MKL1888:Korrespondenzblatt zum elften Band

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Korrespondenzblatt zum elften Band“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 10251028
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Korrespondenzblatt zum elften Band. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 1025–1028. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Korrespondenzblatt_zum_elften_Band (Version vom 03.09.2021)
[1025]
Korrespondenzblatt zum elften Band.
Ausgegeben am 26. Juli 1888.

Amtmann Br. in H. Nunmehr hat auch Württemberg ein „Feldbereinigungsgesetz vom 30. März 1886“. Näheres in den Schriften von Zeeb, Die Feldbereinigung, ihr Zweck und ihre Ausführung (Eugen Ulmer, Stuttg. 1886), und Heberle, Die Feldbereinigung in Württemberg nach dem Gesetz vom 30. März 1886 (Osiandersche Buchhandlung, Tübing. 1886).

S. in Lübeck, K. in Dresden u. a. Die Grundzüge der geplanten Alters- und Invalidenversicherung für die deutschen Arbeiter, welche den Gegenstand der Beratung für verschiedene Körperschaften (preußischer Volkswirtschaftsrat, Berufsgenossenschaftstag, Zentralverband deutscher Industriellen etc.) gebildet haben, sind im wesentlichen folgende:

I. Umfang der Versicherung. Sämtliche gegen Lohn arbeitende Personen des Arbeiterstandes, männliche wie weibliche, etwa 12 Mill., sollen dem Versicherungszwang unterworfen werden. Alle im Privatdienst befindlichen Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten, welche gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden, sodann Betriebsbeamte, Handlungsgehilfen und Lehrlinge, einschließlich der Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, deren Jahresverdienst 2000 Mk. nicht übersteigt, sowie die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen der Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge sind versicherungspflichtig. Auf Hausindustrielle kann die Versicherung durch Bundesratsbeschluß ausgedehnt werden.

II. Gegenstand der Versicherung. Die zu gewährende Rente ist entweder Alters- oder Invalidenrente. Altersversorgung erhält ohne Rücksicht auf seine Erwerbsfähigkeit derjenige Arbeiter, welcher das 70. Lebensjahr vollendet hat. Invalidenversorgung wird ohne Rücksicht auf das Lebensalter demjenigen zu teil, welcher nachweislich dauernd völlig erwerbsunfähig ist. Die Invalidenrente beträgt bei Männern 120 Mk. jährlich. Sie steigt nach Ablauf der ersten 15 Beitragsjahre für jedes weitere Beitragsjahr um je 4 Mk. jährlich bis zum Höchstbetrag von jährlich 250 Mk. Die Altersrente beträgt jährlich 120 Mk. Sie fällt hinweg, wenn dem Versicherten Invalidenrente gewährt wird. Weibliche Personen erhalten 1/3 jener Beträge. Die Renten werden durch die Post in monatlichen Raten gezahlt.

III. Versicherungsbeiträge. Für männliche Arbeiter hat der Arbeitgeber für den Kopf und für den Arbeitstag zwei Pfennig aus eignen Mitteln zu zahlen. Der gleiche Betrag entfällt auf den Arbeiter selbst, welchem dieser Beitrag durch den Arbeitgeber am Lohn zu kürzen ist. Die Reichskasse zahlt den halben Betrag des vom Arbeitgeber abgeführten Beitrags, so daß also Arbeiter, Arbeitgeber und Reich je 1/3 der Kosten (6 Pfennig pro Arbeitstag) aufbringen. Für weibliche Arbeiter ist 1/3 jener Versicherungsbeiträge zu entrichten. Das Jahr wird zu 300 Arbeitstagen gerechnet.

