Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kastanĭenbaum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 596
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Kastanĭenbaum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 596. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kastan%C4%ADenbaum (Version vom 16.01.2024)

[596] Kastanĭenbaum (Castanĕa Mill.), Gattung aus der Familie der Kupuliferen, Bäume und Sträucher mit großen, abwechselnden, ganzrandigen oder gezahnten Blättern, verlängertem, ährenförmigem, männlichem Blütenstand, in welchem die Blüten in Knäueln stehen, und dichtblütigen, weiblichen Kätzchen. Die Fruchthülle ist mit stechenden Borsten besetzt und schließt zwei oder drei glatte, auf der einen Seite konvexe, auf der andern flache Früchte ein. Echter K. (Kästenbaum, Maronenbaum, C. vulgaris Lam., C. sativa Mill., C. vesca Gärtn.), ein schöner, großer Baum, welcher ein bedeutendes Alter und kolossale Dimensionen erreicht (K. des Ätna: 60 m Umfang), hat 16–24 cm lange, länglich-lanzettliche, stachelspitzig gesägte, etwas lederartige, glänzende Blätter und große, kurz und plötzlich zugespitzte, braune, matt glänzende Früchte. Der K. stammt vielleicht aus dem mittlern Asien, bildet aber in ganz Südeuropa, selbst noch diesseit der Alpen, auch in Nordafrika waldartige Bestände. In Norddeutschland reifen die Früchte nur in günstigen Jahren, doch pflanzt man den Baum häufig auch nur des schönen Laubes halber und zwar in mehreren Varietäten. Das Holz, mit sehr zahlreichen Markstrahlen, ist schön weiß oder hellbraun, sehr feinfaserig, höchst geschmeidig, weich und leicht und gilt als ungemein dauerhaft. In Frankreich und England dient es zum Land- und Schiffbau, auch als Tischler- und Drechslerholz und in Weingegenden zu Fässern; das Wurzelholz gibt sehr geschätzte Masern. Die Früchte (Kastanien, Maronen, vielleicht nach der Stadt Kastana in Thessalien benannt) sind süßlich, mehlig und kommen in großer Menge aus Italien (Savoyen, Piemont), Frankreich (Vivarais, Forey, Dauphiné, Poitiers, Tours, Périgueux) und Tirol (Bozen, Meran, Roveredo) in den Handel. Auch die Rheinpfalz (Bühl bei Rastatt), die Bergstraße, Nassau etc. liefern beträchtliche Mengen von geringerer Größe. Bei uns dienen sie, geröstet oder gekocht, mehr oder minder als Delikatesse, in Italien und Frankreich aber bilden sie ein Volksnahrungsmittel und geben treffliche Viehmast. Sie enthalten: 1,7 fettes Öl, 0,4 Zucker, 30 Stärke, 3,2 Eiweißkörper, 16 Cellulose, 1,47 mineralische Stoffe, 48,7 Wasser. Man muß sie trocken und vorsichtig aufbewahren, da sie leicht schimmeln und von Würmern angegangen werden, auch im Frühjahr leicht keimen. C. americana Raf., dem vorigen sehr ähnlich, mit etwas überhängenden Blättern, in den Vereinigten Staaten, und der strauchförmige C. pumila L. (Chincapin), in den mittlern und südlichen Staaten Nordamerikas, sowie C. argentea auf Java liefern ebenfalls eßbare Früchte. – Wilder K., s. v. w. Roßkastanie (Aesculus Hippocastanum).