MKL1888:Kriegsleistungen
[214] Kriegsleistungen, diejenigen Leistungen, welche für die mobile Truppenmacht eines Landes von dessen Angehörigen beansprucht werden. Da nämlich durch die Mobilmachung der Barvorrat des Staats ungemein in Anspruch genommen, und da durch eine solche zudem eine bedeutende Steigerung der Preise hervorgerufen wird, und weil überdies der Ankauf der nötigen Verpflegungsmittel oft mit großen Weitläufigkeiten und Schwierigkeiten verknüpft sein würde, so hat man, namentlich in Preußen, schon seit längerer Zeit das System der Naturalleistungen und Naturallieferungen eingeführt. Jetzt ist dasselbe für das Deutsche Reich durch das Gesetz vom 13. Juni 1873 über die K. und die zugehörige Ausführungsverordnung vom 1. April 1876 geregelt. Dazu gehört noch die Verordnung vom 18. April 1882, welche die Form der Marschrouten für die Kriegsverhältnisse festsetzt. Hiernach sollen die K. nur insoweit in Anspruch genommen werden, als für die Beschaffung der Bedürfnisse nicht anderweitig, insbesondere nicht durch freien Ankauf, Barzahlung und Entnahme aus den Magazinen, gesorgt werden kann. Auch wird für die K. regelmäßig eine Entschädigung aus Reichsmitteln gewährt; nur Naturalquartier und Stallung sind unentgeltlich zu beschaffen, wofern es sich nicht um die zur Besatzung des Ortes gehörigen Truppenteile oder um Ersatztruppen in ihren Standquartieren handelt. Für diese wird, ebenso wie für die Naturalverpflegung der Truppen, nach den für den Friedenszustand geltenden Sätzen Entschädigung gewährt (s. Einquartierung). Die Verpflichtung zu K. liegt zunächst den Gemeinden ob, welche sich dann wiederum an die einzelnen Leistungspflichtigen halten, zu welch letztern aber die Ausländer, welche sich in dem Gemeindebezirk aufhalten, nicht zu rechnen sind. Gegenstand und Umfang der K. wird auf Requisition der Militärbehörden durch die zuständigen Zivilbehörden bestimmt, und zwar gehören außer Naturalquartier und Naturalverpflegung noch die Überlassung von Transportmitteln und Gespannen für militärische Zwecke, Stellung von Mannschaften als Gespannführer, Wegweiser und Boten sowie zum Weg-, Eisenbahn- und Brückenbau u. dgl., ferner die Überweisung der für den Kriegsbedarf erforderlichen Grundstücke, Gebäude und Materialien, sodann die Gewährung von Feuerungsmaterial und Lagerstroh für Lager und Biwaks und überhaupt der sonstigen Dienste und Gegenstände, deren Leistung und Lieferung das militärische Interesse erforderlich macht, insbesondere von Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegenständen, von Arznei- und Verbandmitteln, soweit solche in dem Gemeindebezirk vorhanden, hierher. Für gewisse K., nämlich für die Lieferung des Bedarfs an lebendem Vieh, Brotmaterial, Hafer, Heu und Stroh, kann durch Beschluß des Bundesrats an Stelle der Gemeindelieferungen die Verpflichtung größerer Lieferungsverbände zur Füllung der Kriegsmagazine angeordnet werden. Solche K. werden Landlieferungen genannt. Die Lieferungsverbände sind thunlichst im Anschluß an die bestehenden Kreise oder an die sonstige Bezirkseinteilung zu bilden. [215] Nur ausnahmsweise werden dagegen einzelne Personen ohne Vermittelung der Gemeinden oder Lieferungsverbände direkt zu K. herangezogen, nämlich die Besitzer von Schiffen und Fahrzeugen, welche dieselben auf Erfordern der Militärverwaltung zu Kriegszwecken gegen Vergütung zur Verfügung stellen müssen, und ebenso die Pferdebesitzer zur Beschaffung und Erhaltung des kriegsmäßigen Pferdebedarfs. Zu dem letztern Zweck findet ein sogen. Pferdeaushebungsverfahren statt, welches den Charakter der Zwangsenteignung hat (s. Pferdeaushebung). Bei der strategischen Bedeutung der Eisenbahnen sind endlich den Verwaltungen dieser besondere Verpflichtungen auferlegt; sie sind nämlich nicht nur verpflichtet, die für die Beförderung von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände der Eisenbahnwagen vorrätig zu halten, sondern haben auch gegen Vergütung die nötigen Militärtransporte zu besorgen und ihr Personal und Material zu militärischen Zwecken verfügbar zu stellen, wie sie überhaupt gehalten sind, in Ansehung des gesamten Bahnbetriebs den Anordnungen der Militärbehörden Folge zu leisten. Alle andern Vermögenseinbußen, welche nicht durch derartige Anordnungen der Zivil- und Militärbehörden, sondern außerdem durch die militärischen Maßregeln der eignen oder der feindlichen Truppen hervorgerufen werden, fallen nicht unter den Begriff der K., sondern unter den der Kriegsschäden, deren etwanige Entschädigung nach dem Kriegsleistungsgesetz auf Grund eines jedesmaligen Spezialgesetzes des Reichs erfolgen soll. S. Kriegsschade. Vgl. außer den Lehrbüchern des Reichs- und Staatsrechts: Seydel, Das Kriegswesen des Deutschen Reichs, in Hirths „Annalen“, S. 1050 ff. (Leipz. 1874); Thiel, Das Reichsgesetz über die K. (Rostock 1877).