Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kriegervereine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 209210
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Kriegervereine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 209–210. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kriegervereine (Version vom 03.10.2023)

[209] Kriegervereine. Das jetzige Kriegervereinswesen ist aus Vereinen hervorgegangen, die um das Jahr 1839 im Regierungsbezirk Liegnitz von ehemaligen Soldaten behufs gemeinsamer Feier von Festen zur Erinnerung an ihre Dienstzeit im Heer und zur Pflege patriotischer Gesinnung gebildet wurden. Auf ihren Wunsch wurde diesen Vereinen durch Kabinettsorder vom 22. Febr. 1842 die Beerdigung verstorbener Kameraden mit militärischer Trauerparade auf Grund eines Vereinsreglements sowie die Wahl eines Hauptmanns als Anführer gestattet. Im Lauf der Jahre wurde ihnen auch das Tragen einer bestimmt vorgeschriebenen Uniform, welche sich an die der Armee anlehnt, sowie das Tragen von Waffen bei Begräbnissen [210] und Vereinsfesten bewilligt. Nach den Kriegen von 1864 und 1866 belebte sich das schwindende Interesse für diese Vereine, die dann infolge des deutsch-französischen Kriegs von 1870/71 einen ungeahnten Aufschwung nahmen. 1872 begann eine allgemeine deutsche Kriegervereinsbewegung, welche den frühern Hauptzweck, die militärische Begräbnisfeier, auf die Pflege der militärischen Kameradschaft sowie der Liebe und Treue zum Kaiser und Reich durch belehrende Vorträge im Verein und bei festlichen Versammlungen, Kriegertagen etc. sowie durch Vereinszeitschriften und auf die Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden ausdehnte. Es lag nahe, anzunehmen, daß diesen Zwecken in der Vereinigung einer größern Anzahl von Nachbarvereinen eine intensive Förderung erwachsen würde, und daß als das höchste Ziel die Vereinigung aller deutschen Krieger-, Veteranen-, Kampfgenossen- etc. Vereine zu einem allgemeinen deutschen Kriegerverband anzustreben sei. Der Polizeisekretär Brößke zu Spandau berief in diesem Sinn zu Ostern 1872 nach Weißenfels einen von einigen 40 Vereinen beschickten Kriegertag und legte diesem die Statuten für einen allgemeinen deutschen Kriegerverein vor, worauf der Deutsche Kriegerbund gegründet wurde, an dessen Spitze der Generalleutnant a. D. v. Stockmar trat. Weil diese Statuten jedoch die politischen und landsmannschaftlichen Verhältnisse andrer Vereine zu wenig berücksichtigten, schloß sich die Mehrzahl der bestehenden Vereine ihnen nicht an, vielmehr wurde zunächst die Bildung von Gau-, Provinzial- und Landesverbänden angeregt. Dies führte im Herbst 1873 zu dem Kartellbündnis deutscher Kriegerverbände unter dem Vorsitz des Schriftstellers Dinckelberg, dem sich außer 4 preußischen noch Verbände aus Bayern, Württemberg und Hessen anschlossen. Wiederholte Versuche zur Verschmelzung dieser großen Kriegerverbände auf dem Kongreß 1874 in Leipzig, 1877 und 1881 zu Frankfurt a. M. blieben erfolglos, obgleich Kaiser Wilhelm lebhaftes Interesse für diese Vereinigung zeigte und den General v. Glümer 1877 mit deren Ausführung beauftragte, nach deren Gelingen er das Protektorat über die vereinigten K. zu übernehmen in Aussicht gestellt hatte. Nach vergeblicher Thätigkeit trat derselbe 1878 zurück. Auch die 1882 in Berlin und 1883 in Hamburg abgehaltenen Kriegertage hatten keinen bessern Erfolg. Endlich kam 2. Juli 1884 zu Berlin die lang erstrebte Vereinigung zu stande, indem der Deutsche Kriegerbund mit 2099 Vereinen und 157,721 Mitgliedern und eine Anzahl preußischer Provinzialverbände mit 400 Vereinen und 75,431 Mitgliedern zum Deutschen Reichs-Kriegerverband sich vereinigten. An diese Vereinigung wurde die Hoffnung geknüpft, daß auch die Landeskriegerverbände in Bayern, Sachsen und Württemberg dem Reichsverband beitreten werden, der dann in etwa 16,000 Vereinen gegen 1/2 Mill. Mitglieder umfassen würde. Die bemerkenswertesten Vereinszeitschriften sind: „Der Kamerad“ (Dresden); „Der deutsche Kriegerbund“ (Zittau); „Deutsche Kriegerzeitung“ (Sondershausen); „Die Parole“ (Berlin); „Der Veteran“ (München); „Württembergische Kriegerzeitung“ (Stuttgart); „Landwehr-Zeitung“, deutsch und polnisch (Posen); „Organ des Hamburger Kriegerverbandes“ (Hamburg). Vgl. Selle, Die Krieger- und Landwehrvereine in Preußen (Hagen 1882). – Auch Österreich hat ein ausgebreitetes Kriegervereinswesen mit gleicher Tendenz wie in Deutschland. In gleicher Veranlassung wie hier wurde von Joseph Müller zu Reichenberg i. Böhm. bereits 1821 ein Militär-Veteranenverein gegründet, der indes nur ganz vereinzelt Nachahmung fand. Erst nach dem Krieg 1866 fand das Kriegervereinswesen weitere Ausbreitung, doch bildeten sich hier keine größern Verbände, sondern nur in den einzelnen Städten lokale Militär-Veteranenvereine, deren Anfang 1885 bereits 1097 bestanden.