IV. Wartezeit. Bei der Altersrente beträgt die Wartezeit 30 Beitragsjahre. Die Invalidenrente wird bei dem Eintritt der Invalidität nach Ablauf einer fünfjährigen Beitragsfrist gewährt. Ist die Erwerbsunfähigkeit nachweislich die Folge einer Krankheit, welche der Versicherte bei der Arbeit oder aus Veranlassung derselben sich zugezogen hat, so bedarf es der Zurücklegung einer Wartezeit nicht. Versicherten, welche sich die Arbeitsunfähigkeit nachweislich mit Vorsatz oder durch schuldhafte Beteiligung bei Schlägereien oder Raufhändeln oder durch geschlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben, steht ein Anspruch auf Invalidenrente nicht zu. Aus Billigkeitsrücksichten kann jedoch in diesen Fällen und ebenso vor Ablauf der gesetzlichen Wartezeit ein Teil der Rente gewährt werden. Durch Übergangsbestimmungen soll für ältere Arbeiter, welche bei dem Inkrafttreten des Gesetzes in Betracht kommen, die Möglichkeit gegeben werden, nach zurückgelegtem 70. Lebensjahr auch bei kürzerer Wartezeit die Altersrente zu erlangen.

V. Abzüge an der Rente. Denjenigen Personen, für welche im Lauf eines Kalenderjahrs für weniger als 300 Arbeitstage Beiträge oder gar keine Beiträge geleistet sind, ist die Rente bei deren Feststellung nur nach dem Werte der thatsächlich geleisteten Beiträge zu gewähren. Diese Kürzung der Rente tritt nicht ein, soweit der Ausfall durch freiwillige Nachzahlung der ausgefallenen Beiträge für Arbeitgeber und Arbeiter nebst Zinsen und Zinseszinsen gedeckt wird. Auch hat eine mit Erwerbsunfähigkeit verbundene Krankheit nach Beginn einer regelmäßigen Beschäftigung die Kürzung der Rente und die Verpflichtung zur Nachzahlung der Beiträge nicht zur Folge.

VI. Kontrolle der Versicherten. Jeder Arbeiter erhält bei dem Eintritt in die Versicherung ein Quittungsbuch, auf dessen Titelblatt Name, Geburtsort und -Jahr und der Wohnort des Inhabers verzeichnet sind. In das Quittungsbuch hat der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung den entsprechenden Betrag von Versicherungsmarken einzukleben. Die eingeklebten Marken sind zu entwerten. Ist ein Quittungsbuch mit Marken gefüllt, so wird dem Inhaber ein neues Buch ausgehändigt, in welches die Endzahlen des frühern Quittungsbuchs in beglaubigter Form vorgetragen sind. Die geschlossenen Quittungsbücher sind bei der Gemeindebehörde des Herkunftsortes aufzubewahren. Eintragungen in die Bücher, welche ein Urteil über die Führung oder Arbeitsleistung des Inhabers oder andrer Personen enthalten, sind unstatthaft.

VII. Verwaltung. Die Berufsgenossenschaften für die Unfallversicherung sollen mit der Verwaltung der Alters- und Invalidenversicherung betraut werden. Für jede Berufsgenossenschaft wird eine besondere Versicherungsanstalt mit Vertrauensmännern eingerichtet. Für diejenigen Arbeiter, welche einer Berufsgenossenschaft nicht angehören, treten an deren Stelle die weitern Kommunalverbände.

Die Witwen- und Waisenversorgung für den Arbeiterstand ist vorerst noch nicht in Angriff genommen. Die eigentliche Gesetzesvorlage über die Alters- und Invalidenversorgung wird dem Reichstag jedenfalls noch in dieser Session zugehen, der sie aber schwerlich noch in der gegenwärtigen Sitzungsperiode wird erledigen können.

Franz Schmittmann in Breslau. Das Abzahlungsgeschäft oder Teilzahlungsgeschäft, über welches Sie nähere Auskunft wünschen, ist einmal [1026] ein Kauf, bez. Verkauf auf Kredit mit Ratenzahlung, Vorbehalt des Eigentums bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises und einer Verfallklausel des Inhalts, daß die einmal geleisteten Zahlungen auf jeden Fall dem Verkäufer verfallen sein sollen, dann der gewerbsmäßige Betrieb solcher Abzahlungsgeschäfte (Warenabzahlungsgeschäfte, Warenkreditbazare etc.). Dem Wortsinn nach ist eigentlich jeder Kauf auf Kredit mit Ratenzahlung ein Abzahlungsgeschäft, doch wird dieses Wort in neuester Zeit in der obigen ganz speziellen Bedeutung genommen.

