepots. Vgl. Zollniederlagen.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 555
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[555] Lager. Um bei Lagern die gleitende Reibung in rollende zu verwandeln und dadurch eine Verminderung des Reibungswiderstandes herbeizuführen, werden zuweilen Kugellager angewendet, bei welchen ein Zwischenraum zwischen Lagerschale und Welle, bez. Zapfen mit Kugeln ausgefüllt ist. In einzelnen Anwendungsarten haben sich diese L. durchaus bewährt, z. B. bei Velocipeden. Bei einem neuern Kugelstützlager wird nur eine einzige Kugel angewendet. Die in ihrer Längsrichtung belastete Welle B (s. Figur) wird durch ein Halslager A gegen seitliche Verschiebung gesichert und trägt an ihrem untern Ende die Hülse C und einen eingesetzten, leicht auswechselbaren Spurzapfen E.

Kugelstützlager

In der Hülse liegt unter dem Zapfen E, unterstützt durch einen verstellbaren, in einer festen Platte angebrachten Zapfen J, die Kugel H, deren Durchmesser etwas kleiner ist als derjenige der Hülsenhöhlung. Bei der Drehung der Welle nimmt die Kugel H, da sie nie in der geometrischen Achse der Welle liegen bleibt, eine wälzende Bewegung an, deren Größe von der Entfernung des Zapfenmittels vom Berührungspunkt zwischen Kugel und Zapfen abhängig ist. Diese Entfernung wird so lange zunehmen, bis die Kugel die Hülse C berührt. Dann tritt auch an dieser Berührungsstelle eine rollende Bewegung ein, und die Kugel erhält eine resultierende Bewegung, die sich aus den beiden Wälzungen zusammensetzt. Hierbei läßt sich durch bestimmt gewählte Verhältnisse die Bewegung der Kugel so einrichten, daß möglichst alle Punkte derselben nacheinander zur Druckübertragung und Berührung mit den Stützflächen E und J gelangen, so daß eine gleichmäßige, an jeder einzelnen Stelle der Kugel sehr geringe Abnutzung eintritt.