Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Katalonĭen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 604605
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Katalonĭen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 604–605. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Katalon%C4%ADen (Version vom 15.11.2024)

[604] Katalonĭen (span. Cataluña), span. Fürstentum, der nordöstlichste Teil der Pyrenäischen Halbinsel, grenzt nördlich an Frankreich, östlich und südöstlich an das Mittelmeer, südlich an Valencia, westlich an Aragonien, hat einen Flächeninhalt von 32,330 qkm (587 QM.) mit einer Bevölkerung von (1878) 1,749,710 Seelen und zerfällt in vier Provinzen: Lerida, Gerona, Barcelona und Tarragona (Genaueres s. unter den einzelnen Provinzen). Die jetzigen Katalonier (Catalanes) sind nüchterne, kluge, durchaus praktische Menschen, begabt mit Scharfsinn, Gelehrigkeit und körperlicher wie geistiger Gewandtheit, dazu von rastloser Thätigkeit, hohem Unternehmungsgeist und unermüdlicher Ausdauer. Neben diesen trefflichen Eigenschaften, zu denen noch persönlicher Mut, Nationalstolz, Freiheitssinn, Rechtschaffenheit u. Mäßigkeit zu zählen sind, finden sich als Schattenseiten im katalonischen Charakter: Jähzorn, Rachsucht, Trotz, Neid und namentlich Eigennutz. Die Katalonier unterscheiden sich von den übrigen Spaniern durch ihre Auswanderungslust, die als natürliche Folge ihres spekulativen Geistes erscheint; namentlich sind sie in fast allen Hafenstädten Nordamerikas vertreten. Dem Äußern nach sind sie von mittlerer Größe, aber kräftig, lebhaft und fröhlich. Sie zeigen eine große Vorliebe für Prozessionen und kirchliche Feierlichkeiten, ohne bigott zu sein. Selbst die gebildeten Stände sprechen unter sich meist den rauhen, dem Provençalischen verwandten katalonischen Dialekt, das sogen. Catalani, das sich während der Zeiten bildete, wo K. zum fränkischen Reiche gehörte, im übrigen noch jetzt Schriftsprache ist und eine nicht unbedeutende Litteratur besitzt (vgl. Hellferich, Raymund Lull und die Anfänge der katalonischen Litteratur, Berl. 1859). – K. war schon zur Römerzeit eine blühende Provinz und führte den Namen Hispania Tarraconensis. Später wurde es von den Alanen, um 415 von den Westgoten, 711 von den Arabern erobert. Völlig vertrieben wurden letztere erst zu Anfang des 9. Jahrh. durch die kriegerischen Eingebornen mit Hilfe Ludwigs des Frommen von Aquitanien. Von dieser Zeit an bildete das von Ludwig in 15 Grafschaften eingeteilte Land die sogen. spanische Mark des fränkischen Kaiserreichs. Nach Karls des Dicken Tod (888) wußten die inzwischen mächtig gewordenen [605] Grafen von Barcelona sich unabhängig zu machen, und es entstand die Markgrafschaft Barcelona oder das „Fürstentum K.“, welches als selbständiger Staat bis zur Vereinigung mit Aragonien durch die Vermählung der Erbin dieses Landes mit Raimund Berengar IV. von Barcelona (1137) bestand. 1479 wurde K. nebst Kastilien der spanischen Monarchie einverleibt. Doch behielt es seine ursprüngliche freisinnige Verfassung und verlor dieselbe erst durch Philipp V. nach dem spanischen Erbfolgekrieg, in welchem K. zu Philipps Gegner, Karl von Österreich, gehalten hatte. Vgl. Balaguer, Historia de Cataluña (Madr. 1885–87, Bd. 1–9).