Nach positivem Recht geht nämlich beim Kreditkauf, ebenso wie beim Barkauf, das Eigentum an dem Gegenstand regelmäßig mit dessen Übergabe auf den Käufer über. Will sich also beim Kreditkauf der Verkäufer bis zur vollständigen Abzahlung des Kaufpreises das Eigentum vorbehalten, so muß er dies ausdrücklich mit dem Käufer vereinbaren und kann dann, sobald der Käufer auch nur mit einer Rate im Rückstand bleibt, die Sache zurücknehmen; ist nun dem Vertrag auch noch die oben erwähnte Verfallklausel hinzugefügt, so braucht der Verkäufer, auch wenn er den Gegenstand wieder zurücknimmt, die bereits geleisteten Beträge nicht mehr herauszugeben, sie sind zu seinen gunsten verfallen. An und für sich kann jede Ware, auch Wertpapiere, Gegenstand eines Abzahlungsgeschäfts sein, am häufigsten aber werden Maschinen (namentlich Nähmaschinen), musikalische Instrumente (namentlich Klaviere) auf Abzahlung verkauft; ferner Möbel, Betten (überhaupt Hauseinrichtungsgegenstände), Kleider, Stiefel, Hüte, Schirme, Uhren, Öldruckbilder etc. Gewerbsmäßig betrieben wird das Abzahlungsgeschäft nur bezüglich der letztgenannten Artikel (des täglichen Gebrauchs) und zwar in den sogen. Warenabzahlungsgeschäften oder Warenkreditbazaren, die sich übrigens oft unter Bezeichnungen wie: Ausstattungsgeschäft, Warenbazar etc. verbergen.

Beim Abschluß des Abzahlungsgeschäfts muß der Käufer gewöhnlich einen Vertrag unterschreiben, der außer andern, weniger wesentlichen, die obigen wesentlichen Bestimmungen enthält, ferner wird ihm ein Quittungsformular (in Form einer Karte oder eines Büchelchens, sogen. Kontrabuch) ausgehändigt, in welchem die Zahlungen quittiert werden, und das ebenfalls die Vertragsbedingungen enthält. Der Vertrag selbst ist entweder ein eigentlicher Kaufvertrag oder ein Mietvertrag (fälschlich oft als Leihvertrag bezeichnet). In letzterm wird vereinbart, daß z. B. das Geschäft X eine Ware dem Y gegen einen monatlichen (oder wöchentlichen) Mietzins (fälschlich Leihgebühr) vermietet (leiht), daß bei Nichtentrichtung des Mietzinses der Vertrag aufgehoben sein soll, daß dagegen, wenn die Summe der geleisteten Mietzinsen eine bestimmte Höhe (die Höhe des Abzahlungskaufpreises) erreichen wird, der Mietgegenstand in das Eigentum des Mieters übergehen soll, also analoge Bedingungen wie beim Kaufvertrag. Der Mietvertrag ist hauptsächlich in norddeutschen und aus Norddeutschland stammenden Geschäften üblich (wohl hauptsächlich wegen der ungünstigen Behandlung des Eigentumsvorbehalts beim Kauf durch das preußische Landrecht).

Das Abzahlungssystem stammt aus England und Nordamerika und wurde in Deutschland zuerst beim Verkauf von Nähmaschinen angewendet. In Deutschland wurde das erste eigentliche Warenabzahlungsgeschäft 1854 in Hamburg errichtet, von wo sich diese Geschäfte rasch über ganz Deutschland ausbreiteten und stark vermehrten. Gegenwärtig gibt es in Berlin über 100 eigentliche Warenabzahlungsgeschäfte, in München 17 (im J. 1878: 4), in Leipzig 12, in Mannheim 5. Der gegenwärtige Umfang des Abzahlungsgeschäfts überhaupt geht aus der Thatsache hervor, daß im Handelskammerbezirk Bielefeld nahezu zwei Drittel aller Nähmaschinen auf Abzahlung gekauft werden.

