Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kolonāt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 953
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Kolonāt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 953. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kolon%C4%81t (Version vom 16.01.2023)

[953] Kolonāt (lat., „Bebauungsrecht“, Kolonatrecht, Erbpachtrecht, Erbleihe, Leihe, Erbbestandrecht, Erbfestenrecht, Meierrecht, Erbzinsrecht), allgemeine Bezeichnung für die (regelmäßig erblichen) Besitz- und Nutzungsrechte an Bauerngütern; Kolone (Kolonist), der Inhaber derartiger bäuerlicher Gutsrechte. Während nämlich heutzutage die Bauerngüter in der Regel im vollen Eigentum des Besitzers stehen, war dies im Mittelalter und bis in die neuere Zeit keineswegs der Fall (s. Erbpacht). Dieselben waren vielfach den Bauern von den Gutsherren unter Anwendung lehnrechtlicher Grundsätze verliehen und die Rechte der Besitzer alsdann nach Lehnrecht zu beurteilen; hier und da hatte auch das römischrechtliche Institut der Emphyteuse (s. d.), besonders bei Kirchengütern, Anwendung gefunden. Daneben aber kamen zahlreiche Nutzungsrechte an Bauerngütern vor, welche nach Landrecht zu beurteilen waren, und welche man eben unter der Gesamtbezeichnung K. zusammenfaßt. Im einzelnen waren diese Rechte ebenso mannigfaltig wie die Bezeichnungen derselben (s. Bauerngut). Dahin gehören namentlich die erblichen Laten- oder Hobgüter am Niederrhein und in Westfalen, die ebenfalls erblichen Meiergüter in Niedersachsen und in Westfalen, die Schillingsgüter im Lüneburgischen und in der Grafschaft Hoya, die Erbpachtgüter in Sachsen, Thüringen und Österreich, die Festegüter in Schleswig-Holstein, die nicht erblichen Fallgüter oder Schupflehen in Schwaben, die Todbestände in Baden, die Leibrechtsgüter in Bayern und Österreich (die beiden letztern ebenfalls nicht erblich), die Landsiedelleihen in Oberhessen (nicht erblich im Solmsischen), die Laßgüter in der Mittelmark (nicht erblich in Sachsen) und die sogen. Herrengunst in Bayern; letzteres die Bezeichnung für Güter, die auf freien Widerruf des Gutsherrn verliehen waren. Das Rechtsverhältnis zwischen Gutsherren und Kolonen bestimmte sich bei allen diesen Gütern im einzelnen nach den bei der Verleihung etwa aufgenommenen Urkunden (Leihbrief, Meierbrief) sowie nach den im vorigen Jahrhundert hierüber ergangenen Ordnungen (Meier-, Erbpachtsordnungen), endlich nach lokalem und partikulärem Gewohnheitsrecht. Die Grundzüge des Rechtsinstituts sind im großen und ganzen überall dieselben: ein sogen. Obereigentum (Dominium directum) des Gutsherrn, ein nutzbares Eigentum des Kolonen (Dominium utile); der Kolone hatte die auf dem Gut ruhenden Lasten zu tragen; Veräußerungen ohne Zustimmung des Gutsherrn waren nichtig; das Gut haftete nicht ohne weiteres für die Schulden des Kolonen; dieser war zu sorgfältiger Bewirtschaftung des Gutes verpflichtet und konnte im entgegengesetzten Fall „abgemeiert“ werden (s. Abmeierung). Gewöhnlich hatte der Kolone beim Antritt der Erbleihe eine Abgabe (Handlohn, Laudemium, Weinkauf, Ehrschatz) an die Gutsherrschaft zu entrichten; zuweilen war auch eine sogen. Baulebung (s. d.) üblich; ebenso war hier die sogen. Interimswirtschaft (s. d.) gebräuchlich. Die moderne Gesetzgebung hat jedoch mit der ehemaligen Rechtsanschauung vom sogen. geteilten Eigentum gebrochen und an die Stelle der bäuerlichen Nutzungsrechte das volle Eigentumsrecht des Besitzers gesetzt (s. Ablösung). Vgl. Koken, Die rechtlichen Grundideen des deutschen Kolonats (Holzmind. 1844); Pfeiffer, Deutsches Meierrecht (Kass. 1848); Busch, Beiträge zum Meierrecht (Hildesheim 1855).