Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kapitel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 485
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Kapitel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 485. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kapitel (Version vom 11.03.2021)

[485] Kapitel (lat. capitulum, Diminutiv von caput, „Kopf“), ein Hauptstück, besonders die Inhaltsverzeichnisse oder Summarien, welche man den einzelnen Abschnitten, in die man Schriften zum Behuf des bequemern Nachschlagens einteilte (gleichsam als die Köpfe derselben), vorzuschreiben pflegte, dann diese Abschnitte oder Abteilungen selbst. Die Einteilung der Bücher in K. ist eine neuere Erfindung. Die Alten kannten nur eine in Bücher (libri), d. h. in verschiedene Rollen. Zuerst ward die Bibel in K. eingeteilt; die jetzige Einteilung wird auf den Kardinal Hugo de St.-Caro im 13. Jahrh. zurückgeführt. Auf die Profanschriftsteller soll diese Einteilungsart Reuchlins Lehrer Johannes de Lapide zu Ende des 15. Jahrh. übertragen haben und zwar zuerst auf Theophrast und Gellius. – In Klöstern heißt K. der Saal, wo den Mönchen früher täglich ein Abschnitt (K.) ihrer Regel vorgelesen, später aber jede wichtigere Klosterangelegenheit, z. B. die Wahl eines Abtes u. dgl., verhandelt ward, daher bei Mönchsorden und geistlichen Ritterorden solche Versammlungen selbst K. (Ordenskapitel) heißen. Es waren entweder Generalkapitel, wobei der ganze Orden durch Deputierte, oder Provinzialkapitel, bei denen die Deputierten der Provinz eines Ordens zur Beratung zusammenkamen, oder endlich Kloster- und Hauskapitel, wozu bloß die Kapitularen oder Konventualen, d. h. die stimmfähigen Mitglieder des Klosters, sich versammelten, um spezielle Angelegenheiten desselben zu erörtern. K. (Domkapitel) heißt das Kollegium der Kanoniker (Kapitularen, Stifts- oder Domherren) an einer bischöflichen oder erzbischöflichen Kirche, welches sich in der Regel aus einem Propst, Dechanten (Dekan), Scholastikus, Kantor, Kustos und noch einer Anzahl Domherren zusammensetzt und, wie ein Presbyterium oder Senat, dem Bischof beratend zur Seite steht, bei Erledigung des bischöflichen Stuhls durch den Tod des Bischofs oder bei sonstiger Sedisvakanz die auf die interimistische Verwaltung der Diözese bezügliche Jurisdiktion ausübt oder durch einen Kapitelsvikar ausüben läßt, den neuen Bischof wählt etc. und das Hoch- oder Domstift (s. Stift) bildet. K. heißen oder hießen ferner die Logen der höhern Grade der Freimaurerei; früher führten auch Versammlungen bei andern Gesellschaften, die eine Zunft ausmachten, z. B. der Tuchscherer etc., diesen Namen.