Über die volkswirtschaftliche Berechtigung der Abzahlungsgeschäfte hat sich in den letzten Jahren ein lebhafter Streit entsponnen.

Vor allem hat man, und mit Recht, die Härte und ökonomische Unbilligkeit getadelt, welche darin liegt, daß ein vielleicht ganz schuldlos in augenblickliche Zahlungsunfähigkeit geratener Käufer die gekaufte Sache herausgeben muß und die bereits geleisteten Beträge, welche den Kaufpreis vielleicht nahezu erreicht haben, verlieren soll. Dagegen hat sich durch die thatsächlichen Erhebungen die Meinung als ungerechtfertigt erwiesen, als ob die Abzahlungsgeschäfte gegen ihre Kunden inkulant seien, schon bei der ersten Zahlungsstockung die ihnen vertragsmäßig zustehenden Rechte aufs äußerste ausnützten, ja, daß die Abzahlungsgeschäfte bloß deshalb gegründet worden seien, um mittellose Leute (denn aus diesen rekrutiert sich der Natur der Sache nach das Kundenpublikum dieser Geschäfte) ausbeuten zu können.

Man hat ferner gesagt, daß die in die Augen springende Bequemlichkeit des Abzahlungssystems die unbemittelten Volksklassen dazu verleite, mit Hilfe des Kredits Ausgaben zu machen, welche sich durch ein dringendes Bedürfnis nicht rechtfertigen lassen. Auch wird behauptet, daß die Abzahlungsgeschäfte, trotzdem sie durch Eigentumsvorbehalt etc. sich einigermaßen sicherstellen können, doch infolge des immerhin großen Risikos einen hohen Preis bei geringer Qualität der Ware berechnen müssen, um so mehr, da sie bestrebt seien, einen außergewöhnlichen Gewinn zu machen. Dies ist thatsächlich richtig, hat aber seinen Grund nicht im Abzahlungssystem als solchem, sondern in dem Umstand, daß das Abzahlungsgeschäft sozusagen ein Monopol der unreellen Elemente in der Geschäftswelt ist, indem die reellen Kaufleute vor dem Kreditieren an unsichere Leute zurückschrecken, die unsoliden dagegen das Kreditsystem benutzen, um sich einen Absatz zu verschaffen, den sie sonst nicht hätten.

Allen diesen Nachteilen gegenüber muß man anderseits zugestehen, daß beim Handel mit Werkzeugen und Maschinen (z. B. Nähmaschinen) wenigstens das System der Abzahlung einen sehr schwerwiegenden Vorteil dadurch bietet, daß es arbeitsfähigen und arbeitslustigen, aber unbemittelten und deshalb sonst kreditlosen Leuten die einzige Möglichkeit gewährt, sich die nötigen Produktionsmittel auf dem Weg des Kredits zu verschaffen, weshalb man mit Recht das Abzahlungssystem als für Handwerker und Hausindustrielle unentbehrlich bezeichnet.

