Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolossēum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 963
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Kolossēum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 963. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Koloss%C4%93um (Version vom 11.11.2024)

[962]

Durchschnitt und Teil vom Aufriß des Kolosseums in Rom.

[963] Kolossēum (jetzt Coliseo), das berühmte, von Vespasian begonnene und von Titus 80 n. Chr. vollendete Flavische Amphitheater in Rom, welches bei einer Achsenlänge von 185 m, einer Achsenbreite von 156 m und einer Höhe von 481/2 m in der ursprünglichen, jetzt teilweise durch Abbruch verringerten Ausdehnung eine Ellipse von 524 m umschloß und 85,000 Zuschauer faßte. Auf einem mächtigen Unterbau, der die Behälter der wilden Tiere und die Maschinerien für szenische Veränderungen aller Art enthielt und jetzt zur Hälfte wieder ausgegraben ist, ruhte die Arena, welche bedeutend kleiner als gegenwärtig war (die beiden Achsen 77 : 461/2 m). Von hier ab erhoben sich terrassenförmig die Sitzreihen, deren oberste von einer stattlichen Säulenstellung umgeben war. Der oben offene Raum wurde zum Schutz gegen Sonne und Regen mit mächtigen, an riesigen Mastbäumen befestigten prachtvollen Teppichen überspannt. Über den drei untern Stockwerken der Außenseite, welche innen die Um- und Zugänge zu den Sitzreihen, außen die mit Rundbogen geschlossenen, mit Statuen ausgestatteten Fensteröffnungen enthielten (vgl. nebenstehenden Durchschnitt und Aufriß), befand sich das dem erwähnten Säulengang entsprechende, undurchbrochene vierte Stockwerk mit den zur Aufnahme jener Mastbäume bestimmten Konsolen. Um dem Äußern eine noch lebendigere Gliederung zu geben, waren die beiden untern Stockwerke mit dorischen und ionischen, die beiden obern Geschosse mit korinthischen Halbsäulen geschmückt; alle äußern und konstruktiv wichtigern Teile sind aus Travertinquadern, die übrigen Teile aus Backsteinen hergestellt. Die Arena diente sowohl zu Gladiatorengefechten als zu Seeschlachten und Tierkämpfen. Die erstern erhielten sich bis in das 5. Jahrh., die Tierkämpfe noch länger. Im Mittelalter wurde das K. eine befestigte Burg der Frangipani, seit dem Beginn der Renaissance aber der große Steinbruch für Neubauten, wie die Cancellaria, die Palazzi di Venezia und Farnese. Erst Benedikt XIV. sicherte den noch jetzt erhaltenen Rest, Pius VII. restaurierte die Ostseite, Leo XII. die Westseite, Pius IX. die Treppen. Am Anfang unsers Jahrhunderts wurden unter Napoleonischer Herrschaft die Substruktionen der Arena bloßgelegt, dann wieder verschüttet, neuerdings aber nochmals ausgegraben (s. Rom und Amphitheater). Vgl. Platner und Bunsen, Beschreibung der Stadt Rom, Bd. 3 (Stuttg. 1837); Reber, Die Ruinen Roms (2. Aufl., Leipz. 1879).