Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kapitōl“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 485486
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Kapitōl. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 485–486. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kapit%C5%8Dl (Version vom 15.01.2023)

[485] Kapitōl (lat. Capitolium), die Burg des alten Rom und als solche sowie als Stätte des römischen Nationalheiligtums, des gemeinsamen Tempels des Jupiter, der Juno und der Minerva, der religiös-politische Mittelpunkt des römischen Reichs, lag auf dem kapitolinischen Hügel (Mons Capitolinus), der sich aus der an seinem Ostfuß liegenden Niederung des Forums zu 46 m Höhe ü. M. erhebt und durch eine ähnliche Senkung von dem südöstlich liegenden palatinischen Hügel getrennt wird. Dieser kleinste der sieben Hügel Roms (sein Umfang beträgt 1000 m) bildet in seinem Zug von SW. nach NO. drei Abteilungen: den südwestlichen Gipfel mit dem Palast Caffarelli (jetzt deutsche Botschaft), den nordöstlichen höhern mit der Kirche Santa Maria in Araceli und die beide trennende Vertiefung mit den Museen. In dieser Vertiefung (intermontium) hatte Vejovis (der jugendliche Jupiter) zwischen zwei Hainen ein (angeblich von Romulus gegründetes) Heiligtum, das als Zufluchtsstätte für flüchtige Verbrecher galt. Als Sitz der höchsten Staatsgötter erhielt der Berg den Namen Mons Capitolinus oder Hauptberg. Der nur auf der Südostseite nach dem Forum zu durch einen fahrbaren Weg (Clivus Capitolinus) zugängliche, sonst überall steil abfallende Berg wurde der Sage nach bereits durch Servius Tullius mit einem Mauerring umgeben, von dessen Unterbauten an der Nordwestseite noch Überbleibsel gefunden wurden. Aber erst die Tarquinier erhoben den Berg durch den Tempelbau zu seiner staatlichen Bedeutung als idealen Hauptes der Siebenhügelstadt. Unter Tarquinius Priscus begonnen, wurde der Bau nach Vertreibung des Tarquinius Superbus 506 vollendet; die Bauleute waren Etrusker, doch trug der Tempel in mehrfacher Hinsicht ein griechisches Gepräge. Daß derselbe an Stelle des Palastes Caffarelli und nicht, wie vielfach behauptet wurde, an Stelle der Kirche von Araceli gestanden hat, ist durch die 1867, 1875 und 1876 unter Leitung von Jordan und Lanciani angestellten Ausgrabungen endgültig erwiesen worden. Noch ragen die Quadermauern aus Tuff gegen 5 m hoch aus der Tiefe des Felsbodens empor, auch sind sicher dem Tempel angehörige Architekturfragmente aus Marmor gefunden worden. Der Tempel hatte einen Umfang von 250 m (die Langseiten maßen 74, die Schmalseiten 51 m), die Vorhalle hatte dreimal sechs Säulen, welche etruskisch weit (9,2 m von Zentrum zu Zentrum) voneinander abstanden; zu ihr führte eine Freitreppe, vor welcher der Opferaltar stand. Der umgebende Tempelhof (Area Capitolina), in dem sich zahlreiche Heiligtümer (darunter das des Jupiter tonans) und Denkmäler befanden, und in dem auch die jährlichen Feste beim Amtsantritt der Konsuln gefeiert wurden, war mit einer Mauer umgeben. Außerhalb der Mauer an der Südseite des Hügels lag der Tarpejische Fels, von welchem in älterer Zeit die Staatsverbrecher hinabgestürzt wurden, der aber infolge zahlreicher Erdrutsche nicht mehr nachweisbar [486] ist. Lag der Tempel auf dem südwestlichen, 43,5 m hohen Gipfel des Doppelhügels, so war auf dem nordöstlichen, 46 m hohen die Burg (Arx) errichtet; 344 v. Chr. wurde hier ein Tempel der Juno Moneta erbaut, mit dem später auch das Münzamt verbunden wurde. Nach dem Forum zu war der Platz begrenzt durch das großartige Tabularium mit dem Staatsarchiv, von Quintus Lutatius Catulus 78 v. Chr. errichtet, dessen Unterbau aus Peperinquadern in das Untergeschoß des jetzigen Senatorenpalastes verbaut ist; von hier führte der Clivus Capitolinus zum Forum hinab. Der Tempel wurde wiederholt durch Feuer zerstört, aber immer wieder und unter Beibehaltung des alten Grundplans, jedoch in größerer Höhe und mit prächtigerer Ausstattung aufgebaut, so 69 v. Chr. durch Lutatius Catulus, 70 n. Chr. durch Vespasian und zehn Jahre später durch Domitian, welcher die gewaltigen Säulen von pentelischem Marmor anordnete. Im frühen Mittelalter verscholl der Tempel; damals trug der kapitolinische Hügel nur ein monumentales Gebäude, die Kirche Santa Maria in Araceli, auf dem nordöstlichen Gipfel. Mit dem Erwachen des städtischen Freiheitsgeistes wurde das K. wieder politisches Zentrum der Stadt; über den Trümmern des Tabulariums erhob sich im 13. Jahrh. der Senatorenpalast, 1348 wurde die große Treppe von Araceli angelegt. – Die jetzige Gestalt des Kapitols beruht auf den Plänen Michelangelos, den Papst Paul III. mit einer würdigen Ausschmückung der alten Nationalstätte betraute, der selbst aber nur die herrliche Doppeltreppe vor dem Senatorenpalast ausführen konnte. Auf der früher schroff abfallenden Nordwestseite des Hügels führt seitdem von der modernen Stadt her (neben der Treppe von Araceli) eine breite Rampe, an deren Fuß zwei altägyptische Löwen (s. Tafel „Bildhauerkunst I“, Fig. 5) aus Basalt ruhen, hinauf zur Piazza di Campidoglio, die im wesentlichen das alte, nur etwas erhöhte Intermontium einnimmt. Am obern Ende der Rampe stehen auf kräftigen Piedestalen die antiken Statuen von Kastor und Pollux mit ihren Pferden, während die Mitte des Platzes die schöne, einst ganz vergoldete bronzene Reiterstatue des Kaisers Mark Aurel einnimmt. Im Hintergrund erhebt sich der Senatorenpalast mit der erwähnten Freitreppe, schöner Brunnenanlage und viereckigem Turm, rechts der Konservatorenpalast (mit einer ausgezeichneten Sammlung antiker Bronzen, Marmorstatuen, Reliefs, einer etruskischen Sammlung, Büsten berühmter Männer, einer Gemäldesammlung), gegenüber das berühmte Museo Capitolino, das eine ausgezeichnete Sammlung von Antiken, eine Schöpfung der Päpste, enthält. Vgl. Jordan, Kapitol, Forum und Sacra Via (Berl. 1881); Righetti, Descrizione del Campidoglio (Rom 1835–50, mit 390 Tafeln).

Nach dem Vorbild des Kapitols in Rom besaßen übrigens auch andre Städte des römischen Reichs Kapitole als munizipale und religiöse Zentren, z. B. Verona, Benevent, Cirta und Lambäsis in Numidien, Besançon etc. (vgl. Kuhfeldt, De capitoliis imperii romani, Berl. 1883), wie denn auch der Palast des Vereinigte Staaten-Kongresses in Washington den Namen K. führt.