Die von den Gegnern der Abzahlungsgeschäfte zur Abhilfe empfohlenen Maßregeln beruhen teils auf Staats-, teils auf Selbsthilfe. Die Staatshilfe wird in Anspruch genommen durch den Vorschlag, Eigentumsvorbehalt oder Verfallklausel oder beides für rechtsunwirksam zu erklären. Aber abgesehen davon, daß es immerhin mißlich ist, eine so einschneidende Änderung des Zivilrechts um der Schädlichkeit einer einzelnen volkswirtschaftlichen Erscheinung willen vorzunehmen, würde eine solche gesetzliche Bestimmung das Abzahlungssystem nicht nur von seinen Auswüchsen befreien, sondern ganz unmöglich machen. Andre möchten die Abzahlungsgeschäfte den gewerbepolizeilichen Beschränkungen unterworfen wissen, denen die [1027] Pfandleihgeschäfte nach den § 34, 38 und 53 der Reichsgewerbeordnung unterliegen. Allein eine solche polizeiliche Überwachung könnte bloß nach formalen Gesichtspunkten durchgeführt werden; hierdurch würden zwar die schlimmsten Vorfälle vermieden, aber doch keine durchgreifende Abhilfe geschaffen. Diejenigen, welche zur Reform durch Selbsthilfe ihre Zuflucht nehmen, beschränken sich entweder darauf, dem Publikum anzuempfehlen, in Abzahlungsgeschäften nicht zu kaufen oder beim Einkauf in denselben wenigstens die größte Vorsicht obwalten zu lassen, oder sie verlangen, daß durch Förderung der Sparkassen und ähnlicher Einrichtungen der Sparsinn der Bevölkerung gehoben und auf diesem Weg das Kreditsystem, soweit es schädlich wirkt, durch das Barsystem allmählich verdrängt werde, eine sehr schöne, aber weitaussehende Idee. Alle gemachten Vorschläge scheitern an der Verkennung des Umstandes, daß nicht das Abzahlungssystem als solches, obwohl dasselbe Schattenseiten hat, verwerflich ist, sondern die Art und Weise, wie dasselbe gegenwärtig betrieben wird. Angesichts des Widerstreits der Meinungen und der Schwierigkeit der gesetzlichen Regelung wird es wohl bezüglich der Abzahlungsgeschäfte vorderhand beim alten bleiben.

R. Wagner in Dresden. Interessant ist Ihnen vielleicht folgende Notiz: Die am 23. Jan. 1881 in Salzburg verstorbene Witwe des italienischen Generalleutnants Cavaliere Soten de Recagni, geborne Gräfin Leopoldine Firmian, setzte in ihrem Testament das Gesamterträgnis ihres Vermögens (ca. 3200 Lire) zu Stipendien à 100 Gulden für evangelische Waisenkinder, in erster Linie aus Salzburg, aus, indem sie glaube, dadurch einen Teil der Schuld und Härte abzutragen, mit der ein Glied ihrer Familie in allzu fanatischer Weise einst so viele unschuldige protestantische Familien in Verderben und Armut gejagt habe.

Robert von Paris in Warschau. In den Schriften des Herrn Jacolliot haben Sie es mit völlig unwissenschaftlichen und phantastischen Dingen zu thun. Dieselben haben mehrere Gegenäußerungen hervorgerufen, so von J. Vinson in der „Revue de linguistique“, von Paul Regnard („Une mystification scientifique: Les ouvrages de M. Jacolliot“, in der „Revue lyonnaise“, Bd. 1), von dem Missionär Pedro Gual („A Indian Christan, ou cartas biblicas contra os livros de Luis Jacolliot: „A Biblia na India“ e „Os filhos de Deus“, Par. 1881). Nach einer Notiz in Lorenz’ Bibliographie, welche außer den von Ihnen angeführten Schriften „Christna et Christus“, „Les fils de Dieu“ noch eine große Anzahl andrer Erzeugnisse Jacolliots verzeichnet, ist derselbe 1837 in Charolles (Saône-et-Loire) geboren und war früher Beamter in Indien u. Tahiti.

J. A. in München. Über den Antrag „Ampach und Gen.“, betreffend die Aufhebung des Identitätsnachweises im Getreidehandel, ist der Reichstag vorerst zur Tagesordnung übergegangen; doch wird man jedenfalls auf die vielbesprochene Sache zurückkommen. Die schwierige Frage ist im wesentlichen diese: Durch die Getreidezölle ist der Preis des in Deutschland produzierten ebenso wie des vom Ausland nach Deutschland importierten Getreides erheblich erhöht worden. Hierdurch wurde die deutsche Mühlenindustrie, welche zugleich eine wichtige Exportindustrie ist, sehr geschädigt, weil sie zur Herstellung ihrer Mehlfabrikate auf den Import von ausländischem Getreide angewiesen. Die Reichsgesetzgebung gestand daher der deutschen Mühlenindustrie 1882 für den Export von Mehl die Aufhebung des Identitätsnachweises zu, d. h. der Müller, welcher Getreide vom Ausland importiert und dafür Mehl nach dem Ausland exportiert, braucht nicht die Identität seines Mehls mit dem vom Ausland bezogenen Korn nachzuweisen; er bekommt vielmehr, wenn er eine entsprechende Mehlquantität exportiert, den Zoll erstattet, welchen er für das bezogene ausländische Getreide zu zahlen hatte. Diese Vergünstigung will man nun auch dem Getreidehandel zuwenden und zwar in folgender Weise: Wer deutsches Getreide nach dem Ausland exportiert, soll dafür die entsprechende Quantität Getreide aus dem Ausland nach Deutschland zollfrei importieren dürfen. Der deutsche Exporteur erhält bei dem Export eine Bescheinigung, welche zur zollfreien Einfuhr der entsprechenden Quantität ermächtigt. Diese „Einfuhrvollmacht“ soll auf den Inhaber lauten und kann also auf einen andern übertragen werden. So kann z. B. A in Königsberg 5 Ton. ostpreußischen Roggen nach Schweden exportieren, er begibt seine Einfuhrvollmacht für 5 T. Roggen an B in Mannheim, der nun dafür in Konstanz 5 T. ungarischen Roggen zollfrei importieren kann.

Diese Maßregel wird namentlich von den Landwirten in den östlichen Provinzen Preußens lebhaft befürwortet, weil dort mehr Getreide produziert, als in den betreffenden Landschaften konsumiert wird. Sie wird aber auch von den Interessenten des Handels in den Hafenplätzen der Ostsee angestrebt, weil dort früher ein lebhafter Getreideexporthandel bestand, der jetzt neu belebt werden soll. Durch die Getreidezölle ist nämlich das deutsche Getreide so verteuert, daß sein Export jetzt nur wenig oder gar nicht mehr lohnend ist, weil der deutsche Preis den Weltmarktspreis erheblich übersteigt. Der fragliche Vorschlag würde nun die deutschen Exporteure in den Stand setzen, den Exportpreis niedriger zu stellen als den Inlandspreis, um so mit deutschem Getreide auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Die süddeutschen Landwirte dagegen sind fast durchweg gegen die geplante Maßregel und zwar namentlich um deswillen, weil durch die Übertragbarkeit der Einfuhrvollmachten die zollfreie Einfuhr großer Getreidemengen in Süddeutschland ermöglicht werden würde, während süddeutsches Getreide nur wenig exportiert werden kann. Auch wird geltend gemacht, daß man statt der exportierten geringwertigen Getreidesorten Getreide von besserer Qualität, z. B. statt des in Königsberg exportierten ostpreußischen Rauhweizens feinsten indischen Weizen, statt der ausgeführten ostpreußischen Futtergerste in Lindau feinste Brauergerste, zollfrei einführen könne. Endlich wird auch von den Gegnern hervorgehoben, daß durch die Annahme jenes Vorschlags die Getreidepreise noch mehr Gegenstand der Spekulation werden würden, als dies schon jetzt der Fall sei. Übrigens gehören zu diesen Gegnern auch Anhänger des Freihandelssystems, welche den Antrag namentlich um deswillen bekämpfen, weil dadurch keine billigern, sondern voraussichtlich höhere Getreidepreise zu gunsten der Großgrundbesitzer in den östlichen Provinzen erzielt werden würden, während die Reichskasse einen nicht geringen Einnahmeausfall erleiden würde. Jedenfalls ist, wie auch der Fürst Bismarck erklärt hat, die Sache noch nicht spruchreif, und ebendeshalb hat der Reichstag die Frage noch unentschieden gelassen.

Steuerrat Decker in Beerfelden. Beruht auf einem Schreibfehler, es muß im Art. „Kopernikus“, S. 65, 1. Spalte, Zeile 16 von oben: geozentrisch (statt geometrisch) heißen.

[1028] K. Wittmack in Altona. Durch das Reichsgesetz vom 11. Febr. 1888 sind bekanntlich die bisherigen Wehrverhältnisse in wesentlichen Punkten umgestaltet worden. Zweck dieser Umgestaltung ist, im Kriegsfall eine größere Zahl Streiter zu den Waffen rufen zu können, um dadurch die Wehrkraft des Reichs zu stärken, ohne die Friedenspräsenzstärke des Heers, welche durch Gesetz vom 11. März 1887 bis zum 31. März 1894 auf 468,409 Mann festgestellt ist, zu erhöhen. Diese Stärkung ist dadurch erreicht, daß zu der bisherigen Wehrpflicht die einer Landwehrpflicht 2. Aufgebots, welche 6 Jahre umfaßt, hinzugefügt und die Landsturmpflicht vom 42. bis 45. Lebensjahr hinausgeschoben worden ist. Es treten somit 6 Jahrgänge Landwehr, also etwa 900,000 gediente Mannschaften, der Armee hinzu. Zu dieser Maßregel ist Deutschland durch seine Nachbarstaaten gezwungen worden, in denen nach dem Krieg 1870/71 die allgemeine Wehrpflicht zur Einführung gelangte, und wo man über eine gleiche Anzahl Jahrgänge gedienter Mannschaften wie jetzt in Deutschland im Kriegsfall verfügt. Sie werden das Deutsche Reich dazu nötigen, in einem künftigen Krieg nach zwei Seiten Front zu machen. Bisher entfielen auf die 12 Jahre der Wehrpflicht 3 Jahre bei den Fahnen, 4 Jahre in der Reserve und 5 in der Landwehr; durch das Gesetz ist folgendes bestimmt: Die Dienstpflicht im stehenden Heer bleibt 7 Jahre (3 aktiv, 4 Reserve), dann folgen 5 Jahre in der Landwehr ersten und 6 in der zweiten Aufgebots, so daß der Wehrpflichtige mit dem 31. März desjenigen Jahrs, in dem er sein 39. Lebensjahr vollendet, zum Landsturm übertritt. Während das 1. Aufgebot der Landwehr nur Mannschaften umfaßt, welche durch das stehende Heer hindurchgegangen sind, treten in das 2. Aufgebot auch die Ersatzreservisten ein, welche geübt und ihrer Ersatzreservepflicht genügt haben. Die Landwehr 2. Aufgebots darf im Frieden zu Übungen und Kontrollversammlungen nicht herangezogen werden, es genügt, wenn die Meldungen behufs Kontrolle Familienmitglieder erstatten; die Auswanderung ist ohne vorherige Erlaubnis gestattet, nur ist der zuständigen Militärbehörde von der Auswanderung Anzeige zu machen. Die bisherige Einteilung in Ersatzreserve 1. und 2. Klasse ist aufgehoben. Die 2. Klasse wird fortan dem 1. Aufgebot des Landsturms zugeteilt. Der Ersatzreserve werden jährlich so viel Mannschaften überwiesen, daß mit 7 Jahresklassen der Bedarf für die Mobilmachung des Heers gedeckt ist; in erster Linie sind es die wegen hoher Losnummer, sodann die wegen häuslicher Verhältnisse, wegen geringer körperlicher Fehler etc. nicht zur Einstellung Gelangten. Die Zugehörigkeit zur Ersatzreserve dauert 12 Jahre und rechnet vom 1. Okt. des 1. Militärpflichtjahrs ab. Die Ersatzreservisten können zu den jährlichen Frühjahrskontrollversammlungen herangezogen werden und sind zu 3 Übungen verpflichtet, von denen die 1. zehn, die 2. sechs und die 3. vier Wochen dauert. Der Gestellungstag wird bis zum 15. Juli bekannt gemacht. Nach vollendetem 32. Lebensjahr sollen sie jedoch, falls nicht ein Verschulden vorliegt (Kontrollentziehung etc.), zu Übungen nicht herangezogen werden. Der Landsturm endlich besteht aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahr, welche weder dem Heer noch der Marine angehören. Dem 1. Aufgebot gehören alle Landsturmpflichtigen bis zum 31. März desjenigen Jahrs an, in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, dann folgt das 2. Aufgebot bis zum Ablauf der Landsturmpflicht. Wehrfähige Deutsche, welche zum Dienst im Heer oder der Marine nicht verpflichtet sind, können als Freiwillige in den Landsturm eintreten. Der Landsturm, welcher jeder militärischen Verwendung entsprechend bewaffnet, ausgerüstet und bekleidet wird, ist keiner militärischen Kontrolle und Übungen unterworfen.

Aus den ältern Jahrgängen der Landwehr-Infanterie und -Kavallerie werden besondere Landwehrtruppenkörper formiert, während die jüngern Jahrgänge den Ersatztruppenteilen zugewiesen werden. Die Landwehrleute der übrigen Waffen werden im Krieg nach Bedarf in das stehende Heer eingereiht. Die Ersatzreserve dient zur Ergänzung des Heers bei Mobilmachungen und zur Bildung von Ersatztruppenteilen, niemals zur Aufstellung selbständiger fechtender Truppen. Der Landsturm hat die Pflicht, im Kriegsfall an der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen; er kann in Fällen außerordentlichen Bedarfs zur Ergänzung des Heers herangezogen werden. Er hat somit eine erweiterte Verwendbarkeit gegen früher, wo er nur dann zusammentreten sollte, „wenn ein feindlicher Einfall Teile des Reichsgebiets bedroht oder überzieht“, gefunden. Es ist dies besonders wichtig, um Feldtruppen in der Bewachung bedrohter Küsten oder Grenzen durch Landsturm, der auch zum Etappendienst herangezogen werden soll, abzulösen und für den Feldkrieg frei zu machen. Der Landsturm 2. Aufgebots wird in der Regel in besondere Abteilungen formiert. Der Aufruf des Landsturms erfolgt durch den Kaiser, bei unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfall durch die kommandierenden Generale, Gouverneure oder Kommandanten von Festungen, die Auflösung ordnet der Kaiser an. Mit dem Tag der Entlassung hört das militärische Dienstverhältnis der Landsturmpflichtigen auf.

Durch das Gesetz ist ferner noch bestimmt worden, daß diejenigen, welche vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bereits aus dem Landsturm ausgeschieden sind, in denselben nicht zurücktreten, auch wenn sie das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Die in dem Vorstehenden für die Landwehr und die Ersatzreserve enthaltenen Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung auf die Seewehr und Marine-Ersatzreserve. Für die Angehörigen der Seewehr 2. Aufgebots entbindet die vorschriftsmäßige Anmusterung durch die Seemannsämter von der Anmeldung beim Bezirkskommando. Nicht seemännisch oder militärisch ausgebildete Mannschaften treten nach Ablauf der Marine-Ersatzreservepflicht zum Landsturm 1. Aufgebots über, damit wird die bisherige Bestimmung, nach welcher die Marinedienstpflichtigen, die auf der Flotte nicht gedient haben, zur Seewehr gehören, aufgehoben.

C. P. in St. Petersburg. Die Biographie von S. Kierkegaard (nicht Kirkegaard) steht an der richtigen Stelle Band 9, Seite 720.

G. Hoffmann in Glogau. Ihre Vermutung, daß die Angabe der Zahl der Volksschulen (705) im Großherzogtum Luxenburg auf einem Irrtum beruhe, ist unberechtigt. Schon 1860 betrug die Zahl der Primärschulen bei einer Bevölkerung von ca. 200,000 Seelen 526 und ist bis 1884 auf 705 gestiegen, welche von 31,162 Schülern besucht wurden. Wenn das Land auch nur in 129 Gemeinden zerfällt, so bestehen doch die meisten davon aus mehreren Wohnplätzen.




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